Die älteste Thorarolle Süddeutschlands befindet sich wieder in ihrer Heimatstadt. Rabbiner Elias Dray holte sie Anfang dieser Woche vom Berliner Jüdischen Museum nach Amberg zurück, wie er dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte. Am 17. Oktober soll die Rückführung der aufwendig restaurierten Schriftrolle mit einem Festakt gefeiert werden. Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) hat die Schirmherrschaft übernommen.

Begrüßung mit Festakt 

Die Thorarolle spiegele ein Stück Geschichte des jüdischen Lebens im Deutschland wider. Ihre Rückkehr sei "für alle Menschen und Konfessionen ein Grund zu feiern", heißt es in der Einladung zum Festakt. Nach einer Segnung im Amberger Congress Centrum wird sie in einer feierlicher Prozession zurück in die Synagoge gebracht, sagte der Rabbiner. Nach seiner Einschätzung ist die Thora etwa 100 Jahre nicht mehr am Schabbat gelesen worden. Dies soll zum Abschluss der Festwoche am 23. Oktober in der Amberger Synagoge geschehen.

Dem Rabbiner ist es zu verdanken, dass die mehr als 200 Jahre alte Thorarolle überhaupt gefunden wurde. Die Schriftrolle datiert auf das Jahr 1792 und trägt die Inschrift "Sulzbach". Gut 70 Jahre hatte sie unerkannt im Schrein der Amberger Synagoge gestanden, bevor Rabbiner Dray das einzigartige Kulturgut im Jahr 2015 fand.

Schriftrolle als Zeichen für frühzeitiges jüdisches Leben in der Oberpfalz

Angefertigt wurde das Pergament mit den fünf Büchern Mose für die Synagoge in Sulzbach. Dort existierte bis 1851 auch eine der fünf größten hebräischen Buchdruckereien der Welt. 1934 löste sich die dortige Gemeinde auf, die Rolle kam in die jüdische Gemeinde nach Amberg. Kurz vor der Reichspogromnacht 1938 versteckte sie der letzte Religionslehrer der jüdischen Gemeinde im Heimatmuseum in Amberg. Das Schriftstück hat auch den großen Stadtbrand von 1822 in Sulzbach überdauert und legt Zeugnis dafür ab, dass jüdisches Leben in der Oberpfalz schon seit Jahrhunderten existiert.

Zur Begutachtung brachte Dray die Thorarolle nach Israel. Dort stellte man fest, dass eine Restaurierung der aus 30 Tierhäuten bestehenden, 24 Meter langen und 65 Zentimeter hohen Rolle rund 45.000 Euro kosten würde - zu viel für die Israelitische Kultusgemeinde Amberg. Beschädigt aber darf eine Thora nach jüdischen Gesetzen nicht mehr für Gottesdienste verwendet werden. Sie kann, wie in solchen Fällen üblich, auf einem jüdischen Friedhof beerdigt werden.

In der Zukunft wieder im Gottesdienst im Einsatz 

Der Bund übernahm daraufhin fast die gesamten Kosten, um das imposante Zeugnis jüdischen Lebens in Bayern zu erhalten. Die aufwendige Restauration dauerte fast zwei Jahre. Beim Holocaust-Gedenktag am 27. Januar dieses Jahres spielte sie eine tragende Rolle im Deutschen Bundestag. Sie wurde beim Gedenken für die Opfer des Nationalsozialismus vervollständigt, indem ein jüdischer Schreiber die letzten acht Buchstaben auf die Schriftrolle setzte. Die Repräsentantinnen und Repräsentanten der deutschen Verfassungsorgane standen dabei Pate wie auch von jüdischer Seite Zentralratspräsident Josef Schuster, die Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, sowie Rabbiner Elias Dray.

Nach ihrem Auftritt in Berlin kam die Rolle zunächst für ein paar Monate im Jüdischen Museum in Berlin unter Verschluss. Bereits im Juni sollte sie zurückgebracht werden, doch die Corona-Pandemie verhinderte dies. Diese Woche wurde sie nun vom Amberger Rabbiner heimgeholt. In Amberg soll sie auch wieder im Gottesdienst verwendet und nicht nur wie ein Museumsstück ausgestellt werden, sagte der Rabbiner.