Sie war eine Koryphäe auf dem Gebiet der abstrakten Algebra, ihre Forschungsergebnisse fanden internationale Anerkennung; aber als sie sich 1915 in Göttingen habilitieren wollte, lehnte der zuständige Minister mit dem Argument ab, gegen solche Wünsche von Frauen bestünden "in akademischen Kreisen" nun einmal "erhebliche Bedenken". 

Bis zum 41. Lebensjahr erhielt sie keinen Pfennig für ihre sogar von Einstein gerühmten Arbeiten und lebte von Zuwendungen ihres Vaters. Als ihre Schüler längst auf angesehenen Lehrstühlen saßen, verweigerte man ihr immer noch eine ordentliche Professur.

Emmy Noether: Frau, Jüdin, Akademikerin

Die Mathematikerin Emmy Noether (1882-1935) aus Erlangen wurde als Frau, Jüdin und politisch engagierter Mensch im Ringen um eine akademische Laufbahn gleich dreifach benachteiligt. Die Tochter eines Mathematikprofessors wuchs in einer Zeit auf, als es noch nicht einmal Gymnasien gab, auf denen Mädchen zum Abitur geführt wurden. Privat bereitete sie sich auf die Lehrerinnenprüfung vor, privat legte sie als 21-Jährige das Abitur ab. In Göttingen und Erlangen studierte sie als Gasthörerin und, als 1903 endlich in Bayern Frauen die Immatrikulation erlaubt wurde, als eingeschriebene Studentin.

Summa cum laude promoviert, unterstützte sie ihre männlichen Kollegen bei der Lehrtätigkeit, ohne Anstellung, Vertrag und Honorar, und präsentierte auf internationalen Tagungen einem staunenden Publikum ihre Forschungsresultate zur Körpertheorie und zu Differential- und Integralgleichungen.

"Sie scheint ihr Handwerk zu verstehen", meinte Albert Einstein und ärgerte sich, dass man so einer Begabung die Lehrerlaubnis vorenthielt

Doch zu diesem Zeitpunkt war in ganz Deutschland noch keine Frau habilitiert worden. Die meisten akademischen Lehrer teilten die Ansicht des Göttinger Historikers Karl Brandi, der 1907 erklärt hatte, "dass sehr viele von uns prinzipiell den Eintritt der Frauen in den Organismus der Universitäten als eine Beeinträchtigung des menschlichen und moralischen Einflusses des männlichen Universitätslehrers auf ihre bis dahin leidlich homogene Zuhörerschaft betrachten". Schon die Anwesenheit weiblicher Gasthörerinnen störte in seinen Augen die "Unbefangenheit" und die Atmosphäre des Vertrauens, die für wissenschaftliche Arbeit so notwendig sei.

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs bescherten die veränderten politischen Verhältnisse den Frauen mehr Rechte, das Ministerium gestattete plötzlich das Habilitationsverfahren. Emmy Noethers Arbeit über die (nach ihr benannte) Invariantentheorie machte sie auch bei den Physikern bekannt. Sie durfte als Privatdozentin, später als außerordentliche Professorin Vorlesungen halten, zog hochbegabte junge Leute an und trug dazu bei, dass die Algebra die Analysis aus dem Zentrum des internationalen Forscherinteresses verdrängte.

Erste bezahlte Professur mit 41

Emmy Noether erhielt eine Gastprofessur in Moskau und als 41-Jährige endlich einen bezahlten Lehrauftrag – aber nie einen Lehrstuhl, nie eine Mitgliedschaft in der Göttinger Gesellschaft der Wissenschaften oder in der Redaktion der "Mathematischen Annalen", denen sie als Gutachterin unschätzbare Dienste leistete.

1933 entzog man der Jüdin und Pazifistin, die SPD-Mitglied gewesen sein soll und als Marxistin verschrien war, die mühsam errungene Lehrerlaubnis wieder. Sie emigrierte in die USA, bekam eine Gastprofessur am Frauen-College Bryn Mawr in Pennsylvania (auch in Oxford hätte sie lehren können), hielt nebenher Vorlesungen in Princeton und starb 1935 mit 53 Jahren überraschend nach einer Operation.

 

"Rebellinnen": Die Ausstellung über starke Frauen

Dieser Text ist Teil der Wanderausstellung "Rebellinnen". Sie stellt Frauen aus dem deutschsprachigen Raum vor, die für ihre Überzeugungen und Rechte kämpften, die Gesellschaft prägten, sie verändern wollten.

Als Medienpartner von "Rebellinnen" veröffentlicht sonntagsblatt.de Porträts und weiterführende Informationen zu allen Frauen, die in der Ausstellung gezeigt werden.

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