Sarah Vecera: In aller Kürze
Sarah Vecera ist Theologin, Autorin und stellvertretende Leiterin der Abteilung Deutschland der Vereinten Evangelischen Mission (VEM). 1983 wird sie in Oberhausen geboren und wächst im Ruhrgebiet auf. Nach dem Abitur macht sie einen Freiwilligendienst mit der VEM in Tansania und studiert anschließend Theologie, Sozialpädagogik und Religionspädagogik in Kassel und Bochum. Sarah Vecera ist ordinierte Prädikantin der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR). Ab 2013 arbeitet sie für die VEM in Wuppertal und wird stellvertretende Abteilungsleiterin der Region Deutschland sowie Bildungsreferentin mit dem Schwerpunkt "Rassismus und Kirche". Auch in ihrem Buch "Wie ist Jesus weiß geworden?" nimmt sie Rassismus in der Kirche in den Blick und verdeutlicht diesen anhand struktureller Fakten sowie biografischer Erfahrungen. Im Herbst 2021 wird Sarah Vecera für sechs Jahre in das Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentags gewählt.
Es gibt eine Frage, die Sarah Vecera überhaupt nicht mag. Die ihr immer und immer wieder gestellt wird. Ihr ganzes Leben ist das schon so. Die Frage lautet: "Wo kommen Sie her?"
"Aus Oberhausen", antwortet sie dann. Denn die 38-Jährige ist ein Kind des Ruhrpotts, hier ist sie geboren und aufgewachsen, hier lebt sie mit ihrer jungen Familie, spricht einen "ordentlichen Ruhrpott-Dialekt", wie sie es nennt. Doch wegen ihrer Hautfarbe glauben viele, dass Oberhausen ja wohl nicht die ganze Geschichte sein könne, und haken nach: Wo kommen Sie wirklich her, wo haben Sie Ihre Wurzeln?
Auch wenn diese Frage freundlich interessiert gemeint sei, würden ihr damit ein Fremdsein und ein "sogenannter Migrationshintergrund" attestiert, die es in ihrer Biografie nicht gebe.
"Wenn es 'den' deutschen Lebenslauf des Bildungsbürgertums gäbe, ich könnte ihn vorweisen", schreibt die Theologin in einem Blog zum Thema "Rassismus und Kirche" unter der Überschrift: "Ihr habt es gut gemeint und mich fremd gemacht."
Sie bleibe bis heute "fremd" in der Kirche, in der sie aufgewachsen ist. "Da helfen auch nicht gute Manieren, eine gewisse Bildung, mein deutscher Pass mit Geburtsort Oberhausen, meine Ordination in der Evangelischen Kirche im Rheinland, Interesse an deutschem Kulturgut von Goethe über Currywurst bis hin zu Wolfgang Petry, mein Bausparvertrag mit bester Zinsbindung, das Eigenheim im Spießerstadtteil, ein weißer Ehemann, zwei weiße Kinder ..."
Worauf Sarah Vecera anspielt, ist Alltagsrassismus und damit zusammenhängend strukturelle Benachteiligung, die Menschen widerfährt, die nicht der weißen Mehrheitsgesellschaft angehören. Den meisten Menschen, vor allem in der Kirche, sei es nicht mal bewusst, dass sie Teil eines ausgrenzenden Systems sind, weil die gute Absicht oft im Fokus stünde, die wiederum nicht vor Rassismus schütze. So der Satz: "Wie schön, dass Sie bei uns etwas Farbe reinbringen", den die Theologin mal im kirchlichen Kontext oft hört. Oder die Frage des Arztes, den sie mit ihren Kindern aufgrund einer Erkältung aufsuchte: "Welche Sprache wird bei Ihnen zu Hause gesprochen?"
Sarah Vecera, die sich selbst als "Person of Color" bezeichnet, engagiert sich dafür, andere für Rassismus zu sensibilisieren
Als Person (oder People) of Color bezeichnen sich Menschen, die negativ von Rassismus betroffen sind und dadurch Benachteiligung erfahren, weil sie aufgrund phänotypischer Merkmale nicht zur weißen Dominanzgesellschaft gehören.
Auch sie selbst sei nicht frei davon, Rassismus auszuüben: "Wir müssen über die vielfältigen Formen von Rassismus ins Gespräch kommen", hat sie mal in einem Interview gesagt. "Nur so können wir unsere eigenen strukturellen, institutionellen und individuellen Rassismen entlarven, reflektieren und überwinden."
Das gelte auch für die Kirche, die ihr seit ihrer Kindheit viel bedeutet. In der sich allerdings weiße, eurozentrisch geprägte Gottesbilder manifestiert hätten – auch bei ihr selbst. Sie habe Schwierigkeiten, sich Gott nicht als "weißen Mann" vorzustellen. "Das kommt auch daher, dass Theologie oft von weißen Männern gelehrt und vermittelt wird."
2021 hat Sarah Vecera die evangelische Kirche aufgefordert, über eine Quote für People of Color nachzudenken
Sie seien in Kirchenvorständen, Pfarrhäusern und kirchlichen Leitungsämtern nicht repräsentiert, argumentiert die evangelische Theologin. Durch eine Quote ließe sich dies ändern, ist Sarah Vecera überzeugt. Im März 2022 erschien ihr Buch "Wie ist Jesus weiß geworden? Mein Traum von einer Kirche ohne Rassismus".
Die evangelische Kirche stehe am Anfang eines "rassismuskritischen Wegs". "Wir müssen noch viel häufiger die Perspektive von Menschen hören, die von Rassismus betroffen sind, und weiße Menschen müssen lernen, sich zurückzunehmen."
Ihre eigene biografische Perspektive als Person of Color bringt Sarah Vecera auch im Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentags 2023 ein. Nach ihrer Wahl betonte sie, wie wichtig es sei, einen Kirchentag "für alle Menschen zu gestalten", bei dem auch die Sicht marginalisierter Gruppen berücksichtigt werde. "Sonst kommen wir nie davon weg, von 'den anderen' und 'uns' zu sprechen", sagt sie. Dabei gehe es doch darum, irgendwann von einem 'wir' zu sprechen. Das ist meiner Meinung nach der einzige Weg zu einer echten Gemeinschaft auf Augenhöhe."
Weitere Informationen über Sarah Vecera
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Social Media: Auf ihrem Instagram-Profil @moyo.me nimmt Sarah Vecera ihre Follower mit in ihren Alltag und thematisiert immer wieder Alltagsrassismus in Kirche und Gesellschaft.
Audio: In ihrem Podcast "Stachel&Herz" interviewt Sarah Vecera Menschen, deren Stimmen aus ihrer Sicht zu wenig Gehör finden in der Kirche, aber in einer pluralen Gesellschaft gehört werden sollten.
Sarah Vecera zu Gast im Podcast KirchGeflüster: Wie ist Jesus eigentlich weiß geworden? – Rassismus in der Kirche.
Literatur: Sarah Vecera: "Wie ist Jesus weiß geworden? Mein Traum von einer Kirche ohne Rassismus"
"Rebellinnen": Die Ausstellung über starke Frauen
Dieser Text ist Teil der Wanderausstellung "Rebellinnen". Sie stellt Frauen aus dem deutschsprachigen Raum vor, die für ihre Überzeugungen und Rechte kämpften, die Gesellschaft prägten, sie verändern wollten.
Als Medienpartner von "Rebellinnen" veröffentlicht sonntagsblatt.de Porträts und weiterführende Informationen zu allen Frauen, die in der Ausstellung gezeigt werden.
Sie haben Interesse daran, die Ausstellung zu besuchen oder auszuleihen? Auf ausstellung-leihen.de finden Sie künftige Termine sowie die Online-Buchung.