Die evangelische Christuskirche im oberfränkischen Selb ist ein typischer Kirchenbau der 1960er-Jahre: Kein Barock-Bau zwar, aber eben doch von außen wie innen klar als Gotteshaus zu erkennen. Doch an ein paar Abenden verwandelt Gemeindepfarrer Johannes Herold die Kirche in einen Techno-Tempel: Mit dem besonderen Gottesdienstformat "Beats & Bible" will er vor allem junge Menschen zu drei Stunden Rave mit Tiefgang in die Kirche holen. Ob das bisher geklappt hat und was er für die nächste Ausgabe am 21. Oktober ab 19 Uhr erwartet, verrät Herold dem Sonntagsblatt.

Herr Herold, sind sie selbst ein Kind der Techno-Bewegung oder was hat sie dazu gebracht, in der Selber Kirche einen Rave unter dem Titel "Beats & Bible" zu veranstalten?

Herold: Nein, gar nicht! Ich habe meinen ersten Rave vor ein paar Wochen bei der ersten Auflage von "Beats & Bible" erlebt. Ich bin eigentlich klassischer Musiker, ich spiele Geige, Klavier, habe meine Jugend in mehreren Orchestern und Kantoreien verbracht - und spiele leidenschaftlich gerne Orgel. Ich komme musikalisch also aus einer ganz anderen Ecke. Der Anlass war, dass wir eine Gottesdienstform gesucht haben, in der Musik vorkommt, die junge Leute wirklich mögen - denn die meisten Unter-35-Jährigen finden ja zum sogenannten neuen geistlichen Liedgut aus den 1970er und 1980er Jahren auch kaum noch einen Zugang. Also habe ich recherchiert und gegrübelt - und mir dann das Format "Beats & Bible" mit Techno-Musik ausgedacht.

Und wie muss man sich das dann genau vorstellen? Der Pfarrer im Party-Outfit statt im Talar spricht vom Boxenturm und im Kunstnebel Psalmtexte zu 140 Beats pro Minute?

Herold: Ja und nein. Also einen Talar hatte ich nicht an, ich war größtenteils schwarz angezogen. Und ich stand auch nicht irgendwo auf Boxen, sondern an einem kleinen Altar neben dem DJ-Pult. Unsere Kirche sah innen drin an diesem Abend schon mehr nach Disco als nach Kirche aus. Wir haben die drei Stunden vor allem zur Musik getanzt - und zwischendrin gab es immer kurze Wortbeiträge, der längste war meine Predigt mit gut zweieinhalb Minuten. Die Beats liefen aber die ganze Zeit über weiter. Für mich selbst war das auch ein ganz neues Gefühl - und ich glaube, bei den etwa 35 Gästen kam das auch super an. Ein echter Gänsehautmoment war, als wir alle zusammen das "Vater Unser" zum Techno-Beat gebetet haben. Wirklich toll!

Sie wollten mit dem Techno-Format ja vor allen Dingen junge Menschen in die Kirche bekommen. Aber 35 Gäste klingt jetzt erst einmal nicht nach einem wahnsinnigen Erfolg...

Herold: Ja, ehrlicherweise hatte ich auf mehr Gäste gehofft. Andererseits war es die Premiere - und gegenüber unseren normalen Gottesdienstbesucherzahlen mehr als eine Verdopplung. Wir haben uns vorgenommen, in jedem Quartal vier verschiedene Gottesdienstformen anzubieten - mehrmals. "Beats & Bible" ist dann wieder am 21. Oktober um 19 Uhr dran. Ich hoffe natürlich, dass sich das weiter herumspricht und noch einige Gäste mehr kommen. Das Premierenpublikum, so war jedenfalls die Rückmeldung, war begeistert und will Werbung dafür machen. Im nächsten Jahr planen wir dann auch wieder "Disco-Gottesdienste", dann allerdings nicht mit Techno, sondern mit Musik der 1980er- und 1990er-Jahre, um auch Nicht-Techno-Fans anzusprechen.

 

 

Die nächsten Termine in Selb

  • Samstag, 21. Oktober, 19:00 Uhr
  • Samstag, 11. November, 19:00 Uhr

Link zur Kirchengemeinde Selb

Kommentare

Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.

Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.

Anmelden