Bayerische Landesausstellungen zu (rein) fränkischen Themen gab es in den vergangenen Jahren einige - beispielsweise die 2013er-Schau "Main und Meer" in Schweinfurt. Dass sich die Landesausstellung 2022 ab dem 25. Mai in der Ansbacher Orangerie unter dem Titel "Typisch Franken?" gezielt mit einem der drei bayerischen Volksstämme beschäftigt - das ist dem Ausstellungschef Rainhard Riepertinger vom Haus der Bayerischen Geschichte zufolge ein Novum. An diesem Donnerstag (19. Mai) wird das Programm der Ausstellung offiziell in Ansbach vorgestellt.
Herr Riepertinger, was unterscheidet die Franken denn von den übrigen Stämmen Bayerns?
Rainhard Riepertinger: Ich bin mir unsicher, ob es wirklich so extrem große Unterschiede gibt zwischen schwäbischer, altbairischer und fränkischer Identität. Wenn man Hans Max von Aufsess glaubt, dann ist der Franke ja ein Gewürfelter, der wendig und witzig sein soll, zugleich soll er aber beharrlich sein, manchmal auch ein bisschen stur, der an Dingen festhält. Auf der anderen Seite hört man auch immer wieder, die Franken seien wortkarg und ein bisschen eigenbrötlerisch. Also, Sie merken schon: Die Meinungen dazu gehen ziemlich auseinander... Und manche Zuschreibung ist irgendwie austauschbar und trifft zum Beispiel auch für den Altbaiern oder den Allgäuer zu.
"Die Franken" gibt es ja ohnehin nicht. Was ist denn - nach ihrer Arbeit an der Ausstellung - das Charakteristische für Ober-, Mittel- und Unterfranken?
Riepertinger: Da gibt es verschiedene Punkte. Einer ist zum Beispiel die konfessionelle Verteilung: Unterfranken ist stark katholisch geprägt, Mittelfranken ist stärker evangelisch geprägt, während in Oberfranken ein ziemliches Patt herrscht. Eine andere "Einteilung" kann man vielleicht über Wein und Bier vornehmen: Oberfranken gilt mit seinen vielen regionalen Brauereien und Braustätten eindeutig als Bierland, während Unterfranken unstrittig eine Weinregion ist. Viele andere Unterschiede sind letztlich eine Gemeinsamkeit - nämlich die historische territoriale Zersplitterung Frankens.
Die Ausstellung will sich auch mit Klischees und Stereotypen beschäftigten - was wird da beispielsweise thematisiert und womit womöglich auch mal aufgeräumt?
Riepertinger: Ein Klischee-Beispiel, das zwar nicht in Franken, aber von der Außensicht her durchaus verbreitet ist, ist: ganz Franken ist durch und durch evangelisch. Jeder Würzburger und Bamberger weiß das natürlich besser - aber außerhalb Frankens hört man diese Meinung immer wieder. Ein anderer Punkt ist, dass nicht wenige Menschen glauben, dass Franken eigentlich nur aus putzigen, idyllischen Fachwerkhäusern besteht. Diesem Bild des romantischen Frankens, das ja auch einen historischen Grund hat, spüren wir in der Ausstellung ein bisschen nach und beantworten, woher das kommt...
... das müssen Sie leider jetzt schon verraten - zumindest andeutungsweise!
Riepertinger: Das geht auf die Malerei des 19. Jahrhunderts zurück, in der fränkische Städte und Dörfer vor allem so pittoresk dargestellt wurden. Eine weltweite Verbreitung hat dieses Bild durch den Walt-Disney-Zeichentrickfilm "Pinocchio" ab dem Jahr 1940 gefunden, denn die Zeichner haben sich Rothenburg ob der Tauber als Vorbild genommen. Dadurch wurde ein Franken-Bild geschaffen, das in dieser Absolutheit nicht stimmt - nicht überall in Franken gibt es schließlich Fachwerkhäuser.
Was ist mit dem fränkischen Gefühl der "Benachteiligung" gegenüber den Altbayern?
Riepertinger: Ja, dieses Gefühl scheint in Franken immer mal wieder auf - dem wollen wir in der Ausstellung auch mal auf den Grund gehen: Woher kommt es, was für Ursachen gibt es, wie hat sich das entwickelt? Das ist aber ein sehr schwieriges Thema, das lässt sich nur schwer greifen. Denn die schwäbischen Territorien hatten dasselbe Schicksal, als sie um 1800 ihre Eigenständigkeit verloren und Bayern zugeschlagen wurden. Und dort gibt es dieses Gefühl der Benachteiligung nicht. Zumindest hab ich es dort noch nie gehört - und ich wohne da.
"Am Ende kommen wir zu dem Schluss, dass jeder Ort die jeweils beste Bratwurst hat!"
Lassen Sie uns über den Kern der fränkischen Kulinarik sprechen: die Bratwurst. Bekommt sie einen eigenen Teil in der Ausstellung?
Riepertinger: Eine Ausstellung über Franken ohne Bratwurst ist unvorstellbar! Ganz unabhängig davon, ob man selbst nun Bratwürste mag oder nicht - sie gehören zu Franken dazu. Wir werden auf die fränkische Bratwurst an sich und ihre Verschiedenheiten in einzelnen fränkischen Regionen eingehen. Und am Ende kommen wir zu dem Schluss, dass jeder Ort die jeweils beste Bratwurst hat!
Was haben Sie als Historiker bei der Arbeit an der Landesausstellung denn Neues über Franken erfahren, was Sie vorher noch nicht wussten?
Riepertinger: Zunächst einmal ist es so, dass man bei jeder Landesausstellung Neues erfährt - denn auch als versierter Landeshistoriker kennt man ja nicht jedes Detail. Im Fall von "Typisch Franken?" ist es so, dass ich natürlich einiges über die historische Zersplitterung in viele kleine Territorien wusste. Das Spannende ist jetzt, dass sich viele kleine Einzelheiten an den Exponaten festmachen lassen, die wir zeigen. Zum Beispiel einen steinernen Löwen, der vor den Toren des unterfränkischen Reichsdorfs Gochsheim stand und ein Wappen mit dem Reichsadler in seinen Händen hält...
Fällt ihnen noch etwas ein, das Sie erst durch die Arbeit an der Ausstellung gelernt haben?
Riepertinger: Oh ja! Viele kennen ja wahrscheinlich das Märchen von Wilhelm Hauff "Das Wirtshaus im Spessart" - oder zumindest den Film mit Liselotte Pulver aus dem Jahr 1958. Ich habe mich immer gefragt: Stimmt es eigentlich, was der Hauff so um das Jahr 1820 schreibt?
"War der Spessart tatsächlich ein dermaßen gefährliches Pflaster? Und ja, er war es für etwa zwei, drei Jahrzehnte tatsächlich, weil sich dort ein paar Familien immer wieder zu solchen Räuberbanden zusammengeschlossen hatten. Das war neu für mich."
Wenn Sie schon den Märchenfilm ansprechen - wie viel Franken und insbesondere Spessart steckt da tatsächlich drin?
Riepertinger: Sehr wenig. Es gibt zwei Filmszenen, die in Franken gedreht wurden. Zum einen die Eingangsszene, die auf dem Marktplatz in Miltenberg aufgezeichnet wurde - und die Schlussszene in Schloss Mespelbrunn. Das, was unser Spessart-Bild in diesem Film prägt, nämlich das Wirtshaus und das Räuberlager, das wurde ganz woanders gedreht. Die Szenen im Wirtshaus wurden in den Bavaria Filmstudios aufgenommen, das Räuberlager im Gleißental bei Deisenhofen in der Nähe von München. Unsere Vorstellung vom Spessart wird also von einer oberbayerischen Landschaft geprägt.
Die Landesausstellung ist hauptsächlich in der Ansbacher Orangerie zu Gast - welche Rolle wird die Ansbacher Geschichte selbst in der Schau spielen?
Riepertinger: Wir machen das eigentlich immer, dass wir uns auch thematisch-inhaltlich mit der Ausstellung auf den Ort einstimmen, in dem wir zu Gast sind. Es wäre ja auch komisch, wenn man in einer Landesausstellung zu Franken nichts über Ansbach erfahren würde. Außerdem steht Ansbach als ehemaliger Sitz der Markgrafen ja auch für ein markantes Stück fränkischer Geschichte. Wir wollen in der Ausstellung auch etwas herausarbeiten, wer diese Markgrafen von Ansbach eigentlich waren...
Sie werden aber auch einen weiteren Standort in der Stadt haben: die evangelische St. Gumbertuskirche mitten in der Altstadt. Worum geht es dort?
Riepertinger: Da gehen wir stärker auf die Markgrafen im 15. Jahrhundert ein, also noch vor der Reformation. Wir wollen zeigen, wie die Markgrafen damals das Leben in Ansbach geprägt haben. Und wir werfen auch einen Blick auf den um 1440 gegründeten Schwanen-Orden, ein für die damalige Zeit sehr spannender Orden - denn dem durften damals auch weibliche Mitglieder beitreten.
Sie haben schon vom Reichsdorf-Löwen geschwärmt - was aber gehört außerdem zu ihren Lieblingsexponaten, die ab Ende Mai gezeigt werden?
Riepertinger: Da gibt es viele. Zum Beispiel eine fränkische Waschmaschine von 1950, in die man noch händisch Wasser einfüllen musste. Oder das Zepter eines typisch fränkischen Reichsritters. Ein wirkliches Schmuckstück ist aber auch die sogenannte Bismarck-Waage: ein roter Plüschsessel, der öffentlich zugänglich war in einem eigenen Häuschen, wo sich Bismarck als regelmäßiger Kurgast von Bad Kissingen hat wiegen lassen. Die Leute konnten damals also live zuschauen, ob Bismarck sein Gewicht gehalten hatte oder nicht. Das zeigt auch: Prominent zu sein war auch damals nicht nur toll...
Die Landesausstellungen leben ja auch immer von ihren räumlichen Inszenierungen. Was dürfen die Besucher in Ansbach diesbezüglich erwarten?
Riepertinger: Unsere Inszenierungen sollen letztlich die gesamte Ausstellung unterstützen. Und es ist immer schwer, das im Vorfeld zu beschreiben. Fest steht: Der Einstieg in die Ausstellung erfolgt über eine Art Karussell mit typisch fränkischen Dingen - vom Bocksbeutel über die Bierflasche bis hin zum fränkischen Modellhäuschen. Durch die Ausstellung wird sich eine Leporello-Faltwand ziehen, auch dem Spessart wird man als Wald inszenatorisch in der Orangerie begegnen.
Noch sind wir mitten in der Corona-Pandemie, aktuell gilt 2G plus für Museen: Wie sind ihre Besucher-Erwartungen für die Landesausstellung 2022?
Riepertinger: Ach, wenn ich diese Frage beantworten könnte! Ich denke, wir müssen da einfach abwarten und das Beste daraus machen. Wenn mich vor einem Jahr jemand gefragt hätte, wie das mit "Typisch Franken?" im Mai 2022 wird, hätte ich überzeugt gesagt, dass dann alles wieder "normal" läuft. Wir, die wir viel Zeit und Engagement in diese Ausstellungen gesteckt haben, wünschen uns natürlich, dass ein möglichst entspannter und befreiter Besuch ab Ende Mai möglich sein wird.