2007 war die Sensation perfekt: Das katholische Bayern hatte seinen ersten evangelischen Ministerpräsidenten seit dem Zweiten Weltkrieg - auch wenn die Amtszeit von Günther Beckstein nach zwölf Monaten schon wieder vorüber war. Im Gegensatz zu anderen CSU-Größen wirkt Beckstein bescheiden, fast schon unscheinbar. Aufhebens um seine Person oder der bei vielen CSU-lern so beliebte Pomp liegen dem Mittelfranken nicht. Am 23. November feiert Beckstein, der in Nürnberg-Langwasser lebt, seinen 80. Geburtstag.
Günther Beckstein wird 80
Beckstein blickt auf eine jahrzehntelange Karriere in Politik und Kirche zurück. "Christ und Politik, das ist mein Leben", sagte der gebürtige Hersbrucker einmal. Von 1993 bis 2015 saß er in der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), ab 2009 war er deren Vizepräses. Von 1996 bis 2013 war er berufenes Mitglied im bayerischen evangelischen Kirchenparlament. Die Aufgabe nahm er sichtlich ernst, blieb meist die vollen vier Synodentage und meldete sich immer wieder mit Wortbeiträgen. Andere prominente berufene Mitglieder aus der Politik wie später Markus Söder (CSU) als Finanzminister blieben oftmals nur einen Tag.
Becksteins politische Karriere begann früher: Von 1974 bis 2013 saß der studierte Jurist im bayerischen Landtag, 1978 wurde er Vorsitzender im Sicherheitsausschuss, 1988 Staatssekretär im Inneren und 1993 dann Innenminister unter Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU). In dieser Funktion machte er sich schnell auch bundesweit einen Namen als Hardliner, Beckstein wehrte sich nie gegen dieses Etikett. "Ich war lieber Hardliner für Recht und Ordnung. Es wäre für mich furchtbar gewesen, wenn ich als Weichei für Unrecht und Unordnung gegolten hätte", sagte Beckstein einmal im Rückblick.
Kurs in der Asylpolitik
Sein harter Kurs in der Asylpolitik verlangte ihm einen Spagat zwischen politischer und christlicher Überzeugung ab. Sein bekanntester Fall von Abschiebung, der auch international für Aufsehen sorgte, dürfte der von "Mehmet" gewesen sein: ein jugendlicher Straftäter, gebürtiger Münchner mit türkischem Pass, der bis zu seinem 14. Lebensjahr mehr als 60 Straftaten begangen hatte. Als er 1998 strafmündig wurde, wurde er auf Becksteins Veranlassung nach einem erneuten Vergehen in die Türkei abgeschoben.
"Mehmet" warf Beckstein Jahre später vor, sein Leben zerstört zu haben. Beckstein sagte dazu dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Als evangelischer Christ ist mir der Schutz von unschuldigen Bürgern wichtiger als der Resozialisierungswunsch eines Serienstraftäters." Dreh- und Angelpunkt seines politischen Handels war Beckstein immer sein christlicher Glaube. Er sei immer ein Grenzgänger zwischen Politik und Kirche gewesen und habe dieses Spannungsverhältnis bewusst gewollt.
Immer trieb Beckstein, der sich als "strikten Gegner der Todesstrafe" bezeichnet, auch die Frage um, wann die Tötung eines Menschen in der Sicherheitspolitik gerechtfertigt sei. Die Tötung des Al-Quaida-Anführers Osama bin Laden durch die USA 2011 etwa sah er mit "gemischten Gefühlen". Die bewusste Tötung eines Menschen noch dazu ohne rechtsstaatlichen Prozess sei rechtlich und ethisch hochproblematisch. Den Abschuss eines von Terroristen gekaperten Flugzeugs, das Kurs auf ein voll besetztes Fußballstadion hält, befürwortet Beckstein hingegen - allerdings nur als "ultima ratio".
Große Auftritte
Bisweilen liebt der bodenständige und nachdenkliche Beckstein auch den großen Auftritt: Zur bekannten "Fastnacht in Franken" in Veitshöchheim kam er stets aufwendig kostümiert, einmal als Reformator Martin Luther, seine Frau Marga als Luther-Gattin Katharina von Bora. Auch in Kirchendingen dürfte es für ihn manchmal gern pompöser, katholischer zugehen. "Zum großen Ärger meiner Frau liebe ich Weihrauch. Mir gefallen festliche Gewänder", sagte er einmal dem epd. Protestantische Gottesdienste seien ihm manchmal zu schmucklos, Predigten nicht immer so faszinierend.
Seine erste Auslandsreise als bayerischer Ministerpräsident führte ihn dann 2007 auch prompt nach Rom zum damaligen bayerischen Papst Benedikt XVI. Ökumene ist für Beckstein ohnehin wichtig. Dass ein Bayer Papst geworden ist, bezeichnete der überzeugte evangelische Christ als "Glücksfall", und dass es in Bayern eine "katholische Volkskirche" gebe als "großen Segen für unser Land". Ohnehin hätten ihn die allermeisten Katholiken als evangelischen Ministerpräsidenten akzeptiert, sagte er.
Mit Markus Söder (CSU) gibt es seit 2018 wieder einen fränkischen Protestanten an der Spitze der bayerischen Staatsregierung. Beckstein sagt dazu - diesmal nicht ganz unbescheiden: "Aber ich war der erste evangelische Ministerpräsident."
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