Nach dem großen Brand in der Peter- und Paul-Kathedrale von Nantes ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Brandstiftung. Das Feuer ist unter Kontrolle, doch die Flammen richteten großen Schaden an. Laut zuständigem Staatsanwalt Pierre Sennes sei das Feuer an drei Stellen ausgebrochen, unter anderem an der Orgel und im Hauptschiff. "Das sieht nicht nach einem Zufall aus", zitierten ihn französische Medien.

Der französische Präsident Emmanuel Macron twitterte "Nach Notre-Dame steht die Kathedrale Saint-Pierre-et-Saint-Paul im Herzen von Nantes in Flammen" und verband selbst damit die beiden Brände. Doch muss zwischen den Bränden sehr genau unterschieden werden, erklärt Pfarrerin Agnes von Kirchbach von der "Vereinigten Protestantischen Kirche in Frankreich". Sie schildert die aktuelle politische Debatte im exklusiven Sonntagsblatt-Interview.

In Nantes hat die Kathedrale gebrannt, des wird derzeit von Brandstiftung ausgegangen. Nach Notre-Dame in Paris ist dies der zweite große Brand einer Kirche in Frankreich - wie nehmen Sie die Situation gerade wahr?

Kirchbach: Gerne möchten wir vermeiden, den Brand von Nantes in eine  Reihe mit Notre-Dame zu stellen; denn bei Notre-Dame in Paris ging es um einen durch Fahrlässigkeit entstandenen Brand. In Nantes geht es um Brandstiftung. Es handelt sich also nicht um eine Reihe von Brandstiftungen. Die Kathedrale von Nantes brannte schon einmal in den siebziger Jahren – nach Bauarbeiten wie für Notre-Dame.

In den sozialen Medien behaupten viele User, dass sich die Stimmung in Frankreich gegenüber Christen verändert hat. Können Sie dieser Meinung zustimmen?

Kirchbach: Die Behauptung, Christen würden mehr und mehr von anderen Religionsgemeinschaften infrage gestellt, scheint  mir eher eine soziologische Frage von Mehr- und Minderheit zu sein. Die evangelischen Kirchen in Frankreich gehören zu einer kleinen Minderheit und werden nicht "bedrängt".

Das, was oft in den Medien zitiert wird, sind Klischees, Unwissenheit, aber auch "Verfolgungstheorien" aller Art. Extreme Meinungsäußerungen gibt es in den sozialen Medien häufig. Sie entsprechen aber nicht dem Alltag der Religionsgemeinschaften. Im Gegenteil besitzen diese Religionsgemeinschaften eine gemeinsame Stimme, mit der sie sich zu Tagesthemen äußern. 

Wer weiß schon, dass französische Muslime, Buddhisten und Juden hohe Spendensummen gezahlt haben, um den Wiederaufbau von Notre-Dame zu finanzieren? Solche Fakten zu erwähnen, scheint mir signifikanter zu sein, als die Stimmung mit Verdächtigungen weiter aufzuheizen.

Wie sollte es nun weitergehen?

Solange es keine Ermittlungsergebnisse gibt, sollte die These von "Religionsspannungen" nur als ein Motiv unter vielen  anderen geprüft werden: Brandstifter können aus allen Bevölkerungsgruppen und Religionsgemeinschaften kommen. Die Radikalität eines solchen Aktes kann ebenso aus einem rechtsorientierten katholischen Milieu kommen wie von einer Pathologie begleitet sein, oder sie kann von nicht-religiöser Seite kommen. Sie kann von Hass gegen bestimmte Personenkreise herrühren ebenso wie aus einem Trauma.

Heute mehr über die Situation zu sagen, scheint mir deshalb nicht angebracht. Natürlich ist die Emotion groß - wie bei jedem Unglück. Aber es wäre unrecht, vorschnelle Vermutungen zu Wahrscheinlichkeiten zu deklarieren!