Matthias Larasser-Bergmeister flitzt von einem Kreuz zum nächsten. Er zeigt hierhin und dorthin, erklärt und erzählt. Und plötzlich zwirbeln sich überall Spindeln, Symbole für die Ewigkeit. Hier erblühen Lilien als Zeichen der Reinheit, dort stecken Lanze und Essigschwamm, die Leidenswerkzeuge Christi. Der Kunstschmied hält bei einem überdachten Kreuz inne: Das ist keineswegs ein Regenschutz. Es steht für den Sonnenbogen. Ursprünglich war der einmal vergoldet, doch wie bei den meisten Kreuzen hat die Bemalung die Zeit nicht überlebt. "Grabkreuze waren oft bunt, sie spielten mit dem Licht", sagt der Grabkreuz-Sammler. Der ganze Friedhof sah dadurch aus wie ein Blumenstrauß.

Wer Matthias Larasser-Bergmeister in seinem Grabkreuz-Museum in Ebersberg besucht, merkt schnell, dass die schwarzen Zeugen aus einer anderen Zeit längst nicht so düster sind, wie der erste Blick vermuten lässt. Und weil der 54-Jährige dies ebenfalls schon früh erkannt hat, begann er, die kleinen Kunstwerke zu sammeln.

2002 öffnete er sein privates Museum mit mehreren hundert Kreuzen für die Öffentlichkeit.

Wo andere vor allem Trauer und Verstorbene sehen, weiß der Ebersberger mehr aufzuspüren. Wenn Larasser-Bergmeister über einen Friedhof geht, gilt sein Augenmerk dem Schmuck auf den Gräbern. Doch nicht nur die Kreuze selbst, auch die Geschichte der Stätten fasziniert den Kunstschmied. Um die Jahrhundertwende habe es auf vielen Friedhöfen einen Wandel gegeben, erzählt er: weg vom geschmiedeten Kreuz, hin zum pflegeleichten Grabstein. "Klar, so ein Eisenkreuz muss man regelmäßig streichen", versteht Larasser-Bergmeister. Also verdrängten die Steine die Kreuze fast vollständig.

"Die Menschen wollten das 'alte Gerümpel' nicht mehr auf dem Grab haben; zum Wegwerfen war es aber zum Glück zu heilig", sagt er. So landeten sie oft hinter Friedhofsmauern oder wurden in Turmkammern oder im Karner abgestellt, wo sie der Münchner Kunstschmied Sixtus Schmid (1864-1946) bei seiner Walz durchs Alpenland tausendfach sammelte. Nach dessen Tod erwarb Manfred Bergmeister, Onkel von Matthias Larasser-Bergmeister, große Teile der Sammlung.

Engel, Mohn, Drache oder Hahn

Beim ersten Blick auf die Ausstellung in einer alten Werkstatt erschlagen die vielen schwarzen Verästelungen, die irgendwie alle gleich wirken, den Betrachter erst einmal. Doch wenn der Kunstschmied loslegt, zeigt, deutet, erklärt, tun sich Unterschiede und faszinierende Details auf. Da tummeln sich Drachen und Engelchen, Mohnblumen als Zeichen für ewigen Schlaf, Hähne für menschliche Fehlbarkeit und göttliche Vergebung.

Entstanden sind Grabkreuze aus Weihwasserkesselträgern, die im Mittelalter am Friedhofseingang standen. Die Aufhängevorrichtung ist noch bei vielen Kreuzen bis in die Barockzeit zu sehen. Die Kreuze aus der Renaissance haben oft eine weitere Besonderheit: In ihrer Mitte befindet sich ein Kästchen mit einer Tür, die zum "Seelenhäuschen" führt. "Die Menschen glaubten, dass die Seele des Verstorbenen drei Tage am Grab bleibt, bevor sie aufersteht", erzählt der Schmied. In die Häuschen wurden deshalb Gebete gelegt, die der Seele helfen, übers Kreuz ins Paradies zu kommen.

"Ich würde mich freuen, wenn wieder mehr Kreuze auf dem Friedhof stehen"

Die protzigen und uniformierten Steinwüsten findet der 54-Jährige schrecklich. Genauso kritisch sieht er Trends zu Friedwäldern oder anonymer Bestattung. "Unserer Erfahrung nach wünschen sich Angehörige genau das Gegenteil: einen schönen, individuell gestalteten Ort für ihre Trauer", sagt er. Und gerade für ganz persönliche Botschaften und Symbolik sei das geschmiedete Kreuz ideal.

Der Kunstschmied sammelt und restauriert nicht nur alte Kreuze, er schmiedet auch neue. Etwa Hundert Arbeitsstunden steckt er durchschnittlich in ein Stück, preislich liegt es um die 4.000 Euro. Wöchentlich bekommt er Anfragen, der Ebersberger Friedhof weist bereits eine gute Mischung aus Steinen und Kreuzen auf. "Ich will wissen, wie der Verstorbene war und was er mochte", sagt der Schmied. Gemeinsam mit dem Angehörigen entwirft er daraus ein individuelles Kreuz.

Neben den alten Schätzen gehört eine Ecke des Museums auch den neuen Kreuzen aus der eigenen Schmiede. Stolz präsentiert Larasser-Bergmeister eine Kopie des Grabkreuzes seiner Oma. "Sie hatte ein sehr schweres Leben", erklärt er. Entsprechend können die vielen verzwirbelten Kreuze in Schwarz und Gold auf ihrem Gedenkstück sowohl als Blüten- oder auch als Dornenkrone interpretiert werden.