lichtung

lechts und rinks.
kann man nicht velwechsern.
werch ein illtum!

Ernst Jandl (1925-2001)

Es ist gewissermaßen mit den Händen zu greifen, dass er höchst lebendig ist, der alte Volksglaube, die linke Seite sei die schlechtere und die rechte die bessere. Bekanntlich kann, wer zwei linke Hände hat, "nichts Rechtes" mit seinen Händen anfangen, deren ungeschickten Fingern nichts gelingen will. Aber klingt "Die Linke kommt vom Herzen" nicht positiv? Sagt man ja gern, wenn man die linke Hand zur Begrüßung gibt, weil die rechte gerade nicht zur Verfügung steht. Doch der Spruch macht vor allem deutlich, dass es grundsätzlich anstößig ist, die "falsche" linke Hand zu geben. Wer sich linkisch verhält, ist ungeschickt. Und wer link ist, ist verschlagen, wenig vertrauenswürdig. Er oder sie hat wohl kaum das Herz auf dem rechten Fleck.

"Er sitzt zur Rechten Gottes",

heißt es vom Christus Jesus im Apostolischen Glaubensbekenntnis, "von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten." Von Anfang an ist in der Bibel die rechte die Ehrenseite. Als der alte Jakob-Israel auf Wunsch seines Sohns Joseph die Enkel Ephraim und Manasse segnet (1. Mose 48), legt er dabei die Hände überkreuz: Mit der rechten segnet er den jüngeren Bruder Ephraim, mit der linken den älteren Manasse. Joseph protestiert und wünscht sich, wie es sich gehört, die bevorzugte Segnung Manasses als Erstgeborenem. Doch Jakob weigert sich und sagt: "Ich weiß wohl, mein Sohn, ich weiß wohl. Manasse soll auch ein Volk werden und wird groß sein, aber sein jüngerer Bruder wird größer als er werden, und sein Geschlecht wird eine Menge von Völkern werden."

"HERR, deine rechte Hand, herrlich an Kraft, deine rechte Hand, HERR, zerschlägt den Feind"

singen Moses und die Israeliten jubelnd, als die Durchquerung des Schilfmeers und die Flucht aus Ägypten gelungen ist (2. Mose 15, 6). Die Psalmen stoßen ins gleiche Jubelhorn: "Man singt mit Freuden vom Sieg / in den Hütten der Gerechten: Die Rechte des HERRN behält den Sieg!" (118, 15) 

In einer rätselhaften (vermutlich nachträglich in den Text eingefügten) Vision des Propheten Sacharja (3, 1) steht der Hohepriester Jeschua vor dem Engel des Herrn. Zu dessen Rechten darf hier sogar der Satan höchstpersönlich stehen, um gegen Jeschua Klage zu führen.

Von Ben-Oni zu Ben-Jamin

Das hebräische Wort für rechts ist jamin (ימין). Jakobs geliebte Frau Rahel stirbt kurz nach der Geburt ihres zweiten Sohns (1. Mose 35, 16-21). "Als ihr aber das Leben entwich und sie sterben musste", berichtet die Bibel, "nannte sie ihn Ben-Oni." Ein doppeldeutiger Name, der sowohl "Sohn meines Unglücks" als auch "Sohn meiner Lebenskraft" bedeuten kann. Sein Vater benennt Ben-Oni jedoch in "Ben-Jamin" um, "Sohn der Rechten". Rechts und links galten auch als Symbole des Glücks beziehungsweise des Unglücks. Für Jakob war Benjamin also ein "Sohn des Glücks", ein "Glückskind".

Dismas und Gestas

Das Kreuz ist das wichtigste Symbol der Christenheit. Es erscheint in unzähligen Varianten und Bedeutungen. Eine bedeutende dieser Varianten, das orthodoxe Kreuz, erzählt eine Geschichte von rechts und links.

Das Kreuz der Orthodoxen besteht nicht nur aus einem längeren Stamm und einem kürzeren Querbalken wie "unser" Kreuz, das sogenannte Lateinische Kreuz. Es besitzt noch zwei weitere Querbalken.

Kommt zum lateinischen Kreuz noch ein zweiter, kürzerer Querbalken dazu, spricht man von einem Patriarchenkreuz. Der kleinere Querbalken oben steht für das sogenannte Titulus-Brett, auf dem bei der Kreuzigung Jesu die Inschrift "INRI" zu lesen war – die Anfangsbuchstaben für den hohnvollen Titel "Iesus Nazarenus Rex Iudaeorum – Jesus von Nazareth, König der Juden". Ein Patriarchenkreuz ist beispielsweise auf den Wappen Ungarns, Litauens und der Slowakei zu sehen. Die Slawen­missionare Kyrill und Method sollen es als byzantinisches Doppelkreuz im 9. Jahrhundert dorthin mitgebracht haben.

Das für die orthodoxen Traditionen typische Kreuz gleicht dem Patriarchen­kreuz, hat aber unten einen weiteren kleineren Balken. An der Stelle, an der Jesu Füße ans Holz geschlagen wurden, symbolisiert ein schräg gestellter dritter Querbalken gewissermaßen die Waage der Sünden und Tugenden des Menschen, der vor Christus steht. Die linke Seite (also die zur Rechten Jesu) zeigt in der Regel nach oben, zum Himmel, die andere nach unten.

Erinnert wird damit an die beiden Verbrecher, die zusammen mit Jesus hingerichtet wurden (Lukas 23, 32-43): Während der eine – der dem apokryphen Nikodemusevangelium aus dem 4. Jahrhundert zufolge Dismas hieß – seine Sünden bereute und sich zu Jesus bekannte, spottete der andere, er soll Gestas geheißen haben: "Bist du nicht der Christus? Hilf dir selbst und uns!" Dem Dismas hingegen versprach Jesus: "Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein."

Der schräg gestellte Quer­balken orthodoxer Kreuze soll so an die Bedeutung von Sündenerkenntnis und Buße erinnern.

(ms)

Die christlichen Schriften schließen an all das nahtlos an: In seiner Endzeitrede spricht Jesus in Matthäus 25 vom Weltgericht und schildert, wie Gott dermaleinst die Gerechten, die "Werktätigen der Barmherzigkeit", zu seiner Rechten versammeln wird: "Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan!" Die "Werktätigen der Unbarmherzigkeit" stehen vor ihm auf der anderen Seite: "Dann wird er auch sagen zu denen zur Linken: Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln! (40-41)

Nach seiner bewegenden Rede vor dem Sanhedrin, der höchsten Priesterschaft des Tempels, hat der erste christliche Märtyrer Stephanus eine Vision: "Er aber, voll Heiligen Geists, sah auf zum Himmel und sah die Herrlichkeit Gottes und Jesus stehen zur Rechten Gottes", heißt es in der Apostelgeschichte (7, 55). Zur Rechten Gottes saß Jesus schon im Altrömischen Glaubensbekenntnis des frühen 2. Jahrhunderts.

Brillante Messias-Argumentation

In seiner brillanten Messias-Argumenta­tion in Matthäus 22, 44 (und in den Parallelstellen Markus 12, 35-37||Lukas 20, 41-44) zitiert Jesus vor den Pharisäern einen Psalm Davids. Er fragt sie: "Was denkt ihr von dem Christus? Wessen Sohn ist er? Sie sprachen zu ihm: Davids. Er sprach zu ihnen: Wie nennt ihn dann David im Geist ›Herr‹, wenn er sagt (Psalm 110, 1): ›Der Herr sprach zu meinem Herrn: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde unter deine Füße lege‹? Wenn nun David ihn Herr nennt, wie ist er dann sein Sohn?" Auch die Apostelgeschichte greift dieses christologische Argument auf (2, 34).

Auf der Basis dessen, was die Bibel sagt, leitet das rabbinische Judentum und die jüdisch-orthodoxe Halacha unter anderem die Vorschrift ab, stets zuerst den rechten Schuh und dann den linken anzuziehen (Gesetzeskodex Schulchan Aruch). Beim Schuheschnüren und Schuheausziehen gilt die umgekehrte Regel: zuerst links, dann rechts. Begründung: Das Binden der Schuhe sei eine Anlehnung an das Anlegen der Gebetsriemen (Tefillin).

Schon immer waren die meisten Menschen Rechtshänder

Die meisten Menschen sind Rechtshänder. Die linke ist ihre schwächere und ungeschicktere Hand. Weil Linkshänder die Tefillin am rechten Arm anlegen sollen, gilt für sie entsprechend, dass der rechte Schuh zuerst gebunden wird und erst dann der linke. Im rabbinischen Judentum kommt also beides zusammen: einerseits die grundsätzliche Höherwertigkeit der rechten Seite, andererseits ein pragmatischer Umgang damit, wenn die stärkere Seite des Einzelnen die linke ist.

Zwischen zehn und 30 Prozent der Menschen sind Linkshänder, genaue Zahlen gibt es nicht. Dass die übergroße Mehrheit der Menschen Rechtshänder sind, ist weltweit so, und – archäologische Befunde deuten darauf hin – war wohl schon immer so. In den letzten 50 Jahren (seit 1974) waren allerdings fünf der acht US-Präsidenten Linkshänder, ebenso wie Julius Cäsar, Napoleon, Goethe und Kafka, Leonardo da Vinci und Dürer, Michelangelo, Mozart oder Beethoven. Sind Linkshänder also intelligenter, talentierter, erfolgreicher? Nein. Studien zeigen, dass Links- und Rechtshänder ähnliche IQ-Werte haben. Doch die Verteilung ist extremer: Unter Linkshändern gibt es mehr Hochbegabte, aber auch mehr Minderbegabte.

Jakob segnet Ephraim und Manasse (Rembrandt van Rijn, 1656).
Der stärkere Segen der rechten Hand: Jakob segnet Ephraim und Manasse (Rembrandt van Rijn, 1656). In der Zurücksetzung des erstgeborenen Manasse und der (eigentlich »falschen«) Segnung des zweitgeborenen Ephraim mit der Rechten sah man in der Kirche einen Hinweis auf das Verhältnis von Juden und Christen als den »Erst- und Zweitgeborenen der göttlichen Offenbarung«.
In der »Cueva de las Manos« (Höhle der Hände) im Südwesten Argentiniens haben Menschen vor Jahrtausenden farbige Abbilder ihrer Hände hinterlassen. 829 linken Händen stehen nur 31 rechte gegenüber.
Weltweit sind die übergroße Mehrheit der Menschen Rechtshänder – und das war wohl schon immer so: In der Cueva de las Manos (Höhle der Hände) im Südwesten Argentiniens haben Menschen vor Jahrtausenden farbige Abbilder ihrer Hände hinterlassen. 829 linken Händen stehen nur 31 rechte gegenüber. Die meisten Menschen hielten das Farbsprühröhrchen aus Knochen, mit dem sie die Farbe auf den Felsen aufbrachten, also in der rechten Hand.
Kreuzigung Christi: Hans von Tübingen / Meister der St. Lambrechter Votivtafel, um 1435, Belvedere Museum Wien - Orthodoxes Kreuz.
Kreuzigung Christi: Hans von Tübingen / Meister der St. Lambrechter Votivtafel, um 1435, Belvedere Museum Wien. Rechts daneben ein orthodoxes Kreuz.
Rechts die Liebe, links der Hass: Robert Mitchum 1955 in »The Night of the Hunter« (Die Nacht des Jägers, Regie: Charles Laughton).
Rechts die Liebe, links der Hass: Robert Mitchum 1955 in »The Night of the Hunter« (Die Nacht des Jägers, Regie: Charles Laughton).
Teufel links, Engel rechts...
Teufel links, Engel rechts: »Soll ich’s wirklich machen, oder lass ich’s lieber sein?« So – und von Engel links, Teufel rechts über der Schulter – reimte einst die Hamburger Hip-Hop-Band Fettes Brot in ihrem Sündenklassiker »Jein« (1996).

"Die rechte Hand ist der linken ähnlich und gleich", hielt Immanuel Kant 1768 in seiner Schrift "Von dem ersten Grunde des Unterschiedes der Gegenden im Raume" fest. Darin geht er der Frage nach, worin die Bedingung der Möglichkeit einer eindeutigen Unterscheidung zwischen links und rechts liegt. Für Kant liegt sie im subjektiven Raumgefühl des Menschen. Und in dem Umstand, dass es im menschlichen Körper eine dominante Seite als Bezugspunkt gibt. Es sei von der Natur "an die mechanische Einrichtung des menschlichen Körpers geknüpft, vermittelst deren die eine, nämlich die rechte Seite, einen ungezweifelten Vorzug der Gewandtheit und vielleicht auch der Stärke vor der linken hat. Daher alle Völker der Erde rechtsch sind."

Kant, die Inkas und der "Edle achtfache Pfad"

Der Königsberger Philosoph wusste vielleicht nicht, dass die Inkas Linkshändigkeit ausdrücklich schätzten. Für sie war sie ein Zeichen für besondere magische und heilende Fähigkeiten. Bei den Maya-Kulturen Mittelamerikas dagegen galt die rechte Seite als die der Reinheit und der Macht, die linke als die schwächere, die der Unterordnung. Maya-Könige blicken auf Reliefs in der Regel nach rechts und verwenden ihre rechte Hand, Untergebene sind nach links orientiert und benutzen oft die linke Hand.

Der "Edle achtfache Pfad" ist so etwas wie das Grundgesetz des Buddhismus. Das von Buddha geforderte "rechte" Erkennen, Denken, Reden, Handeln, Streben und Sich-Versenken hat sprachlich zwar nichts mit rechts zu tun, aber traditionell gilt der "Pfad der rechten Hand" als jener, der ins Nirwana führt, und der linke Pfad als der des "falschen" Erkennens, Denkens, Handelns usw., der in die Irre führt.  

Im Hinduismus gilt die rechte als die männliche, die linke als die weibliche Seite, was sich bis in die Sitzordnung bei Tisch spiegelt. Auch wenn das Weibliche und das Männliche komplementär für das ganze Sein stehen, ist rechts jedoch die Seite der Reinheit und des Heiligen, links die Seite des Profanen. Gegessen, geschrieben, gegeben und genommen wird nur mit der rechten Hand; die linke, die der Körperreinigung dient, gilt als unrein.

Allah schickt nach links in die ewige Verdammnis

In der islamischen Welt sieht man das nicht viel anders. Der Koran beschreibt in der 69. Sure "Al-Haqqa" das Jüngste Gericht. Wer dabei vor Allah stehend das Buch seiner Taten in die rechte Hand gegeben bekomme, gehe ins Paradies ein. Wer es aber in die linke erhalte, werde klagen: "O wäre mir mein Buch doch nicht gegeben worden!" – und in die ewige Verdammnis fahren. Viele sunnitische Hadithe betonen die rechte Seite als die edlere, reinere und ehrenvollere. Kleider anlegen, Schuhe anziehen, die Moschee betreten, essen, rasieren, Hände schütteln: Stets sollen Muslime mit rechts beginnen oder die rechte Hand verwenden.

Das alte Ägypten tickte in der Rechts-links-Frage etwas anders. Hier stand die linke Seite, die des Herzens im menschlichen Körper, für das Leben, für Wille und Bewusstsein. Unzählige altägyptische Statuen setzen das linke Bein nach vorn, auch auf Grabmalereien ist diese Abbildungsform allgegenwärtig. Eine Theorie ist, dass der Schritt über die Lebensseite nach vorn den ersten Schritt des Abgebildeten ins Jenseits, ins ewige Leben symbolisiert. Auch die früheste altgriechische Kunst übernahm von Ägypten das Muster des vorgestellten linken Fußes bei ihren archaischen Statuen, den sogenannten Kouroi und Koren.

Links und die Weiblichkeit oder: zwei Gebärmütter

Vielleicht spiegeln sich auch im Denken des griechischen Philosophen Parmenides von Elea (um 520-460 v.  Chr.) altägyptische Überzeugungen. Parmenides entwickelte im 5. Jahrhundert v. Chr. eine Rechts-links-Theorie der Geschlechter. Er nahm an, Frauen hätten eine zweiteilige Gebärmutter. Nicht – wie man heute weiß – der Same des Manns war für ihn für das Geschlecht des Kinds verantwortlich, sondern die Frau: Gelange der männliche Same in ihren rechten Uterus, entstehe ein Junge, links werde es ein Mädchen. 

Spätestens mit der kulturellen Machtübernahme jüdisch-christlicher Vorstellungen war die europäische Welt aber im globalen Normalfall der Rechts-links-Bewertung angekommen. In der christlichen Kunst sind es nun die Bösen und Verhassten, die den linken Fuß nach vorn stellen: der Satan, Judas und immer wieder auch "die Juden".

Dass man auch die Weiblichkeit weiterhin links verortete, verstärkte die Abwertung alles Weiblichen und die hierarchische Unterordnung der Frauen unter die Männer gemäß den abrahamitischen Vorstellungen. Bis in die Esoterik der Gegenwart hat sich der Glaube erhalten, die linke Seite sei die weibliche Seite des Körpers. 

Belastendes Indiz in den Hexenprozessen

"Nach ältestem abendländischen Gebrauch sitzen die Männer während des Gottesdienstes rechts vom Altare, die Weiber links", notierte der evangelische Gelehrte Wolfgang Menzel beispielsweise 1854 in seinem Lexikon "Christliche Symbolik". Die rechte ist die Segenshand, mit ihr schlagen Katholiken das Kreuzzeichen. Die andere, linke Hand dafür zu verwenden gilt vielen als blasphemisch.

In den Hexenprozessen der frühen Neuzeit galt (neben roten Haaren) Linkshändigkeit als eindeutig belastendes Indiz. Ziemlich alt ist auch der Aberglaube, Salz zu verschütten bringe Unglück. Und wem es passiert, der werfe besser ein paar der verschütteten Salzkörner über die linke Schulter. Denn auf der sitzt der Teufel, dem damit Salz in die Augen gestreut wird. Die Geste soll ihn von bösen Vorhaben ablenken.

Dass die meisten Menschen ihre rechte als starke, bessere Seite erleben, ist für die Kulturgeschichte also nicht folgenlos geblieben, weil sich Körpererfahrung und Glaubensüberzeugungen vermengt haben.

Rechts und links in den europäischen Sprachen

Der Blick über die Sprachgrenzen erhellt, wie verbreitet das Phänomen "rechts gut, links schlecht" ist. Das Wort "links" hat im Hochmittelalter in der deutschen Sprache das germanische Wort winster abgelöst und bedeutete ursprünglich "ungeschickt". Im Schwedischen hat es sich winster als "vänster" erhalten oder auch in dem in ländlichen Bayern noch zu hörenden Pferdefuhrkommando "wistu". In Schweden gibt es das schöne Wort "vänsterprassel". Wörtlich heißt es so viel wie "Linksrascheln", es bedeutet aber Seitensprung. 

Auffällig ist in den romanischen Sprachen, wie unterschiedliche Wörter sie für "links" verwenden, obwohl sich alle diese Sprachen aus dem Latein entwickelt haben. Links heißt im Spanischen "izquierda", im Portugiesischen ähnlich "esquerda", aber im Italienischen "sinistra" und im Französischen "gauche".

Recht, rechts, richtig

Die Wörter für rechts sind dagegen erkennbar miteinander verwandt: Das spanische "derecho", "direito" im Portugiesischen und "droit" im Französischen leiten sich vom lateinischen "directus" ab. Nur das italienische "destra" scheint eine Ausnahme zu bilden. Wie das (alt-)griechische "­dexiteros/dexios" stammt es aus "dexter" und das einer älteren indoeuropäischen Wurzel. Im Spanischen haben sich mit "diestra" aber beide Formen erhalten.

Auch "rechts" und "Recht" im Deutschen sowie das englische "right" sind mit dem lateinischen "directus" und seinen romanischen Kindern verwandt. 

Sie alle sind in einem positiv besetzten Wortfeld zu Hause: "dexter" heißt nicht nur rechts, sondern kann auch recht, geschickt, passend, günstig oder gewandt bedeuten. Recht, rechts, richtig – kein Zufall auch hier, dass das alles ähnlich klingt. Wie die romanischen Wörter gehen auch sie auf eine indoeuropäische Wurzel zurück, die "aufrichten, gerade richten" bedeutete. "directus" ist ein Partizip des Verbs dirigere, das "gerade machen, (ein)richten, leiten, lenken, bestimmen" bedeutet und sich aus der Verstärkungspartikel di(s) und regere (vor allem "herrschen, richten, regieren") zusammensetzt. Dessen Partizip rectus kann als Adjektiv schöne Dinge wie "richtig, gerade, recht, aufrecht, korrekt, normal, gradlinig, loyal, regelmäßig, regelrecht, senkrecht oder tugendhaft" bedeuten.

Rechts und geradeaus sind sich in manchen romanischen Sprachen deshalb ins Gehege gekommen: So müssen die Franzosen zwischen droite (rechts) und tout droit (geradeaus), die Spanier zwischen derecha (rechts) und todo derecho (geradeaus) unterscheiden, wobei das "ganz" (tout/todo) dann eben gerade nicht "ganz rechts" bedeutet. Geradeaus und dann rechts? Heißt in Frankreich "tout droit et puis à droite".

Die finstere Seite des Versicherungsfalls

Wortwörtlich finster sieht es auf der anderen Seite aus: Das italienische "sinistro" bedeutet nicht nur links, sondern auch finster und düster, unheilvoll und unheimlich. Und als Hauptwort bedeutet es (wie im Spanischen "­siniestro") Schaden, Unfall oder Versicherungsfall.

Das mit den zwei "linken Händen" sagt man auch in Portugal. Das Wort dafür kommt über das spanische "izquierda" aus den alt­europäischen Sprache der Basken und der Kelten (esku = baskisch für "Hand"; kerros = keltisch für "falsch, verdreht"). Und das englische "left" hatte ursprünglich die Bedeutung von schwach, ungeschickt, lahm oder schlapp.

Die Herkunft des französischen Worts "­gauche" dagegen ist ziemlich rätselhaft und hat widersprüchliche Theorien inspiriert. Am wahrscheinlichsten hat es seinen Ursprung in einem lange vergessenen altfränkischen Wort, das ebenfalls so etwas wie "zitternd, gekrümmt, gebogen" bedeutete, um die Schwäche der linken Hand wiederzugeben. Links hat heute im Englischen und Französischen also keinen so offensichtlich negativen Beiklang. Die "Links-Vielfalt" der Sprachen zeigt jedoch, dass die schwächere linke Seite und die Frage des Umgangs mit ihr schon immer vielfältige Fragen aufgeworfen hat.

Die ewige Geschichte von "right-hand/left-hand"

Die ewige Geschichte von "right-hand/left-hand" dauert an. Eindrucksvoll hat sie Charles Laughton in seinem Kinoklassiker "Night of the Hunter" (Die Nacht des Jägers) 1955 ins Bild gesetzt. Robert Mitchum spielt in dem Film den verschlagenen angeblichen Prediger Harry Powell. "LOVE" hat er auf die Knöchel seiner rechten Hand tätowiert, "HATE" auf die der linken. Die linke sei’s gewesen, mit der der Kain den Abel erschlug, behauptet er:  "Ich zeige euch die Geschichte des Lebens", und dabei ringen seine beide Hände, Liebe und Hass miteinander. Von der Rocky Horror Picture Show (1975) und den Blues Brothers (1980) über Do the Right Thing von Spike Lee (1989) bis zum Kinofilm Shaun das Schaf (2015) – die Filmgeschichte ist voll von Anspielungen auf diese Szene.

Und auch der ostfriesische Humorist Otto Waalkes wusste:

"Rechts oder links – welch große Frage!"

In seinem 70er-Jahre-Sketch "Die Führerscheinprüfung" machte er klar, dass sie sich mitunter auch für andere Extremitäten stellt, die große Rechts-links-Frage:

"Vor ihr stand Beckenbauer einst, als er, von Rummenigge angespielt, sich frug, wohin des Leders Rund er flanken sollte. Nach links, auf Müllers schussgewalt’gen Fuß? Nach rechts, wo schon das Lockenhaupt des Uli Hoeneß nach dem Ball sich reckte?"

Ach, egal. Hauptsache Tor.

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