Hans und Sophie Scholl bezahlten den Widerstand gegen die Nationalsozialisten mit dem Tod. Als Mitglieder der "Weißen Rose", die in München und anderen Städten Flugblätter gegen die NS-Diktatur verbreitete, wurden sie weltbekannt. Die Geschichte der Familie Scholl ist aber auch eng mit dem kleinen hohenlohischen Städtchen Forchtenberg verbunden. Dort haben auch Hans und Sophie einen Teil ihrer Kindheit verbracht. Die ganze Familie hat damals auch andere junge Forchtenberger mitgeprägt.

Ein Auftrag von Inge Scholl

Doris Schmitz, geborene Karle, war das erste Patenkind der ältesten Scholl-Schwester Inge (1917-1998). Schmitz' Familie und die Scholls hielten über Jahrzehnte freundschaftlichen Kontakt und halfen sich gegenseitig in schweren Zeiten. Vielleicht wäre aus Doris Schmitz, der Tochter des Kronenwirts in Forchtenberg, nicht die Persönlichkeit geworden, die sie heute ist, hätte ihr ihre junge Patin nicht schon in Kinderzeiten ans Herz gelegt: "Doris, versuch' deinen Kopf mal über den Kochertalrand zu strecken!"

Doris dachte zunächst, sie müsse öfter einmal den Blick vom Hochplateau, dem "Waldfeld", aufs rund 200 Meter tiefer liegende Kochertal wagen. Später aber begriff Schmitz die Dimension und hat "den Auftrag intensiv nachgeholt". Mit ihrem Mann Günter, einem Architekturprofessor, lebte sie nicht nur Jahrzehnte in den Vereinigten Staaten, sondern bereiste auch praktisch ganz Nord-, Mittel- und Südamerika, die damalige Sowjetunion und Europa von Schottland bis Griechenland, von Spanien bis Norwegen.

Angefangen hatte alles 1921, als die Familie Karle mit der ein Jahr zuvor geborenen Eleonore nach Forchtenberg zog und dort die Gaststätte Krone samt Metzgerei übernahm. Knapp zwei Jahre zuvor war Robert Scholl in Forchtenberg Bürgermeister geworden. Im Rathaus, einen Steinwurf von der Krone entfernt, wohnten die Scholls mit Inge, Hans, Elisabeth, die so alt war wie Eleonore, und der am 9. Mai 1921 zur Welt gekommenen Sophie. Im Jahr 1922 wurde Heiner Karle geboren und bei den Scholls Werner.

Die Kindheit der Scholls

Doris - 1933 geboren - hat Sophie Scholl selbst nicht persönlich kennengelernt. Vater Scholl war im Jahr 1929 als Bürgermeister in Forchtenberg abgewählt worden und die Familie zog wenig später weg, zuerst nach Ludwigsburg und 1932 nach Ulm. Sophie, die bei der Abwahl erst acht Jahre alt war, setzte danach keinen Fuß mehr in die Stadt - aus Protest. Doris' Schwester Eleonore (1920-2010), genannt Lore, hat Sophie aber in Forchtenberg und Ulm erlebt und ihre Erinnerungen für einen privaten Kreis notiert.

Sie berichtet von der gemeinsam besuchten "Kinderschule", dem Kindergarten, in das die Scholl-Mädchen ihre schönen Puppen von der Tante aus Backnang mitbringen durften, vom Seilhüpfen, Stelzenlaufen und Ballspiel auf dem Marktplatz zwischen Rathaus und Gastwirtschaft, vom Schwimmen im Kocher und vom Spielen und Wandern. "Ich kannte Sophie nur als fröhliches Menschenkind", schreibt Lore. Später dann, in Ulm, sei Sophie sehr von ihrem außerschulischen Engagement in Anspruch genommen worden.

Schon früh kämpft Sophie gegen Unrecht

Als Lore 1935 einige Wochen in Ulm verbrachte, kam Sophie einmal spät abends erst aus der Schule. "Ach, ich bin mit der Luise Hirsch noch bis ans Haus gelaufen", sagte Sophie damals. Luise war eine jüdische Mitschülerin - und Sophie gab ihr auf dem Heimweg Geleitschutz: "Sophie konnte schon als Kind Unrecht nie leiden, ob es ihr selbst oder anderen geschah." Aber auch freuen konnte sie sich: "Wenn ich an Weihnachten denk', dann kribbelt's mir im Bauch vor Freude", soll Sophie etwa gesagt haben.

Zwischen 1930 und Kriegsbeginn 1939 kamen die älteren Scholl-Kinder häufig in den Ferien per Fahrrad nach Forchtenberg. Sie wohnten in der Jugendherberge im Stadttor, die ihr Vater initiiert hatte, und aßen manchmal in der Krone zu Mittag, wo sich auch die Mädchen, Inge und Elisabeth, häufiger aufhielten. Sophie blieb derweil in Backnang bei Onkel und Tante. Inge Scholl wurde 1933 Patin von Doris. An Geburtstagen und Weihnachten wurde sie von Inge beschenkt, und Inge kam ab und an zu Besuch.

Der Einsatz der Eltern Scholl

Obwohl die Scholl-Familie nach der Ermordung von Hans und Sophie im Februar 1943 in Sippenhaft genommen, daher 1944 in Ulm für unerwünscht erklärt wurde und auf einem Einödhof im Südschwarzwald Zuflucht fand, halfen sie im Frühjahr 1945 den Karles in Forchtenberg. Deren Haus wurde wie etliche rund um den Marktplatz von Phosphor-Brandgranaten in Schutt und Asche gelegt, weil ein versprengter SS-Haufen die "Weiße Fahne" vor den anrückenden Amerikanern wieder einholen ließ.

Doris und ihre Familie hatten nur noch, was sie am Leib getragen hatten. Inge Scholl schickte Bettwäsche und zwei blaue Kleider für Doris, die sie noch jahrelang in Ehren hielt. In den Monaten nach Kriegsende wurde Robert Scholl in Ulm als Oberbürgermeister eingesetzt. Seine Frau Magdalene, die durch die Nazis drei Kinder verloren hatte - nach der Hinrichtung von Hans und Sophie war auch Sohn Werner als Soldat gestorben -, kümmerte sich um Flüchtlinge aus Ostpreußen, die in Ulm einquartiert waren.

Gedenken an Sophie Scholl

Während in den 1960er Jahren der Forchtenberger Gemeinderat heftig gestritten hatte, ob es eine "Geschwister-Scholl-Straße" am Ort überhaupt brauche, war bei Doris Schmitz' Rückkehr aus den USA im Jahr 2000 das Erinnern an die NS-Widerständler überall im Städtchen präsent. Im Februar 1993 war etwa die Grund- und Hauptschule nach den Geschwistern Scholl benannt worden, es gab einen Gedenkraum im Heimatmuseum und einiges mehr. Hauptinitiatorin war die Schwäbisch Hallerin Renate Deck.

Doris Schmitz nahm an der Erinnerungskultur Anteil und pflegte daneben weiter persönliche Verbindung zur letzten verbliebenen Scholl-Schwester, Elisabeth Hartnagel, die am 28. Februar 2020, einen Tag nach ihrem 100. Geburtstag, starb. Elisabeth Hartnagel hatte 2005 in einem Interview über die Zeit nach der Hinrichtung ihrer Geschwister gesagt: "Der Kreis, der zu uns gehalten hat, war sehr begrenzt." Doris Schmitz und ihre Familie gehörten auf jeden Fall dazu.

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