Monika Cissek-Evans leitet die bayerischen Fachberatungsstellen "JADWIGA", die Betroffenen von Menschenhandel helfen. Zusammen mit sechs Kolleginnen betreut die Diplom-Sozialpädagogin Frauen, die zur Prostitution, zum Betteln, zu Straftaten oder zur Heirat gezwungen werden. Die Trägerschaft hat die ökumenische gGmbH "STOP dem Frauenhandel". Rund 300 Fälle verzeichnet JADWIGA in München und Nürnberg pro Jahr - die Dunkelziffer liegt um ein Vielfaches höher.
Frau Cissek-Evans, wie erfahren Sie von Frauen in der Zwangsprostitution?
Monika Cissek-Evans: Meist kommen die Frauen zu uns, weil sie von der Polizei aufgegriffen oder von Behörden und anderen Beratungsstellen an uns verwiesen werden. Wir halten viele Fortbildungen ab, damit Mitarbeitende in solchen Einrichtungen die Merkmale von Menschenhandel und Zwangsprostitution erkennen können. Dazu gehören, dass die Frau den Pass abgeben musste, ihre Einreise nicht selbst organisiert hat, Schulden abarbeiten soll oder eine Arbeitsstelle versprochen bekommen hat. Zur Identifikation von Betroffenen und zur Prävention bieten wir auch Cafés in den Erstaufnahmeeinrichtungen an. Gerade dort kann es auch passieren, dass Frauen mit einem Arbeitsangebot gelockt werden und dann in der Zwangsprostitution landen.
Welche Frauen sind betroffen und wie kann Jadwiga ihnen helfen?
Monika Cissek-Evans: Nach wie vor sind es vorwiegend Osteuropäerinnen und Frauen aus Afrika, die zur Prostitution gezwungen werden. Aber auch deutsche Frauen sind betroffen. Unsere Klientinnen brauchen erstmal Stabilität und die Alltagsdinge wie Unterkunft, eine Zahnbürste, Kleidung. Diese Frauen haben Schlimmes erlebt. 99 Prozent von ihnen wollen raus aus der Prostitution, viele Osteuropäerinnen wollen in ihr Heimatland zurück. Wir organisieren Rückkehrhilfen und Unterstützungsangebote in der Heimat, damit die Frauen neu starten können und nicht gleich wieder Opfer werden.
Die Münchner Staatsanwaltschaft stockt jetzt ihre Abteilung gegen Menschenhandel personell auf. Was erhoffen Sie sich davon?
Monika Cissek-Evans: Es ist dringend nötig, dass das Thema Menschenhandel und Zwangsprostitution wieder stärker in den Fokus kommt. Die letzte große Präventionskampagne in München fand zur Fußball-WM 2006 statt. Damals haben wir durch Flyer und ähnliches auch die Freier ins Boot holen können. Manche haben uns angerufen, wenn sie bei Frauen waren, die offensichtlich zur Prostitution gezwungen wurden. Da kommt jetzt gar nicht mehr vor. Auch die strafrechtliche Verfolgung ist gering: In 287 Verfahren wurde laut Bundeskriminalamt 2019 ermittelt. Bei 38 ausgelasteten Fachberatungsstellen in Deutschland ist das eine kleine Zahl.