Beinahe hätten deutsche Behörden einem jahrhundertealten Brauch im Dekanat Würzburg den Garaus gemacht. Aber nur beinahe! Seit Jahrhunderten treffen sich in dem 1500-Seelen-Dorf Remlingen die jungen, unverheirateten und nicht vorbestraften Burschen am Ostermontag zum Eierlauf. Ein nicht ganz ernst gemeinter Wettstreit, bei dem es nur um die Ehre geht. Zum festlichen Treiben gehört auch die Eiermaß: ein Liter Bier mit vier verquirlten Eiern. Im vergangenen Jahr galt dieses Getränk nun plötzlich als «Salmonellenschleuder». Dank moderner Technik wird es die Eiermaß auch heuer wieder geben - zum 275-jährigen Jubiläum des Eierlaufs.

Zwei Hauptrollen

Der traditionsreiche Remlinger Eierlauf geht auf eine großzügige Geste von Gräfin Dorothea Renata von Castell-Remlingen im Jahr 1738 zurück. Die evangelische Adlige verzichtete damals dauerhaft auf den zehnten Teil der Eier - wenn die Remlinger ihr zu Ehren jährlich am Ostermontag ein Volksfest samt Wettstreit organisierten, erklärt Eierlauf-Bürgermeister Micha-Patric Haus, der das Spektakel seit Jahren mitorganisiert. Seitdem hat sich am Brauch nichts verändert - ausgefallen ist er nur während der Weltkriege: «Lassen wir ihn einmal unbegründet ausfallen, darf er nie wieder stattfinden.»

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Am Ostermontagmorgen ziehen die Burschen durch die fünf Remlinger Ortsviertel, die jüngsten Teilnehmer sind jeweils die Konfirmanden des Vorjahrs. Die «Hasen» müssen an jeder Haustür klingeln und mit dem Spruch «Hat der Has' scho' gelecht?» Eier einsammeln. «Gekocht, bunt, aus Plastik, Styropor und Schokolade - es ist alles mögliche dabei», sagt Eierlauf-Bürgermeister Haus. Am liebsten sind den Burschen aber rohe Eier. Denn mit ihrer Ausbeute gehen die inzwischen durch den ein oder anderen Schnaps ziemlich angeschickerten jungen Männer ins Gasthaus und lassen sich dort vom Wirt ihre Eier als Mittagessen ausbraten.

«Läufer« und «Sammler»

Zwei von ihnen haben die Stärkung auch besonders nötig - nur wer, das steht zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest. Erst gegen 14 Uhr, wenn sich die Burschen mit den geflochtenen Birkenruten in der Ortsmitte treffen, entscheidet sich, welche beiden dieses Jahr die Hauptrollen bekommen. Jeder Bursche zieht ein Los - wer Glück hat, bekommt ein blankes Stück Papier. Einer aber wird so zum «Läufer«, ein anderer zum «Sammler». Die zwei treten kurze Zeit später in einem illustren Wettstreit gegeneinander an, der zumindest deutschlandweit einmalig ist: Während der Sammler 75 Eier aufheben muss, steht dem Läufer ein langer Sprint bevor.

Der Remlinger "Eierlaufstein"
Und dieser Läufer muss wenigstens ein rohes Ei am über zwei Kilometer entfernten "Eierlaufstein" zerschlagen.

Unter lautem Gebrüll und Gejohle ziehen die Burschen an den Festplatz zum Zentberg - der seinen Namen vom Zehnten hat, auf den die Gräfin einst verzichtete. Dort warten auf den Sammler die 75 Eier, alle im Abstand von je zwei Fuß gelegt. Diese Eier muss der junge Mann nun einsammeln - angefangen beim weitest entfernten - und in den Korb am Startpunkt legen. Derweil rennt der Läufer zum 2130 Meter entfernten Eierlaufstein, in den Händen hält er zwei rohe Eier. Eins davon muss er am Stein zerschlagen. Gelingt ihm das nicht, weil er sie bereits auf dem Weg dorthin fallen lässt und zerdeppert, hat er verloren.

Die Dame der Wahl

«Das klingt zunächst mal alles recht einfach», sagt Micha-Patric Haus. Aber die Männer seien in der Regel «alles andere als nüchtern». Außerdem sei das ständige Losrennen und Anhalten für den Sammler körperlich anstrengend, während der Läufer «ziemlich einsam» die mehr als vier Kilometer hinter sich bringen muss. Der Sammler indes wird vom Gejohle der Zuschauer an der Eier-Geraden angefeuert. Dass eine der beiden Aufgaben einfacher zu handhaben sei, «kann man nicht sagen», erläutert Haus. In den vergangenen 20 Jahren hätten sich die Siege unter Läufern und Sammlern ziemlich ausgewogen verteilt.

Allen Anstrengungen für die beiden Hauptakteure zum Trotz: Jedes Jahr beteiligen sich aufs Neue um die 50 junge Männer am Eierlauf. Allein an der Siegprämie kann dieses rege Interesse nicht liegen. Neben der Ehre winkt dem Sieger erst einmal eine Eiermaß - und anschließend ein zechfreier Nachmittag und Abend. Außerdem dürfen beide Wettkämpfer je einen Ehrentanz mit der Dame ihrer Wahl absolvieren.

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