Monika Maron gilt als unbequem und streitbar, ja manchen als "Rebellin" - immer noch. Die Berliner Schriftstellerin, deren frühe Werke wie "Flugasche" (1981) in der DDR nicht gedruckt wurden, hatte den SED-Staat kritisch betrachtet und ihn 1989 Richtung Westen verlassen.

Ihr ausgeprägtes Verlangen nach Freiheit blieb eine Konstante ihres Lebens und ihrer Romane. "Ich bin freiheitssüchtig", bekannte sie unlängst in der "Frankfurter Rundschau". Von ihrer nüchternen Widerständigkeit und mitunter aneckenden Meinungsfreudigkeit hat sie bis heute nichts verloren. Am 3. Juni wird Monika Maron 80 Jahre alt.

Im Herbst 2020 trennte sich der S. Fischer Verlag von der Autorin

Die Trennung des S. Fischer Verlags von der Autorin im Herbst 2020 war eine Art Knall, der Literaturfreunden noch immer in den Ohren hallt.

Fischer hatte die Entscheidung mit einer Publikation von Maron in der "Exil"-Reihe des Dresdner Buchhauses Loschwitz begründet. Dessen Inhaberin Susanne Dagen kooperiere auch mit dem neu-rechten Antaios-Verlag. Andere vermuteten, dass politische Äußerungen Marons zum "Rausschmiss" geführt hätten. Fischer musste in einer erregten Feuilleton-Debatte viel Kritik einstecken. Maron fand mit Hoffmann und Campe aber rasch einen neuen Verlag.

Zum 80. Geburtstag erscheint der Band "Was ist eigentlich los?"

Dort erschien soeben der von Fischer abgelehnte Band mit Essays zu ihrem 80. "Was ist eigentlich los?", unter diesem Titel sind Aufsätze und Reden aus Marons bisheriger Schaffenszeit versammelt: Gedanken über Literatur und über die deutsche Einheit, über Islam, Flüchtlingspolitik und Meinungsfreiheit, die einen Bogen über ihre literarische Biografie spannen. Diese "ostdeutsch" zu nennen, wäre zu kurz gegriffen. Auch wenn hier ihre Wurzeln liegen.

Maron sei "sehr stark" ostdeutsch geprägt, sagt die belgische Literaturwissenschaftlerin Elke Gilson: "Das erklärt auch ihr politisches Wesen heutzutage, ihren Freiheitssinn und ihr Misstrauen gegenüber Machthabern, die bestimmen wollen, was für alle gut sei."

Doch wehre sich Maron zu Recht gegen die Einordnung in die Schublade der DDR-Autoren. Sie habe die großen Lebens- und Literaturthemen aufgegriffen, die über die sozialistische Gesellschaft hinausgingen; sie erzähle von Schuld, Liebe und Wahrheit.

1941 wurde Maron in Berlin-Neukölln geboren

Maron wurde 1941 in Berlin-Neukölln geboren. Ihre Mutter Hella durfte als Halbjüdin Marons leiblichen Vater, einen Frontsoldaten, nicht heiraten.

Später ehelichte die überzeugte Kommunistin den SED-Funktionär Karl Maron, von 1955 bis 1963 Innenminister. Monika Maron gehört dem sozialistischen Jugendverband FDJ und später auch der SED an, studierte in Ost-Berlin Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte.

Die Entfremdung vom DDR-Regime wuchs

Zweimal schickte sie in den 70ern Berichte über ihre Eindrücke bei einem West-Berlin-Aufenthalt an die Stasi und erhielt im Gegenzug ein Visum.

Als Maron die Berichte später öffentlich machte, erwiesen sie sich allerdings als sehr DDR-kritisch. Nachdem sie die Zusammenarbeit mit der Stasi abgebrochen hatte, wurde Maron selbst observiert. Ihre Entfremdung vom DDR-Regime wuchs.

Marons Werke behandeln Erfahrungen mit dem SED-Staat

In ihren Romanen verarbeitete sie ihre Erfahrungen mit dem SED-Staat. Im Mittelpunkt: Individuen, die sich gegen die Ansprüche des Kollektivs zur Wehr setzen.

Nach "Flugasche", ihrem Debüt über Umweltzerstörung in der Chemieregion Bitterfeld, und "Die Überläuferin" (1986) gelang ihr mit "Stille Zeile Sechs" (1991) der endgültige Durchbruch.

 Das dritte Buch der sogenannten Trilogie des Widerstands handelt von einem DDR-spezifischen Generationenkonflikt zwischen dem alten Parteifunktionär Beerenbaum, der die SED-Geschichte in seiner Biografie schönfärben will, und seiner Schreibkraft, der es - erst entschlossen, sich rauszuhalten - nicht gelingt, die Distanz aufrecht zu erhalten, und die sich in ihrem aufkommenden Hass dem Feind Beerenbaum immer mehr anverwandelt. Monika Maron nannte es ihr bestes Buch.

Viel Lob erhielt sie auch für "Animal triste" (1996), einem der "radikalsten Liebesromane in deutscher Sprache", wie ein Kritiker der "Stuttgarter Zeitung" schrieb: In Berlin erinnert sich nach dem Mauerfall eine ältere Frau an ihre obsessive Beziehung zu einem verheirateten Forscher aus dem Westen und deren zerstörerisches Ende.

Zu Marons bekanntesten Nachwende-Büchern gehört zudem "Pawels Briefe" (1999), in dem sie die Geschichte ihres jüdischen Großvaters Pawel Iglarz erzählt, der 1942 von den Nazis ermordet wurde.

Autorin sieht die Meinungsfreiheit in Deutschland immer mehr bedroht

Neben den Romanen machte sich die Intellektuelle Monika Maron aber auch mit kritischen Essays einen Namen: Sie kritisierte die Flüchtlingspolitik Angela Merkels (CDU) 2015 und wandte sich gegen eine verfehlte Integrationspolitik und gegen Islamismus.

Durch die Reaktionen darauf fühlt sie sich an den rechten Rand gedrängt: "Wenn jede abweichende Meinung sofort als AfD-nah oder neurechts diffamiert wird, statt ihr mit Argumenten zu begegnen, erinnert mich dies an die DDR", sagte sie der "FR". Die Meinungsfreiheit im Land sieht sie mehr und mehr als bedroht an. Ihr umstrittener Thesenroman "Arthur Lanz" (2020) greift das auf.

Freiheit spielt eine große Rolle für Monika Maron

Als weder links noch rechts begreift sich die Autorin selbst, die so seismographisch auf antiliberale Tendenzen reagiert.

Sie habe erzählen wollen, "was mit Menschen geschieht, wenn sie Verhältnissen unterworfen sind, in denen sie eine relative materielle Sorglosigkeit mit ihrer geistigen Freiheit bezahlen", erklärte sie einmal in einer Preisrede.

Freiheit muss wohl als Schlüsselwort für sie gelten. "Was heißt für Sie Freiheit?" fragte die "Neue Züricher Zeitung" kurz vor ihrem 80: "Der zu sein, der man ist."
 

Buchtipp

Was ist eigentlich los, Monika Maron

Verlag: Hoffmann und Campe Verlag

Seitenzahl: 192

ISBN: 3455011632, EAN: 978-3455011630

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