"In unserer Stadt erleben wir einen stetigen Bevölkerungswechsel durch Zu- und Wegzüge", sagt Siegfried Zelnhefer. Es sei deshalb wichtig, "auch die Geschichte der Nazi-Zeit immer wieder dem aktuellen Forschungsstand nach zu erzählen".
Im vergangenen Jahr ging Zelnhefer nach 18 Jahren als Leiter des Presse- und Informationsamtes der Stadt in den Ruhestand, arbeitete vorher bei Tageszeitungen als Redakteur und hat über "Die Reichsparteitage der NSDAP" promoviert. Auf kein Thema sei er jemals so oft angesprochen worden, wie auf die NS-Zeit.
Nürnberg ist von seiner NS-Vergangenheit geprägt
Schon als Kind kickte er mit Kumpels im Schatten von Führertribüne und Max-Morlock-Stadion auf den im Volksmund "Jedermann"-Plätzen genannten Sportanlagen am Zeppelinfeld.
Mittendrin in einem Areal, das einzigartig in Deutschland ist. Das prägte den jungen Nürnberger ohnehin. Zelnhefer sucht seinen Beruf im Bereich Journalismus und kommt auch dadurch immer wieder in Berührung mit der Geschichte des Nationalsozialismus, die in der ganzen Stadt mal offensichtlicher, mal eher im Verborgenen liegt.
"In Nürnberg entstanden die Rassegesetze, mit den Prozessen wurde Rechtsgeschichte geschrieben. Alleine mit diesen Wegmarken, die bewusst in dieser Stadt gesetzt wurden, bleibt das Erbe einzigartig", meint Zelnhefer ganz nüchtern. Es werde nie einfache Antworten zur Frage nach dem richtigen Umgang mit der NS-Geschichte geben, jede Generation müsse ihr Verhältnis zur Geschichte aufs Neue ausloten.
Mit dem Buch "Nürnberg und die Spuren des Nationalsozialismus" wird an NS-Zeit erinnert
Dabei richten sich die Autoren nicht nur an die gut 500.000 Einwohner Nürnbergs, von denen über 40 Prozent ihre Wurzeln nicht in Deutschland haben. Es gehe um die Erinnerung an den schrecklichsten Abschnitt des 20. Jahrhunderts und die Frage, was man aus der Geschichte lernen kann.
Es fließen auch jüngere Erkenntnisse zum Zwangsarbeiterlager am Südfriedhof in das Buch mit ein. Oder es wird der erst 2019 wieder eröffnete "Z-Bau" thematisiert, ein städtisches Kulturzentrum, das in einer ehemaligen SS-Kaserne neben dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge untergebracht ist.
Steffen Radlmaier hat mit seinen eigenen Recherchen zu Karl Amos Joel, dem jüdischen, von den Nazis enteigneten Textilkaufmann und Großvater des US-amerikanischen Rockstars Billy Joel, selbst zur Aufarbeitung zur NS-Geschichte beigetragen.
Ein Kapitel widmet sich jüdischen Erinnerungsorten der Stadt
Passend zum Jubiläum "1.700 Jahre Judentum in Deutschland" wird auch den jüdischen Erinnerungsorten in der Stadt ein Kapitel gewidmet. Zum Beispiel dem Denkmal am Standort der ehemaligen Hauptsynagoge am Hans-Sachs-Platz.
Auch die "Straße der Menschenrechte" am Germanischen Nationalmuseum mit ihren Säulen, auf denen die Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte geschrieben stehen, wird ausführlich erläutert.
Literarische Texte zeitgenössischer Schriftsteller fließen in das Buch mit ein
Flankierend haben Zelnhefer und Radlmaier literarische Texte zeitgenössischer Schriftsteller von Bertolt Brecht bis Simone de Beauvoir den Kapiteln beigefügt. Konzertveranstalter Fritz Rau erinnert an den legendären Auftritt Bob Dylans 1978 auf dem Zeppelinfeld.
Autorin Natascha Wodin, 1945 geborene Tochter sowjetischer Zwangsarbeiter, erzählt von ihrer Kindheit im sogenannten "Valka-Lager", einer 1946 auf dem Gelände des ehemaligen Kriegsgefangenenlagers im Stadtteil Langwasser errichtete Barackensiedlung, in der heimatlose Ausländer, "displaced persons" , untergebracht waren. Heute wohnt Wodin wieder ganz in der Nähe.
Buch-Tipp: "Nürnberg und die Spuren des Nationalsozialismus"
Verlag: Ars Vivendi, Seitenzahl: 208, Taschenbuch
ISBN: 3747202012, EAN: 978-3747202012
Das Buch ist hier bei Buch7 erhältlich.