Da wäre zum einen die Sache mit der Fusion: Nach fast fünfjähriger Vorbereitungszeit haben sich die Protestanten im Loisachtal am 1. Januar 2017 zusammengetan. Damit wiederholt sich die Geschichte, nur auf sehr viel erfreulichere Weise. Denn während die politischen Gemeinden Garmisch und Partenkirchen vor 80 Jahren von Hitler wegen der Olympischen Winterspiele 1936 zwangsvereinigt worden waren, ging der Anstoß zur Kirchenfusion von der Jugend aus.

"Die Jugendlichen waren immer schon die Brücke, ihnen ist es egal, wo sie sich treffen", sagt Pfarrerin Uli Wilhelm. So wurde ein geschichtsträchtiges Haus zum Ursprung der zweiten, freiwilligen Fusion: Das Jugenddomizil "Lipfferthaus" erinnert an das Pfarrersehepaar Ernst und Klementine Lipffert, das 1935 nach 16 Jahren in Partenkirchen – auch auf Druck der Kirchenleitung – den Ort verlassen musste, weil Klementine im NS-Jargon als "Halbjüdin" galt.
 

Garmisch Kramermassiv Lüftlmalerei
Garmischer Lebensgefühl: Lüftlmalerei vor Kramermassiv, dazu eine kühle Halbe.
Zugspitze Jubiläumsgrat
Der Psalmvers "Unter dem Schutz des Höchsten" ziert die Fundraising-Regenschirme der Gemeinde - und meint damit nicht die Zugspitze (r.) samt Jubiläumsgrat und Alpspitze, die über Garmisch thront.
Gondel Kurpark Partenkirchen
Mit dieser Zugspitz-Gondel kommen die Synodalen in den Sitzungspausen nur ...
Kurpark Partenkirchen vor Kramermassiv
... bis in den Michael-Ende-Kurpark hinter dem Kongresshaus. Der Autor der "Unendlichen Geschichte" war gebürtiger Garmischer - einer von vielen berühmten Namen, die mit dem einstmals mondänen Kurort verbunden sind.
Krippenszene Lüftlmalerei Garmisch-Partenkirchen
Weihnachten das ganze Jahr: Krippenszene an einer Garmischer Hauswand.

 

Uli Wilhelm, die seit März in Garmisch arbeitet und gerade auch die vakante erste Pfarrstelle vertritt, will jetzt dafür sorgen, dass sich die Gemeindemitglieder auch stärker als Einheit verstehen. Nicht ganz einfach bei sechs Ortschaften mit sechs eigenen und sehr besonderen Kirchen: Da ist der ehemalige Reitstall in Garmisch, der 1950 zum Gotteshaus wurde; die Erlöserkirche Grainau, 1960 der letzte Bau aus der Feder von Olaf Andreas Gulbransson vor dessen tödlichem Autounfall, das 1962 gebaute Heilandkirchlein von Oberau, die Friedenskirche Burgrain von 1975, das alte Feuerwehrhaus von Farchant, das seit 1993 die Markuskirche beherbergt.

Und natürlich die Johanneskirche Partenkirchen. Seit 1891 steht sie hier, unter der imposanten Kulisse von Zugspitze, Jubiläumsgrat und Alpsitze, das Kramermassiv direkt gegenüber. Hier in der Johanneskirche, von der alles evangelische Leben im heutigen Dekanat Weilheim ausging, feiert die Landessynode ihren Eröffnungsgottesdienst. Dabei wird niemand frieren, denn die Synodalen und der Landeskirchenrat samt Tross werden ein bisserl zusammenrutschen müssen. "Offiziell passen 250 Leute in die Kirche – das wird eng", weiß Pfarrerin Wilhelm, die selbst seit zehn Jahren dem Kirchenparlament angehört.
 

Vom Garten der Johanneskirche Partenkirchen blickt man aufs Zugspitzpanorama.
Vom Garten der Johanneskirche Partenkirchen blickt man aufs Zugspitzpanorama.
Johanneskirche Partenkirchen Apsis
Rund 250 Besucher passen in die Johanneskirche, ...
Johanneskirche Partenkirchen Orgelempore
... von der seit 1891 alles protestantische Leben im Werdenfelser Land ausging.
Christuskirche Garmisch Apsisbogen
Ehemals Reitstall, heute Gotteshaus: der Apsisbogen in der Christuskirche Garmisch.
Erloeserkirche Grainau
1962 wurde die Erlöserkirche Grainau eingeweiht - ihr Architekt, Olaf Andreas Gulbransson starb ein Jahr zuvor bei einem Autounfall. Die Kirche ist ein Architektur-Juwel und denkmalgeschützt. Die Kehrseite: Eine dringend nötige energetische Sanierung ist beinahe unmöglich.
Erloeserkirche Grainau innen
Ungewöhnlicher Schnitt: der Innenraum der Erlöserkirche Grainau.
Heilandkirche Oberau
Kennt jeder Garmisch-Reisende: Die Heilandkirche Oberau steht direkt an der vielbefahrenen Kreuzung Richtung GAP, an der Autofahrer Richtung Ettal abbiegen.
Heilandkirche Oberau Apsis
Eine farbenfrohe Darstellung der Jünger auf dem stürmischen See ziert die Apsis der Heilandkirche Oberau.
Friedenskirche Burgrain
Der Altarraum der Friedenskirche Burgrain.
Markuskirche Farchant
Ehemals Feuerwehrhaus, heute Markuskirche für die Lutheraner in Farchant.

 

Auch aufs Hochglanz-Liedblatt verzichtet die Gastgeberin: Schließlich will Garmisch-Partenkirchen binnen einen Jahres Öko-Gemeinde werden. Schon im Sommer 2019 soll der Grüne Gockel, das kirchliche Umweltsiegel, am Eingang prangen. Ein ambitionierter Zeitplan, doch Wilhelm bringt Erfahrung mit: Auch an ihrer vorigen Wirkungsstätte in Tutzing hat sie mit dem Umweltausschuss das ökologische Federvieh implementiert – "als erste Gemeinde im Dekanat Weilheim", sagt sie stolz.

Gut, dass sich die Pfarrerin auch mit Bausachen auskennt. In Tutzing wurde unter ihrer Federführung die Kirche von Grund auf saniert; deshalb hat sie derzeit auch den Hut auf bei den Planungen für den zwei Millionen schweren Umbau des Partenkirchener Gemeindezentrums. "Das wird ein KfW 70-Haus mit höchsten energetischen Standards", erklärt Wilhelm. 70 Quadratmeter Solarzellen auf dem Dach, gute Dämmung, helle und moderne Räume – hier soll sich in Zukunft das Leben der Gemeinde abspielen.

Extra Bonus ist die evangelische Bücherei mit 7500 Medien, die für Garmisch-Partenkirchen die Funktion der Stadtbücherei übernimmt. "Deshalb bekommen wir von der Kommune auch einen großen Zuschuss für den Umbau", freut sich die 58-Jährige.

Fundraisingaktion für den Gemeindehaus-Umbau

Um den Eigenanteil von 280.000 Euro zu erwirtschaften, hat die Gemeinde gerade ihre Fundraising-Kampagne gestartet. Sollte es während der Synodentagung regnen, könnten die Abgeordneten zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: 20 Euro kostet der Stockschirm im schönsten Kirchenlila, der seine Träger mit Psalm 91 "Unter den Schutz des Höchsten" stellt – und zugleich die Kasse des Bauausschusses füllt.

Kapelle Mariä Heimsuchung Zugspitze
Zwischen Juni und September bietet die evangelische Gemeinde jeden Tag einen Berggottesdienst - einmal pro Woche auch in der höchstgelegenen Kapelle Deutschlands, Maria Heimsuchung auf der Zugspitze.

 

Bleibt bei so viel Konzentration noch Zeit fürs Profil? Uli Wilhelm nickt: "Zwischen Juni und September bieten wir jeden Tag einen Berggottesdienst an." Denn in Garmisch, dem 29.000-Einwohner-Städtchen mit über 1,5 Millionen Übernachtungsgästen pro Jahr, ergibt sich das Profil "Urlauberseelsorge" von selbst. "Am Berg kann man Menschen fischen", hat die begeisterte Bergsteigerin festgestellt und berichtet von ihren schönsten Erfahrungen mit der "Zufallsgemeinde" am Gipfel.

Da ist das junge Paar, sie katholisch, er konfessionslos, das nach dem Berggottesdienst mit seinem Hochzeitswunsch zur Pfarrerin kommt. "Er überlegt jetzt, ob er dafür evangelisch wird", sagt Wilhelm. Da ist der Brief in zittriger Handschrift, dessen Absender bescheiden um einen Stein von der Zugspitze bittet – als Erinnerung an seine vergangenen Urlaube in den Bergen. Uli Wilhelm schickte einen Stein in Herzform vom Zugspitzplatt und erntete gerührte Dankbarkeit. Sogar vor liturgischen Spitzkehren schreckt die Alpinistin nicht zurück: Eine englischsprachige Trauung nach schwedischem Ritus war ihr Glanzstück am Berg.  

Urlauberseelsorge und Kontakte zu Touristen aus Nahost

Doch längst überwiegen in Garmisch-Partenkirchen Touristen aus Nah- und Fernost. "Wenn du im Sommer an den Eibsee kommst, glaubst du, du bist in Saudi-Arabien", sagt die Theologin mit einem kindlichen Staunen. Und obwohl die muslimischen Besucher nicht ihre Zielgruppe sind, greift die Pfarrerin auch diesen Ball auf. An manchen schönen Sommertagen spaziert sie im schwarzen T-Shirt mit weißen arabischen Schriftzeichen durch die Fußgängerzone. "Die Deutschen schauen mich dann immer sehr skeptisch an", lacht sie, "aber die Araber strahlen und bedanken sich." Denn auf ihrem T-Shirt steht: Stell dir vor, es wäre Frieden.

Dass es interreligiös gut läuft, zeigt auch die Anekdote über den Sultan von Oman: Er wählte für eine seiner Großspenden zuletzt die evangelische Gemeinde aus – die mit dem Geld drei Jahre lang ihren Jugenddiakon finanzieren konnte.

Doch auch in der christlichen Ökumene läuft es gut in: Die Griechisch-Orthodoxen feiern einmal im Monat Gottesdienst in der Johanneskirche. Eine Berghütte öffnet trotz Betriebsferien extra für die Synodalen – auf Vermittlung des katholischen Bildungswerks. Und bei der katholischen Fronleichnamsprozessionen haben die Protestanten ihren eigenen Altar. "Das", findet Uli Wilhelm, "ist schon very special."

 

Dossier

Landessynode: Die Herbsttagung in Garmisch-Partenkirchen

Landessynode Garmisch-Partenkirchen

Die bayerische evangelische Landessynode tagt vom 25. bis 29. November 2018 in Garmisch-Partenkirchen. Unser Dossier mit allen Artikeln, Hintergrundinformationen und Infografiken zur Landessynode, finden Sie hier: sonntagsblatt.de/landessynode!