Markus fragt sich inzwischen seltener, wo der Haken bei seiner Unterkunft ist. Er und seine Hündin Sheila wohnen seit einem Monat im "QuarTier". Jeden Tag schläft Markus nun in einem Bett im eigenen Einzelzimmer, sein belgischer Schäferhundmischling im sauberen Körbchen. Der wohnungslose Mann, der schon mehrfach auf der Straße gelebt hat, staunt: "Immer, wenn es zu gut läuft, kommt irgendwas nach", erklärt der Mittvierziger sein Unbehagen, "aber hier anscheinend nicht".

Haustiere in Obdachlosenunterkünften oft nicht erlaubt

Leute wie er - obdachlos mit Hund - hatten bisher in Nürnberger Obdachlosenunterkünften keinen Zutritt. In wenigen deutschen Städten gibt es für sie Schlafstellen in Notunterkünften. Markus hat dafür sogar Verständnis: "Manche Leute können mit dem Hund überhaupt nicht umgehen. Sie sind zu besoffen oder zu platt", sagt er. Und das "Gekläffe" könne den Zimmergenossen auf die Nerven gehen.

Martina Hilden ist die Leiterin der neuen Notunterkunft "QuarTier" der Johanniter und sie stimmt dem zu. Viele Unterkünfte hätten Mehrbettzimmer "und wenn darin vier Leute schlafen und drei haben jeweils zwei Hunde, dann geht es turbulent zu".

Bedarf nach Unterkünften für Menschen mit Haustier ist hoch

Aber für solche Schlafstellen für Frauen und Männer mit Hund sieht sie einen sehr hohen Bedarf. Mittlerweile sind in Bayern nach Expertenschätzungen rund 15.000 Menschen ohne Wohnung. Ihre Hunde hat keiner gezählt.

In Hildens Unterkunft, erst am 1. März eröffnet, dürfen Pinscher, Promenadenmischungen, Bernhardiner und andere Arten mit dem Herrchen in die Pension. Hat ein Hund Flöhe, drückt ihm Hilden ein Spezialshampoo in die Hand. Sie hat einen Not-Vorrat Futterdosen im Schrank und kann gespendete Hundedecken verteilen.

"QuarTier" erfährt viel Unterstützung

Die Hilfsbereitschaft sei enorm gewesen, als sie vor der Eröffnung um Spenden bat, erzählt die gelernte Krankenschwester und Trauma-Pädagogin. Sie hat in den zurückliegenden Jahren bereits zwei andere Notunterkünfte gemanagt hat.

Ob die Obdachloseneinrichtung ohne das Etikett Hund auch so viel Starthilfe erfahren hätte? Hilden schüttelt nachdenklich den Kopf, "es ist manchmal schon seltsam, wie wir Menschen ticken". Mit unterstützt haben die Einrichtung die Stadt, das Sozialministerium und zusätzlich ein Kreditinstitut mit einer Anschub-Spende von 10.000 Euro.

Frisch renovierte Einrichtung stellt 21 Zimmer zur Verfügung

21 Zimmer stehen nun Menschen mit Hund offen, die vom Sozialamt eine Zuweisung erhalten haben. Das Gebäude in der Nordstadt mit einer Fassade aus Waschbeton und brauner Kunststoffverkleidung hat keine Chancen auf einen Architekturpreis.

Aber im Innern ist alles frisch renoviert und weiß gestrichen. Es gibt ein Behandlungszimmer, ein Tierarzt für den Hausbesuch wird noch gesucht. An den Wänden in den Gängen Hundepfoten-Tattoos, stilisierte Gaslaternen und Hundefotos.

Die Zimmer sind hell, simpel mit Bett, Schrank, Tisch und Kühlschrank eingerichtet. Ein Putzeimer mit Wischmopp zeigt an, dass man das Zimmer reinigen muss. Waschmaschinen stehen im Keller.

Auch tagsüber dürfen sich die Bewohner im QuarTier aufhalten. Nun halten sie wieder einen Haustür- und einen Briefkastenschlüssel in Händen, nachdem sie bei der Wohnungssuchen Dutzende Absagen kassiert haben.

Hund ist für viele Wohnungslose der einzig verbliebene Kumpel

"Mit Hund ist Sense", fasst Markus das trocken zusammen. Doch Sheila würde er nie weggeben. "Ihr ist es egal, ob sie im Freien schläft oder drinnen", sagt der Mann in der bunten Kapuzenjacke, "die ist die volle Rampensau. Hauptsache, sie ist bei mir".

Für viele Wohnungslose ist das Tier der einzig verbliebene Kumpel. Und es gibt ihnen Sicherheit, erklärt Hilden, denn das Leben auf der Straße ist hart.

"QuarTier" bietet Raum, um Ruhe zu finden

Im "QuarTier" können die Bewohner Abstand gewinnen von dieser rauen Welt. Die Neuankömmlinge sollen "sich seelisch entspannen können". Viele stünden noch unter Schock, weil sie erst vor kurzem die Wohnung verloren hätten oder sie seien gesundheitlich nicht gut beieinander, weil sie schon länger auf der Straße lebten, sagt Hilden. "Ich schaue, dass die Leute hier ankommen und das Gefühl für die eigenen Wände bekommen".

Die Unterkunft ist als vorübergehende Bleibe gedacht, aber niemand werde nach dem dritten Tag gezwungen, sich wieder eine Wohnung zu suchen, erklärt die Projektleiterin. In Coronazeiten ist die Suche ohnehin aussichtslos.

Irgendwann seien ihre Schützlinge dann soweit und fragten, ob sie beim Ausfüllen des Wohnberechtigungsscheins helfen oder einen Termin bei der Schuldnerberatung machen könne. Auch Markus sagt: "Ich such schon wieder nach einer Wohnung, aber erst mal will ich zur Ruhe kommen".