Das monotone Rauschen des Verkehrs würde einem Bienenschwarm alle Ehre machen. Düster schwellen die tiefen Töne eines Orgelregisters an. Plötzlich Stille. In die knarzt eine Kirchenbank, surrend dreht sich irgendwo ein Kinderdreirad, man hört Schritte und ein helles "Bing" von Scherben oder Steinchen, die auf Glas treffen.

Klangliche Reise

Was Professor Peter Gahn von der Nürnberger Hochschule für Musik beim Vorab-Hören im Surround-Sound da zusammengemischt hat, ist nichts weniger als eine klangliche Reise, die von der Reformations-Gedächtniskirche im Stadtteil Maxfeld bis in die Altstadt führt. Dort, wo einst die Synagoge stand, die bereits am 10. August 1938 zerstört worden ist. Die evangelische Kirche wurde am 6. November 1938 eingeweiht.

Entstanden sind diese Klänge bei Klangspaziergängen von den vier Haupttoren der Nürnberger Stadtmauer zum Ort der ehemaligen Synagoge. "Ich wollte die Wege der Gemeindemitglieder zu ihrem Gotteshaus nachempfinden. Heute führen sie ins Leere", erklärt Gahn.

Willkommenes Neuland

Entstanden sind diese Klänge bei Klangspaziergängen von den vier Haupttoren der Nürnberger Stadtmauer zum Ort der ehemaligen Synagoge. »Ich wollte die Wege der Gemeindemitglieder zu ihrem Gotteshaus nachempfinden. Heute führen sie ins Leere«, erklärt Gahn. Mit seiner Projektidee stieß der Professor auf offene Ohren bei Kantor Thomas Schumann. Für den Kirchenmusikdirektor ist eine solche Klanginstallation Neuland, allerdings ein willkommenes.

"Wir fühlen uns der Geschichte unserer Kirche und dem der Synagoge seit je her verbunden."

Die Orgelklänge, die er beigesteuert hat, stammen von einem Register, wie es exakt so in der jüdischen Gebetsstätte eingebaut war. Natürliche Töne kommen auch von Gemeindegliedern der Maxfeld-Kirche, die lange "A"- und "O"-Vokale singen. Auch kein Zufall, stehen sie doch für das Alpha und Omega des Neuen Testamentes oder das alttestamentarisch Erste und Letzte sowie das "Amen", wie es auch in der Synagoge gesprochen wird.

Schützend und dunkel

Zehn Tage lang wird die Klanginstallation täglich ab 19.30 Uhr in der Kirche aus mehreren Lautsprechern zu hören sein, die gezielt im Raum verteilt werden. Der Titel der Installation, "Shaded Frames" - auf Deutsch "schattierte Rahmen" - bezieht sich laut Peter Gahn auf die Architektur des Kirchen-Bauwerks, das sowohl schützend als auch dunkel empfunden werden kann. Man könne ihn auch auf die 1938 zerstörte Synagoge beziehen, die nur noch als Schatten der Erinnerung vorhanden sei.

Die Zuhörer werden ebenso Teil des lebendigen Kunstwerks, das Windgeräusche der Orgel, Knacken des Holzes der Balustrade, Schritte im Kirchenraum oder das Umblättern von Bücherseiten erahnen lässt. Die Nürnberger Stadtbücherei hat aktuelle Ausgaben von 1938 verbotenen Büchern jüdischer Autoren wie Walter Benjamin, Lion Feuchtwanger oder Kurt Tucholsky beigesteuert. Sie liegen neben der Bibel und einem Verzeichnis der im Krieg verstorbenen Gemeindemitglieder der Reformations-Gedächtniskirche aus. Sie dienten auch für die Tonaufnahmen beim Umblättern.
 

"Bücher als zentrales Element sind sowohl ein verbindendes Merkmal des christlichen und jüdischen Glaubens und auch ein Medium, was Menschen vereint und Ihnen neue, individuelle Gedanken ermöglicht",

ergänzt Gahn.

Zweimal wird es auch Live-Musik während des Aufführungszeitraums geben: Zur Eröffnung am 6. November singt der Madrigalchor der Hochschule für Musik eine Motette von Heinrich Schütz, der just an diesem Tag auch Geburtstag hat. Das junge Nürnberger Ensemble für zeitgenössische Musik "Katharsis" spielt am Buß- und Bettag (16. November) von Peter Gahn zu den Umgebungsgeräuschen komponierte Musik.

Nürnberger Musikhochschule
Thomas Schumann (links) und Peter Gahn im »Tonstudio« der Nürnberger Musikhochschule.