Die Lage privater Seenotretter vor der libyschen Küste spitzt sich dramatisch zu. Laut Sea-Eye-Gründer Michael Buschheuer wird ein Großteil der vor der Mittelmeerküste Afrikas geretteten Flüchtlinge von Schiffen der Nicht-Regierungsorganisationen (NGO) an Bord genommen. Bislang habe man heuer 7000 Flüchtlinge vor dem Ertrinken gerettet, teilte der Regensburger Verein Sea-Eye mit. Die Militärschiffe der EU-Staaten zögen sich zunehmend aus der Seenotrettung zurück. Zugleich erhöhten die Innenminister von Italien, Frankreich und Deutschland den Druck. Die EU-Staaten werfen den NGOs vor, Schlepperbanden das Geschäft zu erleichtern oder gemeinsame Sache mit ihnen zu machen.

 

Herr Buschheuer, Sie haben bei Ihren Einsätzen im Mittelmeer andere Beobachtungen gemacht und diese auch mit Videos und Fotos dokumentiert. Nun werfen Sie der libyschen Küstenwache vor, dass sie mit den Schleusern zusammenarbeitet. Was geht da vor sich?

Michael Buschheuer: Die libysche Küstenwache ist zum Teil mit Schleusern durchsetzt, das haben wir mit eigenen Augen gesehen. Das ging so: Die Küstenwache lässt sich offenbar von den Schleusern bestechen und lässt bestimmte Boote durch. Eigentlich soll die Küstenwache Schleusung unterdrücken, etwa durch Zerstören der Schleuserboote. Tatsächlich aber bergen Leute von der Küstenwache die Außenbordmotoren und bringen sie wieder zurück an die libysche Küste, wo sie von Schleusern wieder eingesetzt werden. Wir haben den Medien vier Bildserien vorgestellt, die belegen, wie die Küstenwache direkt mit privaten Booten zusammenarbeitet, wie die Küstenwache selbst Flüchtlingsboote lenkt und diese dann förmlich den NGO-Seenotrettern aufdrängt.

Was werfen Sie der EU und speziell dem deutschen Innenminister Thomas de Maizière (CDU) vor?

Buschheuer: Ich kann verstehen, dass man versucht, in Libyen einen Partner zu finden, der die Flucht bremst. Wenn in diesem Land aber niemand ist, der vertrauenswürdig ist, dann kann man ihn auch nicht herzaubern. Das Auswärtige Amt warnt in seinem Bericht vom Januar 2017 ausdrücklich davor, weil in libyschen Lagern Menschen versklavt werden, weil dort gegen Menschenrechte verstoßen wird. Wir werfen der EU vor, dass sie dennoch mit der libyschen Küstenwache kooperiert, und nicht, dass man versucht, die Fluchtbewegungen zu bremsen. Der deutsche Innenminister sagt nun, der Druck auf die NGOs müsse erhöht werden – aber dem sind wir als kleiner Verein gar nicht gewachsen. Ich wünsche mir nicht, dass der Druck bei mir, meiner Familie ankommt. Das haben wir nicht verdient: Wir wollen doch Menschenleben retten!

Warum glauben Sie, dass die NGOs diskreditiert werden sollen?

Buschheuer: Wir glauben, dass es der Plan der EU und der deutschen Bundesregierung ist, das europäische Militär von der libyschen und afrikanischen Küste fernzuhalten. Gleichzeitig sollen die libyschen Kräfte gestärkt und nach vorne gebracht werden. Der einzige Akteur, der in diesem Plan stört, sind die NGOs, weil diese sich eben nicht befehlen lassen, wohin sie fahren sollen, um Leben zu retten. Deswegen sind wir im Moment ein Dorn im Auge der Regierungen, weil man nur schlecht erklären kann, weshalb wir ertrinkende Menschen retten und warum das Militär nicht auch dorthin fährt

Sea-Eye

Der Regensburger Verein "Sea-Eye" zur Seenotrettung von Flüchtlingen vor den Küsten Afrikas wurde 2015 gegründet. Zwei Schiffe sind im Einsatz, die Sea-Eye seit April 2016, die Seefuchs seit Mai 2017. Beide Schiffe sind 26 Meter lang, rund 60 Jahre alt und ehemalige Fischkutter. An Bord befinden sich neben der 12-köpfigen Besatzung 2200 Schwimmwesten und 12 Rettungsinseln. Laut Angaben des Vereins wurden im vergangenen Jahr 5568 Menschen aus Seenot gerettet. Bis Mitte Juli 2017 waren es 6721 Menschen, die versorgt wurden. Der Verein ist als gemeinnützig anerkannt. Spenden gehen an Sea-Eye e.V., IBAN: DE60 7509 0000 0000 0798 98, Stichwort: "Sea-Eye".