Die Entscheidung der Trump-Regierung, USAID-Finanzierungen einzufrieren, hat gravierende Auswirkungen auf humanitäre Programme im Nordirak.
Besonders betroffen sind Frauenhilfsorganisationen, die wichtige Dienstleistungen für gefährdete Gruppen anbieten. Während einige Organisationen ihre Arbeit fortsetzen können, stehen andere vor drastischen Einschnitten.
Plötzlicher Stopp, abrupte Folgen
Archimandrite Emanuel Youkhana vom Christian Aid Program Northern Iraq (CAPNI) erklärt, dass seine eigene Organisation keine Mittel von USAID erhalte und daher nicht direkt betroffen sei.
Das gelte aber nicht für die Partnerorganisationen:
"Die Women Empowerment Organization (WEO) musste 30 Prozent ihrer Aktivitäten einstellen. Dutzende Mitarbeiter und Begünstigte haben dadurch ihre Unterstützung verloren."
Noch dramatischer traf es ihm zufolge die Baghdad Women Association (BWEA), die aufgrund der abrupten Streichung der Gelder 25 Frauen über Nacht kündigen musste.
Gefährdete Schutzräume für Frauen
Suzan Aref von der Women Empowerment Organization (WEO) beschreibt die massiven Auswirkungen auf laufende Projekte. Besonders betroffen sei ein Programm mit dem International Rescue Committee (IRC) in Anbar, das Schutz und Existenzsicherung für vom Konflikt betroffene Frauen und Familien gewährleisten sollte.
"Hunderte Frauen und Mädchen hatten sich auf diese Hilfe verlassen. Jetzt stehen sie ohne Schutzräume, Schulungen oder finanzielle Unterstützung da."
Die abrupten Kürzungen gefährden die Frauen- und Mädchenschutzräume (Women and Girls Safe Spaces, WGSS), die als zentrale Anlaufstellen für Gewaltprävention und psychosoziale Unterstützung dienten. Ohne diese Unterstützung steigt das Risiko von Gewalt, Ausbeutung und Missbrauch.
Die beiden Hilfsorganisationen
Christian Aid Program North Iraq (CAPNI): CAPNI ist eine christliche Organisation, die sich dafür einsetzt, die Existenz und Identität von Minderheiten und gefährdeten Gemeinschaften im Nordirak zu schützen und ihre Rechte zu fördern. CAPNI arbeitet mit ihnen und Partnern zusammen, um Programme und Projekte zu planen und umzusetzen, die zur Verbesserung ihrer menschenwürdigen Lebensbedingungen in den Bereichen Gemeindeentwicklung, Gesundheit und Bildung beitragen.
Women Empowerment Organization (WEO): WEO wurde 2004 gegründet und ist eine von Frauen geführte Nichtregierungsorganisation im Irak und der Region Kurdistan, die sich für die soziale, wirtschaftliche und politische Stärkung von Frauen einsetzt. WEO setzt sich dafür ein, den Einfluss von Frauen zu stärken, alle Formen von Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen und sich für die Entwicklung und Reform von Politiken einzusetzen, die die Gleichstellung von Frauen und Männern fördern. WEO engagiert sich für Schutz, Existenzsicherung, Anwaltschaft und humanitäre Hilfe und bietet ein umfassendes Spektrum an Dienstleistungen an, darunter sozioökonomische und psychologische Unterstützung, Zugang zu Finanzmitteln, Aufbau individueller und institutioneller Kapazitäten, Rechtsbeistand und Anwaltschaft für einen inklusiven Ansatz und die sinnvolle Verwirklichung von nachhaltigem Frieden und Sicherheit.
Vertrauensverlust in der Bevölkerung
Doch die Kürzungen haben nicht nur direkte Auswirkungen auf die Betroffenen. Sie untergraben auch das Vertrauen in Hilfsorganisationen und gefährden die Sicherheit der Mitarbeiter. "Unsere Glaubwürdigkeit steht auf dem Spiel", warnt Aref.
"Wenn Frauen und Mädchen plötzlich keine Hilfe mehr bekommen, empfinden sie das als Versagen unsererseits – obwohl wir nichts dafür können."
Vor allem in Al-Qaim, wo das Projekt stark in die lokale Gemeinschaft eingebunden war, könne es zu Spannungen kommen. Frustrierte Begünstigte, die sich auf die Unterstützung verlassen hätten, könnten feindselig reagieren und das Personal einem Sicherheitsrisiko aussetzen. Auch die lokalen Behörden, die die Hilfsprogramme genehmigt und unterstützt hatten, könnten das Vertrauen in die Organisationen verlieren.
Langfristige Schäden für Frauen und Gemeinden
Sollte die Finanzierung nicht wieder aufgenommen werden, könnten die Folgen gravierend sein. "Die Kürzungen treffen nicht nur einzelne Frauen, sondern ganze Gemeinden", sagt Aref. Die Einstellung von Programmen zur wirtschaftlichen Stabilisierung bedeutet, dass Frauen, die gerade dabei waren, sich eine Existenz aufzubauen, wieder ohne Einkommensquelle dastehen.
Der soziale Abstieg könne langfristig negative Folgen haben:
"Wenn Frauen keine Alternativen haben, steigt die Gefahr, dass sie in Armut und Gewaltkreisläufen gefangen bleiben."
Suche nach Alternativen
Trotz der Herausforderungen wird versucht, die schlimmsten Auswirkungen abzufedern. Die WEO hat begonnen, die begrenzten Ressourcen umzuverteilen, um die wesentlichen Dienstleistungen aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig sucht sie nach alternativen Finanzierungsquellen.
"Wir geben nicht auf", betont Aref, "wir sind entschlossen, unsere Hilfe für gefährdete Frauen und Mädchen fortzusetzen, auch wenn die Bedingungen schwieriger geworden sind.
Die plötzlichen Kürzungen von USAID haben im Nordirak ein Vakuum hinterlassen, das Frauenhilfsorganisationen nun zu füllen versuchen. Doch ohne nachhaltige Finanzierung bleiben die langfristigen Auswirkungen ungewiss - mit potenziell katastrophalen Folgen für die Schwächsten der Gesellschaft.
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