Kippa und Tora - von der Kopfbedeckung jüdischer Männer und der Schriftrolle hat vermutlich jeder schon mal irgendwie gehört. Doch das Wissen in Deutschland über das Judentum ist mäßig, wie verschiedene Umfragen in den vergangenen Jahren gezeigt haben.

Das betrifft eben nicht nur den Völkermord während der Zeit des Nationalsozialismus an Millionen Juden, hat darin jedoch einen entscheidenden Grund: Das Wissen über jüdisches Leben ging mit der Ermordung der Juden größtenteils unter - und damit die Kenntnis über jüdische Glaubens- und Ritualgegenstände.

Juden in Franken

Annette Taigel arbeitet seit Jahren als Ehrenamtliche im Museum des Jüdischen Gemeindezentrums "Shalom Europa" in Würzburg. Das erste Ausstellungsstück, das Besuchern in dem modernen Bau bei einem Rundgang begegnet, ist eine Mesusa: "Hier in Franken gab es im 19. Jahrhundert ein ausgeprägtes Landjudentum." Laut dem "Johanna-Stahl-Zentrum für jüdische Geschichte und Kultur in Unterfranken" waren es dort noch in den Jahren 1932/33 mehr als 100 jüdische Gemeinden. Die Mesusa, eine kleine Schriftkapsel am Türpfosten, war in Franken weit verbreitet und bekannt.

"Auch heute sind Mesusot an den Türrahmen nicht selten, aber doch deutlich seltener als damals", sagt Taigel. Die Schriftkapseln sind ein öffentlichen Bekenntnis zum Judentum - und wohl auch deshalb verzichten selbst manche gläubige Juden in Deutschland heute zumindest an äußeren Haus- und Wohnungstüren darauf.

Im "Shalom Europa" sind sie an jedem Türrahmen angebracht - außer an den Türen von Bädern und Toiletten. Gläubige Juden berühren Mesusot wortlos beim Betreten eines Hauses mit Zeige- und Mittelfinger und legen diese dann kurz auf ihre Lippen.

Teffilin: Ein weitverbreiteter Ritualgegenstand

Ein ganz ähnlicher Gegenstand sind die Gebetsriemen mit den Gebetswürfeln. Die Teffilin werden mit einem Lederriemen zum Morgengebet an Kopf und Arm gebunden - außer am Schabbat und an Feiertagen. Weltweit sind die Teffilin durchaus noch ein weit verbreiteter Ritualgegenstand vor allem bei Männern im stark orthodoxen Judentum.

"In der Würzburger Gemeinde allerdings spielen sie kaum eine Rolle", betont Taigel. Ihr Kollege Matthias Bartsch ergänzt: "Es gibt nicht das eine Judentum. Diese große Vielfalt ist im jüdischen Glauben angelegt und wird gelebt."

Jüdische Gemeinden müssen sich "selbst ordnen", es gibt keine oberste "Glaubensbehörde", die ein allgemeingültiges Richtig oder Falsch festlegt, sagt Bartsch. Jeder Jude müsse die 613 Ge- und Verbote der Tora auf sein Leben anwenden. Die Interpretation der jüdischen Bibel (Tanach) wird auch mündliche Tora genannt. In Würzburg orientiert sich diese Auslegung auch heute noch an der Aussage des berühmten Rabbiners Seligmann Bär Bamberger (1807-1878): "Alles, was ich aufgrund der Religion und des Gesetzes unserer heiligen Tora erlauben kann, erlaube ich."

Viele Gebrauchsgegenstände im Judentum

Ein weiterer wichtiger Gegenstand bei gläubigen Juden ist der Tallit, der Gebetsmantel. Auch dabei handelt es sich um ein zu einem "Zeichen" verdichteter Hinweis auf ganze Teile der Bibel. Der große Tallit wird fast jeden Tag zum Morgengebet getragen, an jeder Ecke hat er "Schaufäden" oder "Quasten" mit einer ganz bestimmten Zahl an Windungen und Knoten, die am Ende die 613 Ge- und Verbote der Tora darstellen. Neben dem großen gibt es auch den kleinen Tallit, ein viereckiges Tuch mit Öffnung für den Kopf. Ultraorthodoxe Juden tragen ihn unter der Kleidung."Die Liste an Ritual- oder religiösen Gebrauchsgegenständen im Judentum ist lang", sagt Bartsch.

Die Chuppa

Zum Beispiel auch bei jüdischen Hochzeiten. Am bekanntesten ist dabei wohl noch die Chuppa, ein Traubaldachin, unter dem die Trauung stattfindet.Im Judentum wird die Ehe nämlich nicht in der Synagoge im engeren Sinn, also im Gebetsraum, sondern im Gemeindezentrum oder unter freiem Himmel geschlossen. "Chuppa" bedeutet "Dach über dem Kopf", der Traubaldachin ist demnach "ein Symbol für das gemeinsame Leben und das gemeinsame Haus" der Eheleute, erklärt er.

Vor allem im süddeutschen Raum kennt man außerdem die Chuppasteine mit Davidstern - an Außenwänden von Synagogen zum rituellen Zerschlagen von Gläsern. Das Zerbrechen eines Glases ist auch heute noch ein gelebter Hochzeitsbrauch. Die Hochzeitsgäste rufen dem Brautpaar dabei "Masel tov" zu. Der Glückwunsch bedeutet wörtlich übersetzt "guter Stern" - deshalb ziert oft ein Davidstern den Chuppastein. Einen der ältesten noch erhaltenen dieser Steine findet man übrigens in Höchberg bei Würzburg. Er stammt aus den Jahren 1660/1661.