Denkmal als Ort der Begegnung

Mitten in der Regensburger Altstadt, auf dem Neupfarrplatz, steht ein Denkmal aus weißem Granitstein: In den Sommermonaten balancieren Kinder auf ihm und auch Erwachsene verweilen gerne an dem Ort. Es ist ein Bodenrelief, das der israelische Künstler Dani Karavan im Jahr 2005 gestaltet - und mit ihm die Grundmauern der darunterliegenden Synagoge aus dem frühen 13. Jahrhundert aufgezeigt hat. Der Künstler wollte es so, dass auf den Grundmauern der Synagoge wieder ein Ort der Begegnung entstand.

Regensburger Pogrom von 1519

Das mittelalterliche Gotteshaus existiert nicht mehr - es wurde 1519 zerstört, als der Regensburger Stadtrat unter aktiver Beteiligung der christlichen Bevölkerung die Juden aus der Stadt vertrieb und ihr Viertel samt Synagoge dem Erdboden gleichmachte. Aber das Denkmal erinnert bis heute an die großartige Geschichte der Regensburger Juden. Denn im Mittelalter war Regensburg eine "Metropole der Juden", sagt Eva Haverkamp-Rott, Professorin für mittelalterliche jüdische Geschichte an der LMU München.

Juden Teil der Handelsmetropole

Die prosperierende Handelsstadt an der Donau zog viele Menschen an, und so entstand in Regensburg die älteste jüdische Gemeinde auf dem Gebiet des heutigen Bayerns. Spätestens seit 981 sind Juden in der Stadt belegt. "Im Verständnis führender Erzbischöfe der damaligen Zeit gehörte die Präsenz von Juden zu einer bedeutenden Stadt. Sie legten mit ihrer Anwesenheit Zeugnis für die christliche Wahrheit und damit für die Heiligkeit einer Stadt ab - so wie im heiligen Rom auch Juden lebten", sagt Haverkamp-Rott. Bischof Wolfgang von Regensburg (Amtszeit 972-994) soll damals einer Reformbewegung angehört haben, die diese Auffassung vertrat. Deshalb habe er in Regensburg Juden angesiedelt.

Jüdisches Zentrum in Mitteleuropa

Ab dem 11. oder 12. Jahrhundert entwickelte sich die jüdische Gemeinde Regensburg zu einer der größten im damaligen Mitteleuropa. Sie war Heimat berühmter jüdischer Gelehrter, zu denen Schüler aus dem gesamten deutschen Sprachraum kamen. Die Synagoge am Neupfarrplatz war von 1150/1160 bis 1519 - also mehr als drei Jahrhunderte lang - ein bedeutendes Zentrum jüdischer Lehre und Gerichtsbarkeit, neben den großen rheinländischen Gemeinden in Mainz, Speyer und Worms.

Weltberühmte Rabbiner

In Regensburg lehrten so berühmte Rabbiner wie Jehuda heChassid, der Ende des 12. Jahrhunderts aus Speyer nach Regensburg kam. Sein "Sefer Chassidim" (Buch der Frommen) ist bis heute unter religiösen Juden weltberühmt und bietet Einblick in den jüdischen Alltag dieser Zeit. Auch der Reisebericht des Petachja aus Regensburg, der fast durch die gesamte jüdische Welt gereist war, vom Balkan nach Bagdad und bis ins Heilige Land, gehört zu den bedeutendsten des Mittelalters.

Regensburger Synagoge

"Außerdem besaß Regensburg diese wichtige und schöne Synagoge, von deren Aussehen die Nachwelt nur wusste, weil Albrecht Altdorfer kurz vor ihrer Zerstörung noch zwei Kupferstiche anfertigte",

erläutert der Münchner Historiker Michael Brenner, Inhaber des Lehrstuhls für jüdische Geschichte und Kultur an der LMU München. Jehuda heChassid gab die Synagoge wohl 1217, kurz vor seinem Tod, in Auftrag. Die Menschen sahen in ihm einen Mann, der von christlicher und jüdischer Seite respektiert wurde.

Diskriminierung und Ausgrenzung

Brenner weist darauf hin, dass die jüdische Religion Ursache für ihre gesellschaftliche Stellung war, die immer mit einem anderen verknüpft wurde. Zugleich war sie auch der Grund dafür, dass das Judentum als kleine Gruppe über die Jahrtausende überhaupt überleben konnte. "Das Christentum hat in der Regel dazu aufgerufen, Juden zu tolerieren - in dem Sinne, dass sie überleben und ihre Religion ausüben durften. Gleichzeitig waren sie aber diskriminiert und ausgegrenzt", sagt Brenner. "Es war gerade die Nähe, die zu dem Bedürfnis führte, sich abzugrenzen, insbesondere vonseiten des Christentums als der jüngeren Glaubensgemeinschaft."

Letzte große Gemeinde Bayerns

Über Jahrhunderte schützte Regensburg seine Juden vor tödlichen Verfolgungen. Zum Beispiel gab es in fast allen Orten des Reichs während der Pestepidemie in der Mitte des 14. Jahrhunderts Pogrome gegen Juden, nicht aber in Regensburg. Als diese dann im Jahr 1519 vertrieben wurden, war die Regensburger jüdische Gemeinde die letzte große auf dem Gebiet des heutigen Bayerns. "Alle anderen waren bereits während des 15. Jahrhunderts aus dem bayerischen Raum vertrieben worden", sagt Brenner.

Flucht nach Sulzbach oder Polen

Die meisten Juden seien damals nach Polen geflüchtet, wo sie unter dem Schutz des Königs standen, der den Mittelstand in seinen Städten stärken wollte. Andere hätten sich in der Nähe, in kleineren Herzogtümern angesiedelt: Pfalzgraf Christian August, Herzog von Pfalz-Sulzbach, war so ein toleranter Herrscher. Er erlaubte 1666 die Ansiedlung von Juden in seinem Territorium, "weil er sich für jüdische Mystik interessierte, die er christlich interpretierte", sagt Brenner. Der Pfalzgraf ließ hier eine bedeutende hebräische Druckerei gründen. Unter seiner Regentschaft entwickelte sich Sulzbach zu einem geistigen Zentrum. Zu seinem Territorium gehörte auch die Marktgemeinde Floß, auch in ihr entwickelte sich reges jüdisches Leben.

Jeans aus Franken

Aber es gab auch viele kleine Ortschaften mit kleineren Landesherrn in Franken und Schwaben, in denen jüdisches Leben in der frühen Neuzeit kontinuierlich bestand. "Als Bayern 1806 zum Königreich wurde, waren die großen jüdischen Gemeinden oft in kleinen Orten wie Ichenhausen, Buttenwiesen oder Buttenheim, aus dem auch Levi Strauss, der spätere Jeans-Erfinder, stammte", sagt Brenner. Die größte jüdische Gemeinde im damaligen Königreich bestand in Fürth.

1912: Neue Synagoge

Nach der Vertreibung siedelten sich in Regensburg erst ab dem 18. Jahrhundert wieder Juden an. Um 1870/80 lebten bereits wieder etwa 500 Juden in der Stadt. 1912 wurde auch eine neue Synagoge gebaut, die von dem erstarkenden Selbstbewusstsein der Regensburger Juden zeugte, sagt Brenner. Der damalige Rabbiner, Seligmann Meyer, gab die überregional bekannte "Deutsch-israelitische Zeitung" heraus und rief 1919 dazu auf, die Bayerische Volkspartei zu wählen, "weil orthodoxe Juden wie die Katholiken für Konfessionsschulen waren". Für Brenner ist jüdische Geschichte mehr als nur Verfolgungsgeschichte. "Es gibt auch diese Geschichte der Koexistenz über ein Jahrhundert hinweg, vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis 1933."

Vernichtung und Neubeginn

Umso tragischer, dass auch diese nicht lange währte: 1938 wurde die Synagoge in der Schäffnerstraße niedergebrannt. Die meisten Juden wurden in das Durchgangslager Piaski und von dort weiter in die Vernichtungslager Belzec und Auschwitz deportiert. Erst 500 Jahre nach der Vertreibung, seit Februar 2019, hat Regensburg wieder eine neue Synagoge. Mit mehr als 1000 Mitgliedern gehört die jüdische Gemeinde wieder zu den großen in Bayern.