Mit einem Brandbrief haben sich die Landes-Eltern-Vereinigung an Gymnasien (LEV) und der Bayerische Elternverband (BEV) am Montag an Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) gewandt.

Die Verbände beklagen, dass die zweite Pandemie-Welle bayernweit "viele Familien in die Knie" zwinge und etliche Kinder Gefahr liefen, "vollends abgehängt zu werden".

Der angegriffene Kultusminister antwortet per Pressemitteilung: Offene Briefe zu schreiben sei "befremdlich" - in zwei Tagen seien Elternvertreter schließlich zum Schulgipfel eingeladen. Die "Schulfamilie" müsse "in dieser Krise zusammenhalten", mahnte er.

Inhalte des Schreibens

Die Verbände erheben in dem vierseitigen Offenen Brief Vorwürfe gegen das Kultusministerium und fordern von der Staatsregierung angesichts der momentanen Pandemielage "eine Bildungspolitik, die Erziehungspartnerschaft wirklich lebt und nicht nur davon redet".

LEV und BEV fordern, "sofort den Stoff aller Lehrpläne" zu priorisieren. Was mangels Präsenzunterricht nicht mehr behandelt werden kann, "muss in dieser Situation aus dem Lehrplan fallen".

Dass viele Schülerinnen und Schüler noch Stoff des letzten Schuljahres, als es flächendeckende Schulschließungen gab, nachholen müssten, werde nicht berücksichtigt.

Bayerns Elternverbände fordern, dass "systematische landesweite Lernstandserhebungen" ohne Notengebung stattfinden müssen.

Nur so könne herausgefunden werden, was an Stoff aus dem vergangenen Jahr bei den Schülerinnen und Schülern unter den Bedingungen der ersten Welle angekommen ist: "Nur weil etwas online abgehandelt wurde, ist es nicht gelernt."

Arbeitsblätter zu versenden, verdiene die Bezeichnung "Unterricht" nicht. Der Leistungs- und Bildungsstand des einzelnen Schülers hänge in der Pandemie "mehr denn je" davon ab, wie die Eltern ihr Kind unterstützen und fördern könnten.

Entlastung der Familien

Beide Verbände fordern außerdem einen sozialen Nachteilsausgleich für Schülerinnen und Schüler aus sozial schwachen sowie bildungsfernen Familien.

Eltern seien in Bayern "als Nachhilfelehrer die tragende Säule der Schulen". Mehr als 61 Prozent der Bayern sagten schon vor Corona, dass von den Schülern im Freistaat zu viel verlangt werde - dies sei der bundesweite Negativrekord.

Viele Eltern könnten dies aber angesichts ihrer familiären oder auch wirtschaftlichen Lage nicht leisten. Anstatt auf diese Situation einzugehen, werde der Druck aber noch erhöht und "geprüft, was die rote Tinte hergibt", beklagen die beiden Verbände.

Die Reaktion Piazolos

Piazolo stellte sich "klar gegen die unverhältnismäßige Ballung von Leistungserhebungen" an den Schulen. Kinder sollten "gerade in diesen schwierigen Zeiten in der Schule aufgefangen werden und eventuell bestehende Lücken schließen können".

Zum "Notensammeln" gebe es keinen Grund, deshalb habe sein Ministerium bereits nach einigen Klagen über zu viele Prüfungen die Schulaufsicht gebeten, "die Situation an den Schulen genau zu beobachten und gegenzusteuern".

Dies hätte man mit den beiden Elternverbänden bei direkter Nachfrage im Ministerium schnell klären können. Offene Briefe seien da unnötig.

Forderungen hinsichtlich eventueller Schulschließungen

Sollte es wieder zu einem Wechsel von Präsenz- und Distanzunterricht oder gar einer völligen Schulschließung kommen, müssten die Schulen diesmal besser aufgestellt sein, fordern die Verbände.

Für Familien sei es essenziell, dass im Online-Unterricht die Aufgaben für die jüngeren Schüler nicht erst ab 8 Uhr morgens für denselben Tag hochgeladen werden - spätestens am Vorabend müsse dies geschehen, damit Eltern die Möglichkeit hätten, ihren Kindern die Materialien zur Verfügung zu stellen und bei Bedarf erläutern zu können, hieß es.

Das Kultusministerium müsse "die Nöte und Anliegen" der Eltern endlich ernst nehmen.