Viele Medien veröffentlichen zum Jahresende die "Trends und Themen des Jahres". Im Bereich von Kirche und Diakonie ist dies bislang eher unüblich. Das wollen wir ändern. In unserer kleinen Umfrage haben wir Personen aus dem kirchlichen Umfeld gefragt, welche globalen und gesellschaftlichen Trends sie gerade beschäftigen und mit welchen Themen sie sich im Jahr 2024 vorrangig beschäftigen wollen. Hier sind ihre Antworten. – Welche Themen und Trends beschäftigen Euch? Schreibt es uns in die Kommentare!
Klimagerechtigkeit, Migration und Frieden
Welche globalen und gesellschaftlichen Trends beeinflussen Ihre Arbeit 2024?
Die Suche nach einem friedlichen Miteinander werden uns 2024 sicherlich noch weiter beschäftigen. Wir haben uns viel zu sehr an einen Sprache der Gewalt, Hass und Krieg gewöhnt. Die Suche nach Frieden und Versöhnung hat es hier schwer. Sie sind aber gerade im Rahmen der internationalen kirchlichen Beziehungen grundlegend und werden hier exemplarisch gelebt. Dass werden wir 2024 immer wieder als positives und konstruktives Beispiel in der Öffentlichkeit deutlich machen müssen.
Daneben ist es die Frage der Klimagerechtigkeit, die bei allen anderen Krisen immer dringender wird. Dabei geht es nicht nur um ein verstärktes Engagement für den Umweltschutz, sondern besonders um die Frage, wie diese Bemühungen auch zu einem gerechteren Miteinander in der Welt führen können – sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene.
Ein drittes Thema ist die Frage der Migration: Wir erleben hier, in den Ländern unserer Partnerkirchen oft ein sehr viel offenerer Umgang mit diesem Thema. Migration wird nicht als Bedrohung oder Gefahr gesehen, sondern als Chance und Bereicherung. Als Institution mit einer großen interkulturellen Expertise, möchte wir hier auch in unserem Kontext zu einer Versachlichung und positiveren Sichtweise dieses Themas beitragen.
Welche Themen und Projekte starten Sie 2024?
Auch 2024 wird das Thema Klimagerechtigkeit unser Schwerpunktthema sein. Das hat 2023 mit der Behandlung des Themas auf der Tagung der Dekanats Beauftragten für Mission, Partnerschaft und Entwicklung begonnen, und wird sich in 2024 bei der Internationalen Summerschool und anderen Veranstaltungen fortführen. Dabei geht es uns auch um einen Perspektivwechsel. Es ist immer wieder ermutigend wahrzunehmen, was auf dem Gebiet des Klimaschutzes und der Klimagerechtigkeit in unseren Partnerkirchen geschieht. Auch darüber wollen wir im kommen Jahr berichten, und uns so für unser eigenes Engagement ermutigen und anspornen lassen.
(Hanns Hoerschelmann, Mission EineWelt)
Gefährdung der Demokratie, Solidarität
Welche globalen und gesellschaftlichen Trends beeinflussen Ihre Arbeit 2024?
Als Diasporawerk mit Partnerkirchen u.a. in Russland, Argentinien und Ungarn werden wir uns mit der Stabilität bzw. der Gefährdung von Demokratien zu befassen haben. Wir werden Einsichten und Strategien unserer Partnerkirchen zum Schutz der Demokratie in Deutschland bekannt machen und unsere Partner in – gegebenenfalls kritischer – Solidarität begleiten.
Welche Themen stehen bei Ihnen im Jahr 2024 im Vordergrund?
Nach der Vertreibung der armenischen Bevölkerung aus Berg Karabach benötigt unsere armenische Partnerkirche verstärkt Unterstützung bei der Unterbringung und Versorgung der geflüchteten Menschen.
Werksintern werden wir nach Wegen suchen, wie auch jüngere Menschen für die Diasporaarbeit gewonnen werden können, damit das Werk seinen Auftrag weiterhin erfüllen kann.
Martin Dutzmann, Präsident des Gustav-Adolf-Werkes der EKD
Gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken
Welche globalen Trends beschäftigen Sie 2024?
Aktuell beschäftigt viele Bildungsverantwortliche – mich eingeschlossen – die Frage, wie wir durch unsere Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in Schulen und anderen Bildungsorten den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken können.
Gewalt und kriegerische Konflikte polarisieren unsere Gesellschaft und das wirkt auch in unsere Schulen hinein. Demokratiebildung ist deshalb unser Jahresthema im RPZ Heilsbronn. Bei Tagungen und in unseren beruflichen Netzwerken suchen wir miteinander nach Strategien, wie wir die Achtung für der Würde des Menschen, Respekt vor dem Andersdenkenden und Toleranz im Zusammenleben stärken können. Der Religionsunterricht und die Bildungsarbeit der evang. Kirche leistet dazu einen wichtigen Beitrag.
Welche Themen stehen bei Ihnen im Jahr 2024 im Vordergrund?
- Demokratiebildung und unser Beitrag als evangelische Kirche für den gesellschaftlicher Zusammenhalt
- Extremismusprävention und Stärkung der Zivilgesellschaft und der demokratischen Institutionen
- Verantwortlicher Umgang mit Digitalisierung (Social media und KI)
Jürgen Belz, Direktor Religionspädagogisches Zentrum Heilsbronn
Streit um Sozialleistungen, Bürgergeld, Fachkräftemangel
Die wichtigsten Trends des Jahres 2024?
Angesichts der Haushaltslöcher rechne ich 2024 mit heftigem politischen Streit um die Sozialleistungen. Der Anstieg des Bürgergeldes zum 1. Januar war schon im Vorfeld Anlass einer giftigen Debatte, in der behauptet wurde, dass Erwerbstätige massenweise ihre Arbeitsstellen für ein Leben im Bürgergeld kündigen würden – was nachweislich überhaupt nicht stimmt. Beim Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt haben wir viel mit prekär beschäftigten oder arbeitslosen Menschen zu tun und machen uns für sie stark.
Mit unserem Online-Spiel "Bürgergeld-Bingo" (www.buergergeld-bingo.de) zeigen wir, wie knapp und lückenhaft das Existenzminimum für Millionen Erwachsene und Kinder in Deutschland tatsächlich immer noch ist. Als Mitglied des Beirates im Jobcenter München ist es mir wichtig, darauf zu achten, ob 2024 das Förderversprechen der Bürgergeld-Reform endlich umgesetzt wird. Langzeitarbeitslose, prekär Erwerbstätige oder Alleinerziehende brauchen Empowerment, keine Strafen.
Welche Themen und Projekte stehen bei Ihnen im Jahr 2024 im Vordergrund?
Im Januar beginne ich mit einer kirchlichen Arbeitsgruppe auf Bundesebene das Projekt "Migration bewegt uns". Wir führen Gespräche mit Menschen, die Arbeitsmigration erleben und umsetzen – zuallererst mit Migrantinnen und Migranten selbst, aber auch mit Personen aus Behörden, Unternehmen, Verbänden und Politik. Wir beleuchten dabei einen Prozess, an dem die demografische Zukunft hängt.
Die Wirtschaft braucht jährlich mindestens 400.000 zusätzliche Arbeitskräfte aus dem Ausland, sonst werden bald ganze Branchen, etwa die Pflege oder die Gastronomie, zusammenbrechen. Wie Arbeitsmigration in der Praxis gelingt oder woran sie scheitert, werden wir mit unseren Interviews dokumentieren und in einem Blog veröffentlichen. Wir wollen dabei zeigen, dass es um mehr geht als nur um die Besetzung offener Arbeitsstellen. Es kommen Menschen, keine Verfügungsmasse. Unser Land sollte die Einwanderung also auch menschlich gestalten.
Philip Büttner, Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt (kda)
Welche globalen und gesellschaftlichen Trends beeinflussen Ihre Arbeit 2024?
Auf globaler Ebene sind es die großen Krisen, die unsere Arbeit mittelbar beeinflussen werden. Kriege, Umweltzerstörung und Klimawandel werden zu immer größeren Verwerfungen führen die sich dann auch bei uns auswirken wie eine immer größer werdende Schere zwischen Arm und Reich (auch bei uns), noch größere Migrationsbewegungen usw. Auch wenn Europa versuchen wird sich abzuschotten, so werden doch mehr Menschen zu uns kommen die Unterstützung in unterschiedlichster Art benötigen. Die gesellschaftlichen Spannungen werden steigen. Arbeitskräftemangel ist ein Thema das uns weiter beschäftigen wird und das in seinen Auswirkungen auf unsere Gesellschaft immer noch nicht hinreichend wahrgenommen wird. Der Sozialstaat, so wie wir ihn kennen und damit der gesellschaftliche Frieden sind gefährdet. Wir reagieren einerseits darauf indem wir diese Dinge unermüdlich und klar thematisieren und andererseits indem wir versuchen im Rahmen unserer Möglichkeiten Auswirkungen abzufedern, z.B. durch Projekte zur Fachkräftegewinnung im Ausland.
Welche Themen stehen bei Ihnen 2024 im Vordergrund?
Das Wichtigste wird sein auch im nächsten Jahr genügend Menschen zu finden, die bei uns mitarbeiten wollen (s.o.). Neben der bereits erwähnten Gewinnung von Fachkräften aus dem Ausland wird es darum gehen die Arbeitsbedingungen hier bei uns so zu gestalten und immer wieder anzupassen, dass es für Menschen attraktiv und leistbar bleibt im sozialen Bereich zu arbeiten. Die Rummelsberger Diakonie steht auch vor einem Jahr, in dem (hoffentlich) gleich zwei neue Menschen in den Vorstand kommen werden. Das wird unsere Arbeit beeinflussen.
(Peter Barbian, Leiter der Rummelsberger Brüderschaft)
Kommentare
Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.
Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.
Anmelden