Das Thema Homosexualität in der Kirche wird seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert. Innerhalb der evangelischen Kirche in Deutschland wird je nach Landeskirche sehr unterschiedlich mit dem Thema umgegangen. In unserem Sonntagsblatt-Spezial findet Ihr Antwort auf die wichtigsten Fragen:
Wo gibt es eine Trauung und Segnung gleichgeschlechtlicher Paare?
2017 wurde die Ehe für alle im Bundestag beschlossen. Daraufhin haben viele Paare ihre eingetragene Lebenspartnerschaft in eine Ehe umwandeln lassen.
Jede evangelischen Landeskirche regelt die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare für sich selbst. In den meisten Landeskirchen sind gleichgeschlechtliche und heterosexuelle Paare komplett gleichgestellt. Die Segnung ist mittlerweile fast überall möglich.
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Evangelische Landeskirche Baden: Als erste Kirche in Deutschland hat sich die Evangelische Landeskirche in Baden 2016 die ´"Gleichwertigkeit gleichgeschlechtlicher Liebe, Sexualität und Partnerschaft" anerkannt. Gleichgeschlechtliche Paare können sich in einem öffentlichen Gottesdienst trauen lassen. Die Amtshandlung wird in das Kirchenbuch eingetragen.
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Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz: In der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz gibt es seit 2016 Gottesdienste zur Trauung von gleichgeschlechtlichen Paaren. Pfarrer und Pfarrerinnen können dies aus Gewissensgründen ablehnen.
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Evangelisch-lutherische Landeskirche in Braunschweig: Seit 2022 ist eine kirchliche Trauung unabhängig von der Geschlechtsidentität und sexueller Orientierung möglich.
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In der Bremische Evangelische Kirche entscheiden die Gemeinden autonom. Es gibt Gemeinden, die öffentliche Segnungen und gleichgeschlechtliche Paare im Pfarrhaus gestatten, und Gemeinden, die beides verbieten. Segnungen werden als Amtshandlung in ein gesondertes Kirchenbuch eingetragen
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Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannover: Hier gibt es seit 2019 für homosexuelle Paaren die Möglichkeit zur kirchlichen Trauung.
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Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau: Seit 2013 ist die Segnung der traditionellen Trauung gleichgestellt.
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Evangelische Kirche Kurhessen-Waldeck: Hier ist die Trauung gleichgeschlechtlicher Paare in einem öffentlichen Gottesdienst möglich. Die Segnung ist seit 2011 möglich.
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Lippische Landeskirche: Seit 2019 gibt es hier eine Gleichbehandlung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern und verheirateten Paaren. Die Trauung von gleichgeschlechtlichen Paaren wird in die Kirchenbücher eingetragen. Seit 2015 ist eine Segnung möglich.
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Die Nordkirche: Hier gibt es die Segnung seit 2014, seit 2019 wird von Trauung gesprochen.
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Evangelisch-lutherische Landeskirche in Oldenburg: Eine Trauung für homosexuelle Paare ist seit 2018 möglich.
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Evangelischen Kirche der Pfalz: Seit 2019 gibt es hier eine Trauung.
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Die Evangelische Kirche im Rheinland: Seit 2016 gibt es hier die Trauung und eine Gleichbehandlung von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern und verheirateten Paaren.
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Evangelische Kirche von Westfalen: Hier ist die Trauung seit 2019 mit der Ehe zwischen Mann und Frau gleichgestellt.
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Evangelische Kirche in Mitteldeutschland: Hier werden homosexuelle Paare nicht überall mit heterosexuellen Paaren gleichgestellt. Allerdings können Gemeinden und Pfarrer vor Ort entscheiden, wie sie es handhaben wollen.
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Evangelische Landeskirche in Anhalt: Hier sind Segnungen möglich. Die Entscheidung darüber treffen der Gemeindekirchenrat und das Pfarramt.
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Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern: Hier ist seit 2018 die Segnung von homosexuellen Paaren erlaubt.
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Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens: Seit 2016 sind Segnungen von Paaren möglich, werden aber nicht als Trauung verstanden.
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Evangelisch-Lutherische Landeskirche Schaumburg-Lippe: Eine Segnung im Gottesdienst ist seit 2020 möglich.
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Landeskirche in Württemberg: Seit 2020 ist eine Segnung möglich. Bundesweit einmalig ist, dass in dem vom Kirchenparlament verabschiedeten Gesetz auch schon Personen des "dritten Geschlechts" einbezogen sind.
Wo gibt es ein Schuldbekenntnis gegenüber queeren Menschen?
Die Synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) hat als einzige Landeskirche ein Schuldbekenntnis gegenüber queeren Menschen ausgesprochen. "Lesben, Schwule, Trans- und Intersexuelle haben in Gemeinden und Einrichtungen der EKHN Diskriminierung erfahren", heißt es in dem Schuldbekenntnis. Die Kirche habe die Würde von Gottes Geschöpfen verletzt, indem sie sich in der Vergangenheit einseitig auf ein "letztlich patriarchales Familienmodell" mit Vater und Mutter bezogen habe. Entsprechende Äußerungen seien auch dann als Irrtum zu bezeichnen, wenn die Rechtsprechung seinerzeit noch diskriminierende Bestimmungen enthielt oder das Anliegen dem Schutz von Ehe und Familie galt. Menschen seien dadurch schwere Verletzungen zugefügt, und ihnen sei die geistliche Heimat in der Kirche genommen worden. "Alle, denen wir damit Unrecht getan haben, bitten wir um Vergebung", heißt es in der Erklärung.
"Wir glauben heute: Homosexualität, Bisexualität, Trans- und Intersexualität, non-binäre und queere Lebensformen sind ein Teil der Schöpfung", bekräftigten die Synodalen. Im Glauben an Jesus Christus seien Menschen mit all ihren Unterschieden erlöst und verbunden. Die EKHN verpflichte sich, "die bestehende Vielfalt von Geschlechtern, unterschiedlicher sexueller Orientierung und Lebensweisen anzuerkennen und zu fördern". Darüber hinaus verpflichte sich die Kirche, in der kontroversen Debatte mit anderen Kirchen der Ökumene für die Anerkennung dieser Vielfalt einzutreten. Kirchenpräsident Volker Jung nannte die Annahme der Erklärung "sehr bewegend". "Ich hoffe sehr, dass von dem Schuldbekenntnis wirklich Signale ausgehen", sagte er.
Benötigen queere Menschen sichere Orte in der Kirche?
Die evangelische Hochschulpfarrerin Kerstin Söderblom hat beim Deutschen Evangelischen Kirchentag 2023 in Nürnberg von der evangelischen Kirche gefordert, "queersensible Seelsorge" zu stärken und sichtbarer zu machen. Bis heute würden immer noch queere Menschen in Gemeinden Hilfe suchen, die mit Verletzungen und Mobbing Erfahrungen gemacht hätten, sagte die Mainzer Pfarrerin bei einem Podium im "Zentrum Geschlechterwelten und Regenbogen". "Es muss deutlich werden, dass sie bei uns sichere Orte bekommen", sagte Söderblom.
Engagiert sich die Kirche beim Christopher Street Day (CSD)?
Viele Gemeinden, Pfarrerinnen und Pfarrer zeigen inzwischen bundesweit Sichtbarkeit beim Christopher Street Day. Die Münchner Lukaskirche bietet seit vielen Jahren einen Gottesdienst an. 2023 hat sich die evangelische Kirche erstmalig mit einem eigenen Truck am Frankfurter Christopher Street Day (CSD) beteiligt. "Here and Queer - auch wir" stand in großen Lettern an der Längsseiten des Lkw, auf dem Pfarrerinnen und Pfarrer sowie Gemeindemitglieder mitfuhren.
Was ist die Regenbogen-Initiative der Kirchen?
Inzwischen engagieren sich bundesweit evangelische Gemeinden und solidarisieren sich. Mit sogenannten Regenbogen-Initiativen machen sie öffentlich kenntlich, dass es für sie selbstverständlich ist, dass Menschen aus dem "Regenbogenspektrum" zur Kirchengemeinde gehören. Dazu gehört, in Stellenausschreibungen deutlich zu machen, dass sich lesbische, schwule, transsexuelle, transidente und Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung bewerben sollen.
Welche Organisationen machen sich für das Thema Homosexualität stark?
Eine der ersten Einrichtungen, die sich für das Thema Homosexualität in der evangelischen Kirche stark gemacht hat, ist die "Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK)". Dieser Zusammenschluss will sich kritisch und konstruktiv mit sexueller Vielfalt und Kirche auseinandersetzen. Die Arbeitgruppe HUK berät andere Menschen und organisiert Tagungen, ist aktiv bei Kirchentagen oder sorgt mit Publikationen für Öffentlichkeit.
(mit Material von epd)
Kirche & Queer: Ein Lexikon
Der Begriff "queer" steht für Personen, deren sexuelle Orientierung nicht heterosexuell ist, sowie Geschlechtsidentitäten, die nichtbinär oder nicht-cisgender sind. In unserem Sonntagsblatt-Lexikon erklären wir die Begriffe – und erläutern, wie die evangelische Kirche zum Thema steht; oder wir stellen Personen vor, die sich mit einem der Begriffe identifizieren.
Hier geht es zum Sonntagsblatt-Lexikon "QUEER".
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