Der Comiczeichner Ralph Ruthe schreibt in einem Instagram-Post, dass er sich dafür entschuldigen möchte, dass er Menschen durch seine Beiträge verletzt und getriggert habe. Er sei durch den Blickwinkel seiner Leser*innen mit Sexismus und Rassismus in seinen Werken konfrontiert worden, was ihn beschäme.

In den 90er Jahren, als er als Humorschaffender begonnen habe, sei die Vorgabe gewesen: "möglichst krass, edgy, Grenzen überschreiten". Es wäre damals normal gewesen, Witze auf Kosten von Minderheiten zu machen.

Es scheint, als stecken manche Humorschaffende noch in dieser Zeit fest oder trauern ihr hinterher. Schmunzel-Dinosaurier wie Thomas Gottschalk oder Dieter Hallervorden sehen sich als Opfer von "Cancel Culture", wenn sie sich politisch inkorrekte Begriffe nicht verbieten lassen möchten und trauern dem gepflegten Herren(!)witz hinterher.

Sie haben sich halt ihre Spaß-Sporen in Zeiten verdient, als Sexismus und Minderheiten-Witze für sichere Lacher sorgten. Witze sind aber nicht zeitlos. Worüber man sich zur Kaiserzeit amüsierte, bis Pickelhaube und Tropenhelm wackelten, muss nicht mehr zwangsläufig gut sein.

Selbstironisch, menschenfreundlich und reflektiert

Anspruchsvoller Humor heute, wie der des südafrikanischen Comedians Trevor Noah, erlaubt sich entweder Minderheiten-Selbstironie mit großer Liebe zu den eigenen Besonderheiten oder ist verantwortungsvoll, menschenfreundlich und reflektiert, um nicht missverstanden zu werden. Und trotzdem sehr, sehr witzig.

Damals in den 90ern sangen Hape Kerkeling und Heinz Schenk gemeinsam "Witzschkeit kennt keine Grenzen". 30 Jahre später setzen sich verantwortungsvolle Humorschaffende selbst Grenzen, um nicht missverstanden zu werden.

Horror-Geschichten wie die von Gerhard Polt, der nach einer TV-Sendung von einem ehemaligen SS-Mann zu einem Bier eingeladen wurde, weil er sich von ihm bestätigt gefühlt habe ("Großartig, dass sie sich so was im Fernsehen zu sagen trauen, und noch dazu bei dieser roten Sau, dem Hildebrandt."), sind in der heutigen politischen Lage für alle Humorschaffenden ein Mahnmal. Zu schnell können karikierende Figuren als voll und ernst genommen werden und nach dem Motto "Wenn der es im Fernsehen sagen kann, darf ich es auch sagen!" vom falschen Lager zitiert und als Propaganda verwendet werden.

So manches, was ich selbst früher witzig fand, ist inzwischen nur noch daneben, peinlich, geschmacklos und nicht zitierwürdig. Comedians, deren Witze auf Kosten von Minderheiten gehen, unterstütze ich nicht. Wenn ich ihre Programme sehe, wird mir manchmal schlecht. Gespannt und etwas besorgt blicke ich auf Michael "Bully" Herbigs angekündigten Film "Das Kanu des Manitu", ob er die alten Klischees und seichten Gags drischt und damit ein "Darüber wird man ja wohl noch einen Witz machen dürfen!" unterstützt oder mit Reflexion und Verantwortung überrascht.

Humor ist nicht zeitlos

Witze sind nicht zeitlos. Genauso wenig sind es manche Begriffe, über die immer wieder diskutiert wird und die man früher naiv verwenden konnte, die aber Menschen beleidigen und auf die verzichtet werden sollte. "Die Zeiten ändern sich und wir uns in ihnen" (Ovid).

Was bleibt ist der Humor an sich – ob man augenzwinkernd und lustig in die Welt schaut oder verdrießlich und negativ. Ein guter Grundhumor bleibt, hilft, nimmt vieles leicht und lässt Witze auch hinterfragen und darauf verzichten. Und wo Witze und Schenkelklopfer und Gags im Meer der Zeit untergehen, hat anderes Bestand:

"Es bleiben aber Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei. Die Liebe aber ist die größte unter ihnen." (1. Korinther 13,13).

Und mit diesen dreien im Gepäck macht man eben keine Witze und nutzt keine Begriffe, die andere verletzten und beleidigen.

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