Fast 2,5 Millionen Unterschriften sammelte innerhalb weniger Tage vor Weihnachten eine Petition auf der Internet-Kampagnenplattform change.org – gegen einen "Weihnachtsfilm". "Die erste Versuchung Christi" ist eine 46-minütige Satire der brasilianischen Komikertruppe Porta dos Fundus ("Hintertür"), die zu Beginn der Adventszeit von Netflix veröffentlicht wurde.

Der Titel ist angelehnt an "Die letzte Versuchung Christi" von Martin Scorsese aus dem Jahr 1988. Ansonsten hat der Klamauk wenig zu schaffen mit dem Meisterwerk des US-Regie-Genies. Das brasilianische Machwerk ist auch für deutsche Zuschauer abrufbar, mit portugiesischem Ton und deutschen Untertiteln: Jesu Familie schmeißt eine Überraschungsparty zu dessen 30. Geburtstag. Gott und die Heiligen Drei Könige sind dabei, Maria kifft, es geht alkoholisch und anzüglich zu. Und weil Jesus schwul ist, beruft er schließlich kein gemischtes Team fürs Evangelium (also eines, dem auch Frauen angehören), sondern nur Jünger.

Was wäre, kehrte Jesus heute zurück?

Auch brasilianische Politiker und Kirchenvertreter kritisierten die Produktion. Der Film sei "vulgär, blasphemisch und respektlos", schrieb der katholische Bischof des Bundesstaats Pernambuco, Henrique Soares da Costa, und gab an, er habe sein Netflix-Konto gekündigt. "Während der Zeit der Vorbereitung auf das Fest der Geburt des Herrn schlug Netflix allen Christen ins Gesicht, spuckte uns ins Gesicht und verspottete unseren Glauben." Der Kongressabgeordnete und älteste Sohn des rechtspopulistischen Präsidenten, Eduardo Bolsonaro, schrieb auf Twitter:

"Wir unterstützen die Meinungsfreiheit. Aber lohnt es sich, den Glauben von 86 Prozent der Bevölkerung anzugreifen?"

Er entschuldige sich dafür, dass der Film weltweit abrufbar sei. Dieser "Mist" repräsentiere nicht die brasilianische Gesellschaft. Andere Twitter-Nutzer stellten die Frage, warum Christen sich gefallen lassen müssten, wogegen sich andere Religionen entschieden wehren würden, oder ob Porta dos Fundus und Netflix nicht vielleicht auch einmal eine Mohammed-Parodie produzieren sollten.

Grund zur Aufregung hätte es schon länger gegeben. Bereits im Vorjahr veröffentlichte Netflix zur Weihnachtszeit einen ersten Jesusfilm der Gruppe: "The Last Hangover – der letzte Kater" heißt die Parodie, in der das letzte Abendmahl in einem Besäufnis endet und Jesus danach verschwunden bleibt. Erst Ende November haben die brasilianischen Komiker und Netflix dafür den renommierten Fernsehpreis Emmy erhalten.

Am 1. Januar startete auf Netflix zudem die neue Serie "Messiah".

Darin setzt die CIA-Agentin Eva Geller (Michelle Monaghan – "Gone Baby Gone", "Mission: Impossible") alles daran, einen mysteriösen Wundertäter und Heiler als Scharlatan zu entlarven. Immer mehr Menschen halten ihn für den wiedergekehrten Jesus. Es muss schnell gehen, denn dem vermeintlichen Heiland laufen die Menschen in Scharen nach. Mehr und mehr erschüttert die schiere Existenz dieses Messias alle wirtschaftlichen und sozialen Strukturen, hebt sie die Welt aus den Angeln.

"›Messiah‹ ist eine provozierende und spannende Thrillerserie, die die Macht von Einfluss und Glauben im Zeitalter sozialer Medien erkundet", verspricht Netflix. Zu sehen gab es vorab nur einen Trailer, der allerdings Spektakuläres versprach.

Die Grundidee ist tatsächlich spannend: Was wäre, kehrte Jesus in unseren Tagen wieder? Was würde er predigen? Was würde er zum Syrienkonflikt, zu Israel, zum Klimawandel sagen? Wer würde ihm glauben, ihm folgen – und wer nicht? Was wäre in den Medien, nicht zuletzt in den "Social Media" los?

Womöglich ist der Netflix-"Messiah" aber schon vor dem Serienstart selbst über die Social Media gestolpert. Des Arabischen mächtige Twitter-Nutzer machten als Erste auf die Bezeichnung der männlichen Hauptrolle aufmerksam: "al Massih", das arabische Wort für "Messias". Auch Muslime glauben an eine Wiederkehr Jesu. Doch nach islamischer Überlieferung wird vor dem Jüngsten Tag noch ein zweiter, falscher Messias erscheinen, um die Muslime zu verwirren und vom Islam abzubringen. Er ist bekannt als "al Massih ad-Daddschal" oder einfach "Daddschal" – arabisch für Täuscher, Betrüger, Schwindler.

Dumm also, dass während des Castings vor Beginn der Dreharbeiten die Hauptrolle offenbar mit der Bezeichnung "al Masih ad-Daddschal" ausgeschrieben war. Arabische Twitter-Nutzer, die darauf hinwiesen, wurden von Netflix gesperrt, worauf sich jeder selbst seinen Reim machen kann.

Es rumort und grummelt auch zu dieser Serie im Netz, aber diesmal nicht nur unter gläubigen Christen, sondern auch unter Muslimen.

Den "al Massih" spielt der relativ unbekannte Belgier Mehdi Dehbi (34), dessen Familie aus Tunesien stammt. Er trägt einen Vornamen mit einer zu seiner Rolle passenden Pointe: In der schiitischen Vorstellung vom Ende der Zeit heißt der echte Messias, der den Lügenmessias bekämpft, besiegt und tötet, nicht Jesus, sondern Mahdi (oder Mehdi).