Für Autofahrten im kirchlichen Kontext wird künftig ein Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen und 80 km/h auf Landstraßen empfohlen - so heißt es in einem Beschluss der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Die Umsetzung liegt bei den Geistlichen selbst, Eigenverantwortung lautet die Devise.
Zudem will die EKD die politischen Bemühungen um ein generelles Tempolimit von 120 km/h unterstützen. Begründet wurde diese Entscheidung mit dem Klimaschutz, "wir sind Lobby für die Schöpfung", so zum Beispiel der Synodale Christian Weyer aus der rheinischen Kirche.
Debatte um Bekenntnis zum Tempolimit
Die EKD gab diese Entscheidung auch über ihren offiziellen Twitter-Account bekannt und erntete damit außergewöhnlich viele Reaktionen und Kommentare. Der Post wurde, Stand Montagvormittag, über 2000 Mal gelikt und fast 2200 Mal kommentiert.
Zum Vergleich: Die Bekanntgabe eines Synodenbeschlusses zur Umsetzung der Treibhausgas-Neutralität in einem Post etwa zwei Stunden zuvor, wurde lediglich 40 Mal geliket und zählt 18 Kommentare.
Die #EKDSynode beschließt, politische Bemühungen um ein Tempolimit auf deutschen Straßen zu unterstützen. Das Tempolimit soll 120km/h nicht überschreiten.
— Evangelische Kirche (@EKD) November 9, 2022
Das Tempolimit: Ein Thema, das auf Twitter polarisiert
"Was hat die Kirche mit Tempolimit zu tun?", wurde unter dem ursprünglichen Post der EKD kommentiert und mehrfach angedeutet, die Kirche solle sich aus dem politischen Geschehen heraushalten.
Ein weiterer Twitter-Nutzer schrieb ironisch: "Sind auch wichtige theologische Fragestellungen, denen sich die EKD widmet" - und erhielt für seinen Kommentar eine Zustimmung von fast 200 Likes.
Auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) kommentierte die Entscheidung der EKD in dem sozialen Netzwerk: "Wenn Organisationen wie die #EKD sich für ein #Tempolimit entscheiden, dann mögen sie das tun. Wir leben in einem freien Land. Für die Bundesregierung gibt es jedenfalls keine Veranlassung, etwas an ihrer Haltung zu verändern. Ich halte ein Tempolimit nicht für erforderlich."
Wenn Organisationen wie die #EKD sich für ein #Tempolimit entscheiden, dann mögen sie das tun. Wir leben in einem freien Land. Für die Bundesregierung gibt es jedenfalls keine Veranlassung, etwas an ihrer Haltung zu verändern. Ich halte ein Tempolimit nicht für erforderlich. CL
— Christian Lindner (@c_lindner) November 10, 2022
Viral ging auch die Stellungnahme von Sabine Kropf-Brandau, Mitglied des Rates der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck und der Landessynode. Sie schrieb, sie könne den Beschluss der EKD nicht mittragen und werde ihn auch nicht umsetzen.
"Ich halte die Forderung für unangebracht", teilte sie in dem offiziellen Statement mit. Dahinter stehe ein moralisches Verständnis, das sie nicht teile:
"Wir sind in der Kirche nicht 'besser' als der Rest der Welt".
Manchmal verstehe sie "ihre Kirche" nicht mehr.
Manchmal verstehe ich meine Kirche nicht mehr. Was ich vom Tempolimit der #EKD halte: pic.twitter.com/pqJJ2X34IO
— Sabine Kropf-Brandau (@dieproepstin) November 12, 2022
Zustimmende Äußerungen
Doch neben Kritik gab es auch positive Stimmen zur Tempolimit-Empfehlung der EKD.
So kommentierte ein Twitter-Nutzer, es sei unabdingbar, dass die Kirche gesellschaftliche Verantwortung lebe und appellierte zugleich an die katholische Kirche, diesen Schritt ebenfalls zu unterstützen. Ein weiterer lobte die Bedeutung für den Klimaschutz.
Auch Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, begrüßte den Entschluss der Kirche, auch wenn er ihm nicht weit genug gehe: "Ich hätte mir ein konsequentes Aussprechen für ein Tempolimit 100 gewünscht. 120 bringt einen kleinen Beitrag für den Klimaschutz. Das reicht nicht. Aber 100 verdreifacht die Wirkung beim Senken der CO₂-Emissionen", sagte Resch dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Annette Kurschus: "Das geht nach hinten los"
Die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus schien sich der Sensibilität des Themas bereits während der Synode bewusst gewesen zu sein. So war im ursprünglichen Antrag noch ein allgemeines, verpflichtendes Tempolimit gefordert worden. Kurschus warnte daraufhin davor, dass die evangelische Kirche "zu sehr mit einem moralischen Ton" auftrete. "Das geht nach hinten los", sagte sie. Und:
"Dann sind wir wieder die, die als Moralisten dastehen",
Sie empfahl daher, die Selbstverpflichtung für Dienstfahrten zu betonen und beim allgemeinen Tempolimit auf die politischen Bemühungen zu verweisen - und setzte sich damit auch durch.
Irreführende Medienberichte
"Nach hinten los" ging die Kommunikation insofern dennoch, dass einige deutsche Medien die Empfehlungen der EKD zumindest in ihren Artikelüberschriften als strenge Beschlüsse betitelten und die Diskussion damit befeuerten.
So überschrieb Der Spiegel seinen Artikel online mit: "Evangelische Kirche beschließt Tempolimit für Dienstfahrten", tagesschau.de titelte: "Tempolimit für kirchliche Dienstfahrten" und das Redaktionsnetzwerk Deutschland meldete: "Tempolimit für Autofahrten im Kirchen-Kontext beschlossen". Dass es sich dabei um eine Empfehlung handelt, war somit aufs Erste nicht herauszulesen.
EKD-Synode
Dem Beschluss der Synode war laut eigener Aussage eine kontroverse Debatte vorausgegangen. Scheint, als würde diese nun von der Öffentlichkeit fortgesetzt.
Mit Material des Evangelischen Pressedienstes (epd)