Wer mit Johanna Pille übers Protestieren spricht, hat den Eindruck, hier ist ein Profi am Werk. Detailliert berichtet sie von den Vorbereitungen für eine Demonstration im Frühjahr dieses Jahres.
Von den Absprachen mit der Polizei, den Telefonaten mit der zuständigen Behörde, Flyer verteilen und Plakate kleben in der Stadt. "Das kostet ganz schön Zeit", sagt die Klimaaktivistin, "aber es lohnt sich."
Vor gut einem Jahr rief die 14-jährige Schülerin zusammen mit ihren Freundinnen Anneli Willam und Johanna Fuchs eine Ortsgruppe der bundesweiten Klimaschutz-Bewegung "Fridays for Future" (FFF) in ihrem Heimatort Hilpoltstein ins Leben. Esther Reidner aus Roth, eine Freundin der Truppe, gründete in der benachbarten Kreisstadt einen weiteren Ableger.
Corona machte den Jugendlichen einen Strich durch die Rechnung
Ihre erste gemeinsame größere Aktion, die Demonstration im Frühjahr, mussten die Jugendlichen Corona-bedingt kurzfristig absagen. "Das war ein ziemlicher Rückschlag", sagt Johanna Pille. "Es sollte unsere erste richtige Demo werden, wir haben viel vorbereitet, Werbung gemacht."
Auf dem Rother Marktplatz wollten sich die Klimaschützer versammeln - natürlich unter Beachtung der geltenden Hygiene-Auflagen.
Dann, wenige Stunden vor Beginn der Veranstaltung, plötzlich die Order: zu hohes Risiko. Ähnlich erging es der Gruppe dann im Herbst: Kurz vor dem angesetzten Demo-Termin stiegen die Infektionszahlen im Landkreis an, sicherheitshalber wurde erneut abgesagt.
Die Corona-Einschränkungen ließen neue Formen des Protestes entstehen
Doch die jungen Aktivistinnen ließen sich nicht entmutigen, entwickelten andere Formen des Protestes - ohne große Menschenansammlungen. "Wir haben eine Mini-Demo hier in Hilpoltstein an einer Kreuzung angemeldet. Zehn oder zwanzig Personen, verteilt am Straßenrand." Schaltete die Fußgängerampel auf Grün, liefen die Jugendlichen hintereinander über die Straße.
Die Botschaften auf ihren selbstgemalten Plakaten richteten sich an die wartenden Autofahrer. "Du kannst auch Fahrrad fahren!" hieß es da, oder: "Glotz nicht, tu was."
"Ein paar der Autofahrer haben sich demonstrativ weggedreht, manch einer hat uns den Mittelfinger gezeigt", erzählt Johanna. "Aber die meisten hatten Verständnis für unser Anliegen und gaben uns einen Daumen hoch."
Forderung an die Politik: Übereinkommen von Paris erfüllen
Den Aktivistinnen geht es nicht um Verbote für Fleischkonsum, Fliegen oder Autofahren. "So leicht ist es nicht", sagt Johanna. "In einer Demokratie muss man gemeinsam abwägen, welche Hebel in Bewegung gesetzt werden können."
Hauptadressat ihrer Appelle sei deshalb die Politik. Sie müsse entschlossen geeignete Maßnahmen treffen, um die Ziele aus dem Übereinkommen von Paris zu erfüllen. "Wichtig wäre zum Beispiel, die CO2-Bepreisung zu erhöhen und in Landwirtschaft und Industrie nachhaltige Betriebe stärker zu fördern", sagt die Gymnasiastin.
Jeder Einzelne trägt Verantwortung für sein Verhalten
Gleichzeitig solle sich jede und jeder bewusst sein, dass sein Verhalten auch im Kleinen Auswirkungen hat, dass alle Verantwortung tragen. Es sei wichtig, in der Schule mehr darüber zu sprechen.
"Jeder, der sich selbst mit dem Thema Klimawandel auseinandersetzt, versteht, dass es wichtig ist, zu handeln." Und am Ende müsse sowieso die ganze Welt mitmachen. Denn: "There is no Planet B."
Die Planung neuer Aktionen geht trotz Corona weiter
Jede Woche wieder trommelten die Organisatorinnen eine kleine Schar an Mitstreitern zusammen, die Mini-Demos nach der Schule am Straßenrand sind mittlerweile Routine. "Corona hat uns schon ausgebremst", erzählt Esther Reidner aus Roth, "wir verabreden uns aber regelmäßig zu Videokonferenzen und planen Demonstrationen, die wir durchführen wollen, wenn sich die Lage im neuen Jahr entspannt hat."
In der Zwischenzeit gebe es weiterhin kleinere Aktionen und ein digitales Angebot. So wurden die Schülerinnen in der Adventszeit täglich aktiv, um online Zeichen für mehr Umweltbewusstsein zu setzen. Mit bunter Kreide schrieben sie ihre Slogans auf die Straßen. Und teilten Fotos der Aktion in einem Adventskalender bei Instagram.
Protestierende fordern die Verhängung eines Klimanotstandes im Landkreis Roth
"Auch wenn das Thema Klimawandel in den Medien in diesem Jahr ziemlich verdrängt worden ist, dürfen wir auch diese Krise nicht vergessen", sagt Johanna Pille. Eines der wichtigsten Anliegen der jungen Aktivisten vor Ort: Die Ausrufung des Klimanotstandes im Landkreis Roth. "Das wäre ein symbolisch wichtiger Schritt", betont Johanna.
Die Verhängung eines sogenannten Klimanotstandes ist eine rechtlich nicht-bindende Absichtserklärung der kommunalen Politik, entschieden gegen den Klimawandel vorzugehen.
Im Mai 2019 rief Erlangen als erste bayerische Stadt den Klimanotstand aus. Bislang sprechen sich die Verantwortlichen im Landkreis Roth gegen einen solchen Beschluss aus. Die Bürgermeister von Hilpoltstein und Roth hätten sich diesbezüglich aber zumindest gesprächsbereit gezeigt, sagt Johanna.
Johanna Pille macht klar: Jetzt ist die Zeit zu handeln
Aufgeben kommt für die vier FFF-Aktivistinnen nicht in Frage. "Erst wenn mehr Menschen begreifen, in welche Sackgasse wir gerade rennen, kann sich unser Lebensstil nachhaltig verändern", sagt Johanna. "Wenn wir dazu einen Beitrag leisten können, ist das jeden Aufwand wert."
Während der Klima-Demonstrationen spürt die Jugendliche, dass sich etwas bewegt in der Gesellschaft, dass gemeinsam Veränderung möglich ist. "Diese Aufbruchsstimmung macht mich immer wieder zuversichtlich", erklärt sie.
Aber am Abend dann kämen die Sorgen zurück: "Irgendwann ist es zu spät. Dann können wir manche Entwicklungen nicht mehr aufhalten. Und meine Kinder werden nicht mehr dieselben Chancen haben wie ich."