Kommunen sollten bei städtischen Bauvorhaben nach Ansicht der Sozialwissenschaftlerin Christiane Dienel Bürgerinnen und Bürger intensiv beteiligen. "Zu einer guten Praxis der städtebaulichen Planung gehören nicht nur Planfeststellungsverfahren, sondern mittlerweile auch Bürgergutachten", sagte die Geschäftsführerin des Berliner Instituts Nexus dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Ergebnisse von Bürgergutachten seien für die Planer von Städten und Gemeinden zwar rechtlich nicht bindend, aber sie haben "ganz viel Autorität".

Die Stadt München hat zuletzt im Oktober mithilfe des Nexus-Instituts in einem derartigen Bürgergutachten die Meinung der Stadtbevölkerung zu ihren Plänen für ein neues Viertel im Stadtteil Neuhausen-Nymphenburg erfragt. Konkret geht es dabei um die Neugestaltung des Paketpostareals im Westen der Stadt - laut Dienel "ein hochumstrittenes städtebauliches Vorhaben". Nach den Plänen des Investors sollen dort zwei Hochhäuser errichtet werden, und es soll ein neues Viertel als eine Mischung aus Wohnen, Kultur und Freizeit entstehen.

Gutachten bezieht Meinung der Bürger*innen ein

"Gerade die Höhe der Hochhäuser ist öffentlich auf sehr viel Kritik gestoßen und es schien so, als wäre alle Welt dagegen. In dem Gutachten ging es jetzt darum herauszufinden, was der durchschnittliche Münchner oder die Münchnerin davon hält", erklärte Dienel.

Die ehemalige Staatssekretärin schätzt den Aussagewert eines Bürgergutachtens als sehr hoch ein, da hier nicht nur die unmittelbar Betroffenen befragt werden, sondern Bürgerinnen und Bürger aus der ganzen Stadt. "Wenn man zum Beispiel eine Müllverbrennungsanlage oder eine Stadtautobahn bauen will und fragt nur die Nachbarn, dann wird man niemals eine Zustimmung bekommen", sagte Dienel.

"Um aber insgesamt herauszubekommen, was für das Gemeinwesen das Richtige ist, muss man den Rahmen etwas größer fassen. Das neue Quartier soll ja für alle Münchner da sein."

Für das Gutachten seien 106 Menschen in einem Zufallsverfahren ausgewählt worden, erklärte sie. Sie hätten sich vier Tage intensiv mit dem Bauvorhaben beschäftigt, in Gruppen diskutiert und kontroverse Expertenvorträge angehört. Zum Schluss gaben die Beteiligten ihre Empfehlungen für das Bauprojekt ab - zur Höhe der Hochhäuser, zur Dichte der Bebauung, zum Verkehrskonzept oder auch zur Nutzung der denkmalgeschützten Paketposthalle.

Die Meinungen der Bürger*innen sind der Stadt wichtig 

Die Stadtoberen sind zwar nicht gesetzlich verpflichtet, das Meinungsbild zu berücksichtigen, aber das Votum hat laut Dienel großes Gewicht. "Es wird eine offizielle Veranstaltung mit der Übergabe des Gutachtens geben", sagte sie. "Und jeder weiß, dass hier die Stimmen der Münchner und Münchnerinnen zu lesen sind."