Passau, Berlin (epd). Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, hat sich mit Blick auf ausstehende Corona-Impfungen dafür ausgesprochen, die Menschen zielgruppenspezifischer anzusprechen. "Nur dann können wir ein gutes Stück vorankommen", sagte Reinhardt der "Passauer Neuen Presse" (Samstag). "Ob die genannten Zielquoten erreicht werden, bleibt offen." Die Bundesregierung will in der kommenden Woche noch einmal verstärkt für die Corona-Schutzimpfung werben. Bundesweit soll es auch an vielen Orten möglichst niedrigschwellige Impfangebote geben, beispielsweise auch in Einkaufszentren.

Die Zahl der täglich verabreichten Impfdosen geht seit Ende Juni kontinuierlich zurück, obwohl bei vielen Menschen eine Schutzimpfung noch aussteht. Das RKI geht davon aus, dass eine Herdenimmunität erreicht wird, wenn 85 Prozent der Zwölf- bis 59-Jährigen und 90 Prozent der über 60-Jährigen geimpft sind. Dann wären auch diejenigen geschützt, die sich nicht impfen lassen können oder bei denen die Impfung nicht wirkt.

Indessen lehnte Reinhardt mehr Freiheiten für Geimpfte und Genese ab. "Im Moment bin ich dagegen", sagte er. "Es geht um die Angemessenheit der Maßnahmen zur rechten Zeit am rechten Ort." Noch mehr Druck auf Nicht-Geimpfte auszuüben wäre zum jetzigen Zeitpunkt nicht angebracht. Der Ärztepräsident sprach sich dafür aus, stärker und gezielter bestehende Zweifel an den Impfungen zu zerstreuen und Fake News über das Impfen, zum Beispiel in sozialen Netzwerken, "konsequent zu korrigieren".

Auch einen Stopp der Lohnfortzahlung bei Quarantäne von Nicht-Geimpften hält der Präsident der Bundesärztekammer für nicht angemessen. "Diese Debatte ist überzogen", sagte er. "Zudem löst sie die daraus folgende Frage aus, wie mit anderen Menschen umgegangen wird, die Raubbau an ihrem Körper betreiben."

Eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) Anfang September hatte ergeben, dass die Bundesländer seit Beginn der Corona-Pandemie deutlich mehr als eine halbe Milliarde Euro an Entschädigungen für Verdienstausfälle durch eine Quarantäne gezahlt haben. Wenn eine Quarantäne zum Verdienstausfall führt, haben die Betroffenen nach dem Infektionsschutzgesetz ein Anrecht auf Entschädigung. Die Regelung sieht zugleich vor, dass der Anspruch entfallen kann, wenn die Quarantäne durch eine Schutzimpfung hätte vermieden werden können. Mehrere Bundesländer, darunter Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, haben angekündigt, den Entschädigungsanspruch für Ungeimpfte künftig zu streichen.