München (epd). Für den Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx ist das vergangene Woche veröffentlichte unabhängige Missbrauchsgutachten ein tiefer Einschnitt für die katholische Kirche. "Missbrauch und Gewalt sind eine dunkle Seite und werden als Teil der Geschichte des Erzbistums sichtbar sein", sagte Marx am Donnerstag bei einer Pressekonferenz zu dem Gutachten über sexualisierte Gewalt im Erzbistum München und Freising zwischen 1945 und 2019. Marx kündigte an, enger mit dem Betroffenenbeirat der Erzdiözese und der Unabhängigen Aufarbeitungskommission zusammenzuarbeiten.

Marx verkündete auch eine personelle Konsequenz: Der bisherige Offizial Lorenz Wolf lasse mit sofortiger Wirkung alle Aufgaben und Ämter im Erzbistum ruhen. Darüber hinaus müsse jeder noch lebende Verantwortungsträger für sich selbst entscheiden, welche Konsequenzen er ziehen wolle, ergänzte er. Den früheren Münchner Erzbischof Joseph Ratzinger, heute emeritierter Papst Benedikt XVI., erwähnte Marx nicht namentlich.

Marx sagte, er klebe nicht an seinem Amt. Falls er oder andere zu dem Ergebnis kämen, er sei ein Hindernis und keine Hilfe bei der Aufklärung von Missbrauch, werde er auch erneut einen Amtsverzicht anbieten, sagte der Erzbischof. "Diese Entscheidung werde ich nicht mehr allein mit mir ausmachen." Marx hatte bereits im Mai 2021 Papst Franziskus seinen Rücktritt angeboten. Dieser lehnte das Rücktrittsgesuch ab.

Die Münchner Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl hatte im Auftrag des Erzbistums seit 2020 Missbrauchsfälle zwischen 1945 und 2019 untersucht. Die Gutachter fanden in diesem Zeitraum im Erzbistum Hinweise auf mindestens 497 Betroffene sexualisierter Gewalt sowie 235 Täter, darunter 173 katholische Priester.

Zudem werfen sie dem emeritierten Papst Benedikt XVI. Fehler im Umgang mit Missbrauchs-Tätern in vier Fällen in seiner Funktion als Münchner Erzbischof zwischen 1977 und 1982 vor. Auch dem amtierenden Erzbischof Kardinal Reinhard Marx wiesen sie Fehlverhalten in zwei Missbrauchsfällen nach. Er soll in seiner Amtszeit pflichtwidrig Missbrauchsfälle nicht nach Rom gemeldet haben.