München, Hilpoltstein (epd). Immer mehr Naturschutzorganisationen kritisieren die Entscheidung der Regierung von Oberbayern, einen Wolf zum Abschuss freizugeben. Die Begründung der "Gefährdung von Menschen" sei nicht gegeben, teilte der Naturschutzverband LBV am Dienstag in Hilpoltstein mit. Auch der Bund Naturschutz (BN) hält eine "Entnahme" für nicht rechtmäßig: Ein Abschuss verstoße gegen das Bundesnaturschutzgesetz und EU-Verordnungen, weshalb der BN gegen die Verfügung klagen werde.

Die Sicherheit des Menschen habe auch für den BN oberste Priorität, so die stellvertretende Vorsitzende des Landesverbandes, Beate Rutkowski. Der Wolf, der seit Monaten im bayerisch-österreichischen Grenzgebiet unterwegs ist, zeige aber bisher kein Verhalten, das auf eine erhöhte Gefährdung für Menschen hinweise. Natürlich habe man "großes Verständnis für die Sorgen und den Frust der Weidetierhalter"; wäre der besagte Wolf eine Gefahr für Menschen oder hätte "wiederholt bestmöglich gesicherte Weide- oder Stalltiere gerissen", wäre eine Tötung gerechtfertigt. Derzeit träfe das allerdings "nach intensiver Bewertung der staatlichen Unterlagen durch unsere Wolfsexperten" nicht zu.

Die Erfahrung von über 20 Jahren Wolfspräsenz in Deutschland zeige, dass das Verhalten dieses Tiers aktuell kein Grund für eine Entnahme ist. Begegnungen mit Wölfen auf kurze Distanz seien im vierstelligen Bereich bekannt, ein Angriff auf einen Menschen sei daraus nie entstanden. "Der Traunsteiner Wolf wäre der erste Wolf in Bayern seit 140 Jahren, der mit staatlichem Segen abgeschossen wird", so der BN.

Auch der Naturschutzverband LBV kritisiert die Abschuss-Freigabe erneut. Die Entscheidung sei "eine schallende Ohrfeige" für alle, die an der Entwicklung des Aktionsplans Wolf beteiligt waren, sagte LBV-Vorsitzender Norbert Schäffer. Es entstehe der Eindruck, dass man "sich erst gar nicht an die Regeln halten wollte und von vorneherein den Abschuss des Wolfes geplant hatte". Es dürfe keinesfalls der Eindruck entstehen, "dass jeder Wolf beliebig zum Problem-Wolf erklärt und geschossen werden kann".

Vergangene Woche hatte die Regierung von Oberbayern den Wolf, der seit Monaten im bayerisch-österreichischen Grenzgebiet unterwegs ist, zum Abschuss freigegeben. Sie hatte die "Entnahme" aus "Gründen der öffentlichen Sicherheit" per Ausnahmegenehmigung zugelassen. "Man muss ein Raubtier, das übergriffig geworden ist und ganz offensichtlich seine Scheu verloren hat, auch mal entnehmen", sagte Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU).

Genanalysen hatten bestätigt, dass der Wolf mehrere Schafe, Ziegen und Wildtiere in den Landkreisen Berchtesgadener Land, Traunstein und Rosenheim verletzt und getötet habe - und zwar überwiegend in siedlungsnahen Gebieten. Damit sei die Wahrscheinlichkeit, dass es zu gefährlichen Begegnungen zwischen Mensch und Wolf komme, laut Regierung erhöht.