In Deutschland wird eine Frau, die ein Kind zur Welt bringt, automatisch als dessen rechtliche Mutter anerkannt. Für ihre Partnerin besteht derzeit allerdings keine Möglichkeit, ohne weiteres als zweite Mutter anerkannt zu werden.

Selbst wenn die beiden Frauen verheiratet sind, muss die nicht gebärende Partnerin das Kind durch ein Stiefkind-Adoptionsverfahren rechtlich adoptieren, um als Mutter anerkannt zu werden. Dieser Prozess ist oft langwierig und beinhaltet umfangreiche Prüfungen durch Behörden, einschließlich Hausbesuchen und Interviews.

Geplante Reform des Abstammungsrechts

Das Bundesjustizministerium plante zum Jahresbeginn eine Reform des Abstammungsrechts, die vorsieht, dass in einer Ehe zwischen zwei Frauen die nicht gebärende Partnerin automatisch als zweite Mutter anerkannt wird, wenn das Kind durch eine Samenspende gezeugt wurde.

Diese Änderung würde das aufwendige Stiefkind-Adoptionsverfahren für viele lesbische Paare überflüssig machen und ihre rechtliche Gleichstellung mit heterosexuellen Paaren verbessern.

Vorteile der Reform

Die automatische Anerkennung der zweiten Mutter würde zahlreiche Vorteile mit sich bringen: 

Rechtssicherheit: Beide Mütter hätten von Geburt an die gleichen Rechte und Pflichten gegenüber dem Kind.  
Vereinfachung des Alltags: Behördengänge, Arztbesuche und andere alltägliche Situationen würden erleichtert, da beide Mütter als rechtliche Eltern anerkannt wären. 
Schutz bei Notfällen: Im Falle einer Trennung oder des Todes einer Mutter wäre die rechtliche Stellung der zweiten Mutter klar geregelt, was dem Kindeswohl zugutekommt.

Stand der Gesetzgebung

Obwohl die Reform des Abstammungsrechts im Koalitionsvertrag der Bundesregierung verankert ist, wurde bisher kein entsprechendes Gesetz verabschiedet.

Die Umsetzung hängt von politischen Entscheidungen und Prioritäten ab. Es bleibt abzuwarten, wann und in welcher Form die Reform realisiert wird, da die aktuelle Regierung durchaus konservativer ist als die vorherige.  

Elterngeld und Elternzeit für nicht anerkannte Elternteile 

Einen Lichtblick gibt es jedoch: So muss die Stiefkindadoption nicht erfolgt sein, um Elternzeit nehmen zu können oder Elterngeld zu erhalten. Laut Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) haben Personen Anspruch auf Elternzeit, wenn sie im gleichen Haushalt wie das Kind leben, es selbst betreuen und erziehen.

Wer Elterngeld beziehen möchte, muss zusätzlich seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben und darf keine volle Erwerbstätigkeit ausüben. Das heißt, Anspruchsberechtigte sind nicht nur die rechtlichen Elternteile, sondern auch ihre Ehegatten. Das gilt auch für eingetragene Lebenspartner:innen und unverheiratete Partner*innen, sofern eine Stiefkindadoption angestrebt wird.

Letzteres ist tatsächlich erst seit dem 31. März 2021 möglich, da eine Stiefkindadoption des Kindes des*der Partner*in ohne Heirat erst seitdem möglich ist (vorausgesetzt, man lebt seit mindestens vier Jahren in einer eheähnlichen Konstellation). Da Elterngeldstellen mit dem Verfahren oft noch nicht vertraut sind, könnten sie Anträge dazu ablehnen. Man kann jedoch mit Berufung auf § 1766a BGB und § 1 Abs. 3 Nr. 1 BEEG Widerspruch einlegen.

Für schwule Paare weiter komplex

Für schwule Paare bleibt die rechtliche Anerkennung als Eltern weiterhin komplex. Da Leihmutterschaft in Deutschland verboten ist, können zwei Männer ein Kind nur durch Adoption rechtlich anerkennen. Eine automatische Anerkennung beider Männer als Väter ist derzeit nicht vorgesehen.  

Die geplante Reform des Abstammungsrechts stellt einen wichtigen Schritt zur Gleichstellung von Regenbogenfamilien dar. Sie würde insbesondere lesbischen Paaren den Weg zur rechtlichen Elternschaft erleichtern und dem Kindeswohl dienen. Ob und wann sie umgesetzt wird, bleibt allerdings abzuwarten.

Kommentare

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Florian Meier am So, 01.06.2025 - 23:54 Link

Ich finde die Überschrift etwas irritierend. Als wartete das ganze Land oder die ganze Kirche darauf. Lesbische Paare mit Kindern mögen häufiger sein, als es sich mancher vorstellt und ihre Anliegen als Familien voll anerkannt zu werden wie sie ja auch deren Pflichten unterliegen sind berechtigt. Richtig ist aber, dass ein Großteil der Gesellschaft davon schlicht nicht oder nur indirekt betroffen ist. Auch verschweigt der Artikel, dass eine bedingungslose Anerkennung der Elternschaft Konsequenzen auf das rechtliche Familienverständnis hat, die über die genannte Gruppe hinausgehen: Bisher sind die biologischen Eltern automatisch erst einmal die Familie (die Frau qua Geburt, der Mann qua Anerkennung der Vaterschaft), was nicht nur Rechte sondern auch Pflichten gegenüber den Kindern bedeutet. Alles andere ist mit Adaptionsverfahren verbunden und das auch, wenn etwa ein verheiratetes Paar ein biologisch nur von einem Elternteil abstammendes Kind als gemeinsames rechtlich vertreten möchte. Eine automatische Anerkennung verschiebt das Recht von biologischer Abstammung hin zum Haushalt und kann dann wegen der Gleichberechtigung z. B. auch für Stiefeltern eingefordert werden bzw. geht unter Umständen zu Lasten des verbliebenen biologischen Elternteils. Wollen wir das und wie wird sichergestellt, dass es nicht zu neuen Ungerechtigkeiten kommt? Ich finde hier eine etwas breitere Debatte vor einem gesetzlichen Schnellschuß zumindest geboten gerade weil sich die Kirche den Schutz der Familie ja auf die Fahne schreibt. Deshalb müssen wir ja nicht an das Märchen von der bösen Stiefmutter glauben. Mit der Nicht-Regelung für schwule Männer scheint dann der Artikel auch irgendwie etwas weniger Probleme zu haben, obwohl deren geringere Qualifikation zur Kindererziehung ja keineswegs pauschal gegeben ist. Wollte man auch hier von Ungleichbehandlung Abstand nehmen, würde das in Bezug auf die Mutterschaft Konsequenzen bedeuten, die die Gesellschaft wohl noch nicht komplett so durchgedacht hat und an deren breiter Unterstützung somit zumindest begründete Zweifel bestehen. So entwürdigend und im Einzelfall vielleicht auch verstörend das Adoptionsverfahren also sein mag, so sehr muss erst eine wirklich bessere Regelung erarbeitet und bis zum Ende durchgedacht werden, ehe man sie leichtfertig wegwirft. Statt also wieder ein zweifelhaftes Hauruck wie beim Personenstandsrechts anzustreben, kann man vielleicht eher stufenweise denken und zunächst die größten Risken (Tod der leiblichen Mutter vor der Adoptionsanerkennung) und Unwürdigkeiten (erleichtertes Verfahren) besser regeln. Dies ist unter den gegebenen politischen Verhältnissen auch realistischer umzusetzen als ein massives Umkrempeln des Familienrechts, was nicht ganz zu Unrecht mit Mißtrauen beobachtet würde.