Die vergangenen Jahre haben Familien vor immense Herausforderungen gestellt: Pandemie, Inflation, Energiekrise, Klimakrise, Kriege und geopolitische Spannungen. Gleichzeitig steckt das Bildungssystem in der Krise, Betreuungsplätze fehlen, der Arbeitsmarkt fordert immer mehr Flexibilität.

Eltern jonglieren zwischen Beruf, Kinderbetreuung und familiärer Fürsorge, begleiten die Bildung ihrer Kinder, pflegen Angehörige und halten den Alltag am Laufen – oft mit zu wenig Unterstützung.

Familien halten die Gesellschaft zusammen, doch die Politik hält ihnen nicht den Rücken frei.

Es ist höchste Zeit, Familienpolitik ins Zentrum politischen Handelns zu rücken! Familien müssen in allen Bereichen mitgedacht werden: Wirtschaft, Soziales, Demokratie, Bildung, Arbeit, Wohnen, Verkehr und Klimaschutz.

Die Gleichung ist simpel: Ohne Familien gibt es keine funktionierende Gesellschaft. Sie sind das Rückgrat des Sozialstaats – ohne sie wären soziale Sicherungssysteme längst kollabiert. Sie sichern den Fachkräftenachwuchs, fördern soziale Stabilität und schaffen wirtschaftliche Sicherheit durch generationenübergreifende Solidarität.

Wenn das Vertrauen in Institutionen schwindet, soziale Sicherheit bröckelt und Familien sich alleingelassen fühlen, steht mehr als nur ein politisches Konzept auf dem Spiel – dann gerät der gesellschaftliche Zusammenhalt ins Wanken.

10 Forderungen an die künftige Familienpolitik 

Wir als evangelische arbeitsgemeinschaft familie e. V. (eaf), der familienpolitische Dachverband in der Evangelischen Kirche in Deutschland, legen deshalb zehn Kernforderungen für die Familienpolitik der nächsten Legislaturperiode vor:

1. Infrastruktur für Familien ausbauen, Bildungs- und Betreuungskrise bewältigen

Eltern stehen unter Druck: Mangelnde Kitaplätze, überlastete Schulen und unzureichende Ganztagsangebote lassen viele Familien ins Leere laufen. Oft sind es Mütter, die ihre Erwerbsarbeit einschränken müssen, weil verlässliche Betreuungsmöglichkeiten fehlen.

Wer Familien unterstützen will, muss für verlässliche Kinderbetreuung und Ganztagsangebote mit ausreichend und hervorragend qualifiziertem Personal sorgen.

2. Zeit für Familie schaffen und gerechte Verteilung von Sorgearbeit ermöglichen

Das Leben als Familie braucht Zeit – genau die fehlt vielen Eltern in der "Rushhour des Lebens".

Eine Familienstartzeit für den zweiten Elternteil nach der Geburt, eine Weiterentwicklung des Elterngeldes und eine "Dynamische Familienarbeitszeit" zwischen Elterngeldbezug und Einschulung ermöglichen mehr Flexibilität und eine stärkere Beteiligung von Vätern an der Sorgearbeit.

3. Finanzielle Situation von Familien verbessern

Jedes siebte Kind in Deutschland wächst in Armut auf – mit gravierenden Folgen für Bildung, Gesundheit und soziale Teilhabe. Nach dem Ende der Kindergrundsicherung sollte die Politik im bestehenden Leistungssystem dringend nachsteuern: Der Kinderregelsatz muss steigen, das Kindergeld an den Steuerfreibetrag angepasst, Alleinerziehende besser unterstützt und das Unterhaltsrecht gerechter gestaltet werden.

4. Bei Reformen im Familienrecht das Kind in den Mittelpunkt stellen

Kinder brauchen rechtlichen Schutz – unabhängig davon, in welcher Familie sie aufwachsen. Die eaf setzt sich deshalb für die Gleichwertigkeit aller Betreuungsmodelle im Familienrecht ein: Getrennt lebende Eltern müssen frei entscheiden können, welche Betreuung ihrem Kind am besten entspricht.

Das Unterhaltsrecht muss immer berücksichtigen, dass bei vielen Elternpaaren vor der Trennung ein Elternteil, meist die Mutter, den größten Anteil der unbezahlten Sorgearbeit erledigt und deshalb oft nur Teilzeit arbeitet.  Dadurch sind Alleinerziehende bereits jetzt besonders häufig von Armut bedroht und dürfen durch das Unterhaltsrecht finanziell nicht noch weiter unter Druck geraten.

5. Umfassenden Gewaltschutz schaffen

Häusliche Gewalt nimmt zu. Besonders betroffen sind Frauen, die Gewalt meist durch ihren (Ex-)Partner erfahren. Deshalb braucht es einen gesetzlichen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung sowie klare Regelungen im Sorge- und Umgangsrecht, um betroffene Elternteile und Kinder besser zu schützen.

6. Familienförderung stärken – Familienbildung absichern

Familienbildung stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie unterstützt Eltern in ihrer Erziehungsarbeit, vermittelt Wissen und schafft Netzwerke. Die eaf fordert eine stabile und flächendeckende Förderung von Familienbildungseinrichtungen sowie ihre verbindliche Verankerung als Rechtsanspruch in der Kinder- und Jugendhilfe.

7. Familien als Raum für Demokratiebildung stärken

Familien sind das Fundament einer demokratischen und vielfältigen Gesellschaft. Hier wird Verantwortung füreinander übernommen, soziale Werte werden gelebt, politische Sozialisation findet statt. Sie sind der erste Ort, an dem Kinder lernen, was Zusammenhalt und gesellschaftliches Miteinander bedeutet.

Die eaf fordert, Familien explizit an demokratischen Prozessen zu beteiligen. Das stärkt das Vertrauen aller Familienmitglieder in die Demokratie und ihre Institutionen. Die Arbeit von Familienbildungseinrichtungen als Teil der Demokratieförderung muss deshalb langfristig gesichert werden.

8. Klimapolitik und Familienpolitik zusammen denken

Klimapolitik ist auch Sozialpolitik und muss Familien in den Blick nehmen. Sie darf Familien nicht zusätzlich belasten, sondern muss gezielt unterstützen, damit sie aktiv zur Nachhaltigkeit beitragen können. Denn in den Familien von heute wachsen die Klimaschützer:innen von morgen auf.

9. Kinderrechte in der Praxis umsetzen

Kinder haben Rechte – doch in Deutschland werden diese im täglichen Leben nicht ausreichend berücksichtigt. Die eaf will durch eine Grundgesetzänderung ein politisches Signal für eine aktivere Politik für Kinder und Jugendliche setzen und hat dafür einen Formulierungsvorschlag erarbeitet, bei dem die tatsächliche Durchsetzung von Kinderrechten und kindgerechte Lebensbedingungen im Fokus stehen.

10. Kindeswohl in der Reproduktionsmedizin vorrangig berücksichtigen

Immer mehr Paare greifen auf reproduktionsmedizinische Unterstützung zurück, wenn ihr Kinderwunsch nicht auf natürliche Weise in Erfüllung geht. Die eaf fordert, Kinderwunsch-Paare durch eine unabhängige Beratung zu unterstützen. Das Wohl der Kinder muss dabei stets im Mittelpunkt stehen. Für assistierte Reproduktionsverfahren sind gesetzlichen Neuregelungen nötig, allerdings sollte am Verbot der Leihmutterschaft unbedingt festgehalten werden. 

Diese zehn familienpolitischen Kernforderungen der eaf zeigen: Familienpolitik darf keine Einzelmaßnahmen aneinanderreihen – sie muss durchdacht, nachhaltig und ganzheitlich sein. Wer den gesellschaftlichen Zusammenhalt sichern will, muss Familien verlässlich unterstützen – im Alltag wie in Krisenzeiten. Daran muss sich die familienpolitische Arbeit der nächsten Bundesregierung messen lassen.

Evangelischen Arbeitsgemeinschaft Familie (eaf)

Die Evangelische Arbeitsgemeinschaft Familie ist der familienpolitische Dachverband in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

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