Drei einfache Körbe stehen im Vorraum der Erlanger Markuskirche. Ein Zettel weist darauf hin, was rein soll: Kaffee, Tee, Fisch- und Gemüsekonserven, Mehl, Nudeln, "eben alles, was sich länger hält und entbehrt werden kann", erklärt Elke Bollmann, Leiterin der Sozialen Dienste der Diakonie Erlangen und der Tafel. Da das Mindesthaltbarkeitsdatum solcher Waren meist länger ist, werden diese weniger von den Märkten zur Tafel gegeben.

Normalerweise teile man den Ausgabestellen in Erlangen, Büchenbach und Herzogenaurach meist frische Produkte wie Brot, Milchprodukte, Kartoffeln und Gemüse aus. Besonders freuen sich Kundinnen und Kunden der Tafel in dieser Jahreszeit, wenn auch Weihnachtsgebäck mit in den Korb kommt. Passend dazu findet sich in einer Box zwischen Sonnenblumenöl und Nudeln auch ein Päckchen Spekulatius.

Beitrag zum #Wärmewinter

Im Zuge der Aktion #Wärmewinter der Diakonie Bayern will man das Sortiment jetzt um Lebensmittel für die Reserve erweitern. "Wir erwarten mit dem neuen Jahr eine steigende Zahl an Kunden, weil die Menschen, die ohnehin schon wenig Geld haben, wegen der steigenden Abschlagszahlungen oder Mehrausgaben für Lebensmittel", sagt die stellvertretende Landesvorsitzende der Tafeln in Bayern. Es gehe jetzt nicht nur darum, den Hunger zu bekämpfen, sondern auch darum, ein Zeichen gegen menschliche Kälte zu setzen.

Erich Reuther, Pfarrer der Markusgemeinde, hat die Körbe auch in den fünf Kindertagesstätten aufstellen lassen, die seine Kirchengemeinde unterhält. "Auch die Eltern bringen was von zu Hause mit, die Kinder lernen dabei, wie es ist, für andere einzustehen", freut er sich. Die Bereitschaft zum Spenden sei nach wie vor groß, die Solidarität stecke an. Die guten Kontakte zum Uniklinikum Erlangen haben es möglich gemacht, dass nun auch dort ein Korb steht, in den die Belegschaft ihre Waren abgibt.

Mehr Fahrten für die Tafel

Erweitert wurden nun auch die Zeiten für die ehrenamtlichen Fahrerinnen und Fahrer, die in der Regel Lebensmittel bei Supermärkten oder anderen Händlern im gesamten Dekanat abholen. "Der Donnerstag war bisher frei. Jetzt nutzen wir den, um die Kirchen anzufahren", erklärt Johannes Sikorski, Teamleiter der Tafel Erlangen. Fast alle Gemeinden machen mit und stellen die Körbe auf. Bei Anruf wird auch außerhalb des Wochenrhythmus abgeholt. Zwei Fahrzeuge sind jede Woche insgesamt etwa 500 Kilometer zwischen Tennenlohe und Forchheim unterwegs. Etwa 40 Haushalte werden zudem vom "Tafel-Mobil" angefahren.

Unter anderem von Wolfgang Keck. Seit 2004 ist er mit im etwa 40-köpfigen Fahrer-Team und damit einer von etwa 200 Freiwilligen, die jede Woche einige Stunden ihrer Zeit für die Tafel opfern. Keck hat seine festen Zeiten immer samstags. Jetzt springt er auch außerhalb mal ein, wenn die Inhalte der Körbe eingesammelt werden sollen. "Es hat sich so viel geändert in den knapp 20 Jahren, vor allem, was die Professionalität bei der Einsatzplanung der Fahrten angeht", lobt Keck seine Teamleitung. Gleich geblieben sei allerdings die Notwendigkeit der Dienste der Tafel.
Gestiegen dagegen sind die Kundenzahlen. Waren es bis Ende Februar noch etwa 1600, hat sich diese Zahl seit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine und dem Ankommen Geflüchteter auch in Erlangen auf etwa 4100 Personen mehr als verdoppelt.

Menschen aus der Ukraine haben die Zahlen verdoppelt

Der Winter 2022/23 wird vor allem für bedürftige Menschen rauer als in den Vorjahren. Auch bei den Tafeln rechnet man bald mit mehr Kundinnen und Kunden, wenn mit dem neuen Jahr die Abschlagszahlen für Strom und Gas drastisch steigen. Die Ansprüche an die Einrichtungen sind seit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine und dem Ankommen Geflüchteter in den vergangenen Monaten geradezu explodiert. Die Tafel in Erlangen musste aus Platzgründen nun reagieren und hat ihren Ausgaberhythmus auf 14-tägig umgestellt.

Die Zentrale der Tafel in Erlangen liegt mitten in der Stadt auf einem Gelände, dessen Gebäude vor über 100 Jahren einmal als Pferdestall der bayerischen Armee diente und in der später eine Fahrradwerkstatt untergebracht war. Der Platz ist begrenzt. Um die Besucherströme zu kanalisieren, arbeitet man seit dem Einzug 2014 mit einem Farbsystem, das Senioren, Familien oder Alleinstehende in Gruppen einteilt, mit denen feste Tage und Zeiten vereinbart werden. Mitte Juli musste das Team um Leiterin Elke Bollmann allerdings die Reißkleine ziehen. "Zu Jahresbeginn noch hatten wir etwa 1600 Kundinnen und Kunden pro Woche. Mittlerweile sind es rund 4100, Tendenz steigend", sagt sie.

Der Zuwachs gehe vor allem auf die Menschen aus der Ukraine zurück. Und da die Stadt Erlangen ihre Aufnahmequote für Asylbewerber nach dem bundesweit geltenden "Königsteiner Schlüssel", der Steuereinnahmen und Bevölkerungszahl der Länder und Kommunen in Beziehung setzt, noch nicht erreicht hat, rechnet Bollmann bald mit noch mehr Anspruchsberechtigten.

Fast ein Fulltime-Job für Ehrenamtliche

Eine Herausforderung auch für Johannes Sikorski. Dienstpläne schreiben gehört zum täglich Brot des Teamleiters der Tafel Erlangen, die von der Diakonie Erlangen seit über 25 Jahren betrieben wird. Er kann auf rund 200 ehrenamtliche Helferinnen und Helfer zurück greifen, die an drei Tagen pro Woche in den Ausgabestellen in Erlangen, Herzogenaurach und Büchenbach arbeiten oder die Lebensmittelmärkte und Handelsbetriebe in der Region abfahren, um Waren abzuholen. "Ich habe Leute, die seit Jahren schon 20 bis 25 Stunden pro Woche ihren ehrenamtlichen Dienst leisten", ist Sikorski stolz auf sein Team, in dem vom Rentner bis zur Studentin alle Alters- und Bevölkerungsschichten vertreten sind.

Ebenso sieht es unter den Kundinnen und Kunden aus, die gut zur Hälfte aus dem Stadtgebiet Erlangens, der Rest aus dem Umland stammt. Immer wieder kommen auch junge Menschen zu den Stellen. Oftmals mit gesenktem Blick. "Ich werde ständig darum gebeten, keinem zu sagen, dass ich ihn bei der Tafel gesehen habe", weiß auch Dekan Peter Huschke. Der Scham, sich nicht mehr anders zu helfen zu wissen und die Dienste der Tafel in Anspruch zu nehmen, sitze oft tief, gerade bei Älteren, die sich am Ende eines arbeitsreichen Lebens einen anderen Ruhestand vorgestellt hätten.

Eigene Ausgabewoche für die Ukrainer

Bei anderen erzeugt das Angebot der Tafeln jedoch auch Anspruchsdenken. Sikorski erlebt manchmal, dass Geflüchtete aus der Ukraine annehmen, die Erlanger Tafel sei staatlich organisiert und werde von bezahlten Angestellten geleitet, nicht von Ehrenamtlichen. Das habe zuletzt hin und wieder für "unschöne Situationen" gesorgt, wenn die Rationen den Bedarf der Menschen nicht decken konnten. Mittlerweile gebe es eine eigene Ausgabewoche nur für die Ukrainer. Dann ist auch ein Übersetzer anwesend.

Elke Bollmann ist zudem stellvertretende Landesvorsitzende der Tafeln in Bayern. "Wir machen immer wieder deutlich, dass wir nicht das Sozialunternehmen des Staates sein wollen. Unsere Aufgabe ist es neben der tatsächlichen Hilfe, den Finger in die Wunde zu legen und der Politik zu zeigen, wo was nicht passt", erklärt sie.

Die Spendenbereitschaft der Menschen in und um Erlangen und die Dichte der Märkte sei glücklicherweise nach wie vor hoch, sodass man auch den gestiegenen Bedarf noch decken kann. Aus den Spenden, die der Tafel immer wieder gegeben werden, kaufe man manchmal auch Waren zu, um die Kunden besser zu versorgen. "Jedoch sind wir im ersten Sinne Lebensmittelretter und keine –verteiler", beschreibt Bollmann einen Zwiespalt, in dem sich alle Tafeln sehen. "Wir sind die Mahner, aber wir lassen die Leute nicht alleine", ergänzt sie.

Tafel Erlangen
Johannes Sikorski und Elke Bollmann packen bei der Ausgabe an der Tafel in Erlangen auch mal mit an.