Die Journalistin Claudia Kneifel (55) hatte während eines beruflichen Termins bei der Rentenversicherung ein Aha-Erlebnis: In ihrem Buch "Verliebt, Vertraut, Verrechnet" teilt die Würzburgerin ihre Erfahrungen und gibt Tipps für eine erfolgreiche Altersvorsorge, auch wenn man erst zur Lebensmitte damit startet. Das Wichtigste ist ihr zufolge, sich etwa die Kinderbetreuung gerecht mit dem Partner zu teilen. Denn Teilzeitarbeit bedeutet sonst Teilzeitrente.

Frau Kneifel, wie steht es denn um Ihre private Altersvorsorge?

Claudia Kneifel: Ich hatte vor etwa zehn Jahren eine Beratung bei der Rentenversicherung. Eigentlich war ich beruflich dort, aber die Beraterin hat mir anhand meiner Rentenbeiträge eine Beispielrechnung gemacht – das hat mir schon etwas die Augen geöffnet. Damals war meine große Tochter zehn Jahre alt, die Zwillinge waren vier und ich hatte bereits zehn Jahre Teilzeit gearbeitet, dementsprechend sah meine Rentenprognose nicht gerade rosig aus. Das war wie ein Weckruf für mich.

"Der so errechnete Betrag war wirklich erschreckend niedrig"

Wie haben Sie danach versucht, da gegenzusteuern?

Das Wichtigste war, mir klarzumachen, dass Teilzeitarbeit ohne weitere private Altersvorsorge zu einer gesetzlichen Teilzeitrente führt. Die Beraterin der Rentenversicherung hat mir damals noch verschiedene Szenarien ausgerechnet, etwa wie sich ein früherer Renteneintritt auswirken würde. Der so errechnete Betrag war wirklich erschreckend niedrig. Seitdem arbeite ich wieder mehr Stunden und kümmere mich um meine Finanzen und meine Altersvorsorge.

Auch Sie haben also nicht von Anfang an alles richtig gemacht. Ist das Buch ein persönlicher Ratgeber?

Absolut. Es ist quasi mein eigener Lern-Weg in Buchform. Ich habe zwar nicht alles falsch gemacht bis zu diesem Punkt vor ungefähr zehn Jahren. Aber eben auch nicht alles richtig. Der größte Fehler ist, und das beginnt im Prinzip ab der Volljährigkeit, sich nicht für das Thema Rente zu interessieren. Ich habe mich erst damit beschäftigt, als ich es beruflich sollte - und selbst da hatte ich da zuerst gar keine Lust darauf. Aber mittlerweile ist Rente eines meiner Lieblingsthemen.

"Viele Frauen interessieren sich zu wenig für Finanzen"

Was sind Ihrer Meinung nach die Hauptgründe, warum viele Frauen im Alter mit einer zu geringen Rente dastehen?

Es gibt drei Hauptgründe: Erstens arbeiten Frauen oft Teilzeit, weil sie nach wie vor den Großteil bei der Kinderbetreuung übernehmen. Dadurch haben Frauen zweitens weniger Aufstiegschancen - und Frauen werden ja generell schlechter bezahlt, Stichwort Gender Pay Gap. Drittens, und das ist jetzt wirklich wichtiger, als es auf den ersten Blick klingt: Viele Frauen interessieren sich zu wenig für Finanzen.

Einige dieser Punkte kann man sicher im privaten Umfeld angehen, aber nicht alles...

Natürlich kann niemand, nur weil er die Kinderbetreuung mit seinem Partner fair regelt, den Gender Pay Gap schließen. Aber es ist eben ein wichtiger Baustein. Frauen müssen sich bewusst sein, dass Teilzeitarbeit langfristige Folgen hat. Frauen müssen sich trauen, ihre Löhne gut zu verhandeln. Vor allem aber sollte finanzielle Bildung bereits in der Schule Thema sein.

Wie haben Sie das selbst geregelt mit der Kinderbetreuung? Sie sind doch auch in Teilzeit gegangen...

Ja, ich arbeite nach wie vor in Teilzeit - aber heute annähernd 90 Prozent. Mein Partner und ich haben vor unserem ersten Kind richtig verhandelt und uns die Kinderbetreuung aufgeteilt. Ich bin nach sechs Monaten Elternzeit wieder eingestiegen, und mein Partner hat an den Tagen, an denen ich gearbeitet habe, die Kinderbetreuung übernommen. Das funktioniert bis heute gut, und ich finde das auch normal.

"In der Schule lernt man viel zu wenig über Geld"

Hatten Sie nach deinem Termin bei der Rentenversicherung Angst vor Altersarmut?

Ja, auf jeden Fall. Ich habe auch sehr schnell gemerkt, dass ich mit der Anlage meines Geldes zunächst völlig überfordert war. In der Schule lernt man viel zu wenig über Geld. Mein Vater hat sich zwar sehr dafür interessiert und mir auch einiges davon vermittelt - aber Anlagestrategien von vor 40 Jahren sind heute zum Teil eben nicht mehr relevant. Damals hat kaum jemand an der Börse investiert, heute geht es eigentlich nicht ohne.

Wie ist das bei Ihren drei Töchtern? Sprechen Sie über Geld zu Hause? Das ist ja für viele ein Tabu-Thema...

Wir sprechen mit unseren Kindern sehr offen über Finanzen. Alles andere fände ich auch fahrlässig. Kinder müssen lernen, richtig mit Geld umzugehen - und zwar nicht nur mit Taschengeld. Meine 18-jährige Tochter hat zum Beispiel ein Online-Konto zum Investieren. Sie hat sich zum 18. Geburtstag eine Aktie gewünscht - und wir diskutieren regelmäßig über gute Geldanlagen. Diese frühe Aufklärung ist entscheidend.

Viele Menschen scheuen sich aber vor Aktien und Börseninvestitionen. Verstehen Sie das?

Ja, ich verstehe die Skepsis durchaus, besonders nach den sehr deutschen Börsen-Erfahrungen wie dem Telekom-Aktien-Debakel. Das Wichtigste ist: Wer schnelles Geld an der Börse verdienen will, geht hohe Risiken ein. Langfristiges Anlegen bringt, wenn man das eigene Geld breit streut, eigentlich immer einen guten Gewinn bei einem vertretbaren Risiko. Klar ist: An die Börse gehört nur Geld, das man nicht zum Überleben braucht.

Ihr Buch richtet sich an Frauen ab 50. Ist es da nicht eigentlich schon zu spät für die Altersvorsorge?

Nein, es ist nie zu spät! Natürlich ist früher immer besser - aber man kann mit einem guten Verdienst auch mit Anfang 50 anfangen, noch gut etwas zurück- und anzulegen. Man hat ja noch mindestens 15 Jahre bis zur Rente! Der entscheidende Faktor ist das Geld, das man zur Verfügung hat. Wer nur weniger als halbtags arbeitet, wird auch nur schwer etwas zurücklegen können.

"Mein Buch bietet einen Einstieg in das Thema Altersvorsorge"

Sie sind keine Bankerin und keine Betriebswirtschaftlerin - woher kommt Ihr Fachwissen für das Buch?

Seit 20 Jahren kümmere ich mich journalistisch um Rententhemen. In dieser Zeit habe ich viele Experten befragt und viel recherchiert. Aber ich habe auch immer wieder Frauen getroffen, die trotz Vollzeitarbeit kaum von ihrer Rente leben können. Mein Buch bietet einen Einstieg in das Thema Altersvorsorge und verweist auf weiterführende Literatur und Beratungsangebote. Beim Thema Finanzen sollte man nicht blind dem langjährigen Bankberater vertrauen, erst recht nicht den Finanz-Influencern, die wie Pilze aus dem Boden schießen. Am besten eignet man sich eigenes Finanzwissen an.

Worin investieren Sie ganz persönlich für die Rente?

Ich will jetzt keine konkreten Namen nennen, weil das muss jeder am Ende für sich entscheiden. Aber ganz grundsätzlich investiere ich an der Börse, auch in sogenannte ETFs, das sind an der Börse gehandelte, passive Fonds. Man kann so - ohne hohe Kosten - in ganze Märkte investieren. Letztlich kann auch eine Betriebsrente eine gute Lösung sein, wenn der Arbeitgeber einen großen Anteil bezahlt. Nichts zu machen, ist auf jeden Fall die schlechteste Option.

"Nehmt eure finanzielle Zukunft selbst in die Hand"

Was würden Sie Frauen nicht nur ab 50 Jahren raten, die ihre Altersvorsorge verbessern möchten?

Informiert euch, nutzt verlässliche Quellen und scheut euch nicht, Expertenhilfe in Anspruch zu nehmen. Da gibt es tolle unabhängig Angebote für kleines Geld, etwa von den Verbraucherzentralen oder den Kirchen. Fangt so früh wie möglich an zu sparen und zu investieren. Achtet auf eine faire Aufteilung der Familienarbeit und strebt nach finanzieller Unabhängigkeit. Und vor allem: Nehmt eure finanzielle Zukunft selbst in die Hand.

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