Es sind Sätze, die haften bleiben – und politisch wie moralisch schwer wiegen. Bundeskanzler Friedrich Merz hat mit einer Äußerung am Rande des G7-Gipfels in Kanada für erhebliches Aufsehen gesorgt. Der israelische Angriff auf iranisches Territorium sei "die Drecksarbeit, die Israel macht für uns alle", sagte Merz dem ZDF. 

Mit seiner Formulierung stellt Merz sich nicht nur explizit hinter das militärische Vorgehen Israels, das völkerrechtlich – vorsichtig ausgedrückt – umstritten ist. Er macht sich den Angriff und die damit verbundene Eskalation damit auch selbst zu eigen – im Namen Deutschlands, das er repräsentiert.

"Drecksarbeit": Das Wort stammt ursprünglich aus dem Vokabular für besonders schmutzige oder skrupellose Aufgaben, die man anderen überlässt, um sich selbst die Hände nicht schmutzig zu machen. Dass ein deutscher Kanzler dieses Wort für einen Militärschlag verwendet, bei dem auch Zivilist*innen starben, ist mehr als ein rhetorisches Problem.

Und dass bei den israelischen Angriffen tatsächlich viele Zivilist*innen getötet wurden, ist gut belegt: Die kurdische Menschenrechtsorganisation Hengaw, die seit Jahren gegen das islamische Regime kämpft, spricht von mindestens 74, darunter 28 Frauen und 19 Kinder.

Kritik an Merz' "Drecksarbeit" aus der Politik

Deutliche Kritik kam prompt – unter anderem von SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner. Wer so spreche, erkenne offenbar nicht die Brisanz des Vorgangs – und nehme eine gefährliche militärische Eskalation in der Region mit auffälliger Leichtigkeit hin.

Stegner betont zu Recht: Wer als Repräsentant Deutschlands öffentlich von "Erleichterung" über eine höchstwahrscheinlich völkerrechtswidrige Militäraktion spricht, bei der auch viele Zivilist*innen getötet wurden, handelt nicht staatsmännisch, sondern grob fahrlässig.

"Merz sollte mal ein Klo putzen", empfiehlt ihm Jan van Aken, Co-Vorsitzender der Linken, in der "Süddeutschen Zeitung" höhnisch. Dann wisse er, was Drecksarbeit bedeute. Indem er von "Drecksarbeit" spreche, wenn Menschen getötet werden, verhöhne er die Opfer von Krieg und Gewalt: "Die iranische Atombombe muss verhindert werden. Das ist durch kluge Verhandlungen möglich. Oder durch einen dreckigen Krieg."

Pfarrerin Tia Pelz: Drecksarbeit im christlichen Sinne

Und auch außerhalb der politischen Sphäre regt sich Widerspruch. Die evangelische Nürnberger Pfarrerin Tia Pelz reagierte mit einem Instagram-Video. Darin erinnert sie Merz an eine andere Art von "Drecksarbeit" – eine, die tief im christlichen Glauben verwurzelt ist.

Sie zitiert das Johannesevangelium: Jesus als der gute Hirte, der sein Leben für die Schafe gibt. Eine "jesuanische Drecksarbeit", nennt Pelz das – im Dienst an den Schwachen, nicht in Form von Gewalt gegenüber den vermeintlichen Feinden.

Ihre Frage, nicht nur an Merz, lautet: Willst du der Hirte sein – oder der Wolf?

Die Dimension, die hier aufgemacht wird, trifft einen wunden Punkt. Denn Merz hat sich nicht nur außenpolitisch und völkerrechtlich angreifbar gemacht. Wer sich auf christliche Werte wie Verantwortung, Menschenwürde und Frieden beruft, kann militärische Gewalt nicht einfach achselzuckend als notwendiges Übel abnicken – und erst recht nicht als "Drecksarbeit für uns alle".

Merz offenbart mit wenigen Worten viel

Friedrich Merz hat mit wenigen Worten viel offenbart. Seine Formulierung wirft viele Fragen auf: nach seinem Verständnis von internationalem Recht, nach deutscher Verantwortung in bewaffneten Konflikten – und nicht zuletzt nach seiner Haltung zur Rolle der Gewalt in der Politik.

Es bleibt zu hoffen, dass der Kanzler nicht nur über seine Wortwahl nachdenkt, sondern auch über deren tiefere Bedeutung. Denn in einer Welt immer neuer, immer brutalerer Kriege ist Klarheit gefragt – nicht Zynismus.

Kommentare

Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.

Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.

Anmelden

Magnolie am Don, 19.06.2025 - 20:51 Link

Hallo Herr Marquart,
dieser Artikel spricht mir aus dem Herzen.

Das Wort Drecksarbeit in diesem Zusammenhang ist einfach menschenverachtend und ganz sicher nicht im Sinne von Jesus Christus.

Florian Meier am Don, 19.06.2025 - 08:09 Link

Man kann nun sicher das mangelnde Geschick des Herrn Merz kritisieren sich diplomatischer oder vorsichtiger zu äußern, die Unvernunft das eigene Land in einen Konflikt hinein zu ziehen, der für viele doch weit weg zu sein scheint und Gewalt nicht grundsätzlich zu ächten. Die moralische Selbstüberhöhung der Kritiker ist aber selbst ziemlich verlogen. Herr van Aken will Bomben also wegverhandeln? Warum sollte sich der Iran darauf einlassen? Insbesondere Europa hat so ziemlich gar nichts anzubieten über das es sich zu verhandeln lohnte und ist mit seinem Versuch eines Atomdeals grandios gescheitert. Der Iran überzieht die Region seit Jahren mit ziemlich rücksichtsloser Gewalt durch Unterstützung allerlei Paramilitärs und ist auch hart gegenüber der eigenen Bevölkerung. Damit ist der Iran in der Region sicher nicht allein, aber der Ruf nach Verhandlungen, wenn das Kind längst in den Brunnen gefallen ist, ist ebenso billig wie die Vulgärsprache des Kanzlers. Immerhin kann man Herrn Merz zugute halten, dass er von Dreck also einer durchaus als moralisch zweifelhaft erkannter Handlung spricht. Eine Verharmlosung ist das jedenfalls nicht sondern vermutlich ziemlich ehrlich und Ehrlichkeit auch wenn sie sich unter Diplomaten in dieser Form eher nicht empfiehlt sollte eigentlich nicht moralisch abgewertet werden. Nun die Opfer zu zählen, während die Region längst von massiver Gewalt durchzogen war: Syrien, Kurdistan, Irak, Jemen, Israel, Ägypten, Libanon - um nur einiges zu nennen - ist auch etwas geschichtsvergessen. Natürlich ist eine Ordnung, wo Kooperation, Frieden und Recht über das Recht des Stärkeren dominieren absolut wünschenswert. Diese ist aber nicht erst seit gestern und sicher nicht primär durch den sauerländischen Neudiplomaten gefährdet. Biblische Texte sind als mittel moderner Diplomatie auch nur bedingt tauglich. Jesus war kein Staatenlenker einer Republik, sondern ein Handwerkersohn in einer von einer übermächtigen Besatzungsarmee kontrollierten Region, die jeden Aufständischen grausamst wegmetzeln konnte und dies bisweilen auch tat, so dass Warnung vor gewaltsamen Widerstand absolut situationsgerecht war. Der Bibel ist eine pazifistische Grundhaltung gar nicht abzusprechen und tatsächlich ist der Ton in der militärische Gewalt normalisiert wird (nicht nur durch Herrn Merz) sehr beängstigend. Mit Küchenweisheiten wird man aber der Welt sicher deswegen auch keinen Frieden wiederbringen. Etwas komplexer darf es schon sein.