Nach den tödlichen Schüssen eines Polizisten auf den 16-Jährigen Mouhamed Dramé in Dortmund sind Forderungen nach Aufklärung und der Einführung einer externen Polizei-Beschwerdestelle laut geworden.

Die Ereignisse müssten gründlich untersucht und aufgeklärt werden, forderte der Deutsche Anwaltverein (DAV). Die Auslagerung der Ermittlungen an die Polizei Recklinghausen habe "nur symbolischen Wert", sagte der Polizeiwissenschaftler Rafael Behr im WDR-Radio. Am Dienstagabend demonstrierten in Dortmund etwa 250 Menschen gegen Polizeigewalt.

Auf Twitter forderten Tausende User*innen unter dem Hashtag #Justice4Mouhamed eine lückenlose Aufklärung des Tathergangs. Gleichzeitig nutzten andere User*innen den Hashtag zur Verbreitung rassistischer Abwertungen. 

Fünf Schüsse in Gesicht, Bauch, Unterarm und Schulter

Am Montagnachmittag hatte ein Polizeibeamter vor einer Jugendhilfeeinrichtung in der Dortmunder Nordstadt laut Staatsanwaltschaft mit einer Maschinenpistole sechsmal auf den 16-jährigen Senegalesen geschossen. Fünf Schüsse hätten den Jugendlichen an Bauch, Gesicht, Unterarm und Schulter verletzt. Er starb im Krankenhaus. Bei der Waffe handelte es sich den Angaben zufolge um eine Maschinenpistole des Typs MP5. Die Polizei war mit elf Beamten vor Ort. Aus "Neutralitätsgründen" übernahm die Polizei Recklinghausen die Ermittlungen.

Der Jugendliche selbst habe bisherigen Erkenntnissen zufolge ein Messer dabei gehabt, sagte der Dortmunder Oberstaatsanwalt Carsten Dombert dem Sonntagsblatt. Was genau er damit vorhatte, sei nicht klar. Es stehe im Raum, dass der 16-Jährige suizidale Absichten gehabt haben könnte, sagte Dombert. Der Jugendliche sei kurz vor dem Vorfall in der Nordstadt in einer psychiatrischen Klinik gewesen.

Mouhamed Dramé soll erst vor einer Woche in Dortmund angekommen sein. Anscheinend hat er seine beiden Eltern und seinen Bruder auf der Flucht verloren. 

Experte fordert unabhängigen Polizeibeauftragten

Polizeiexperte Behr, Professor an der Akademie der Polizei Hamburg, verlangte einen externen, unabhängigen Polizeibeauftragten. Eine solche Stelle, die nicht im Hierarchiesystem der Polizei verortet sein und Ermittlungskompetenzen haben sollte, gebe es in Deutschland noch nicht, sagte der Wissenschaftler im WDR-Radio. Er nannte den Einsatz einer Maschinenpistole in diesem Fall "ungewöhnlich". Diese Waffen gehörten seit den Anschlägen 2015 in Paris zur Ausstattung deutscher Polizeiwagen, seien aber nur für "absolute Ausnahmefälle" vorgesehen.

Der Deutsche Anwaltverein mahnte, polizeiliche Maßnahmen müssten "auch im konkreten Einsatz verhältnismäßig sein". Ob das im Dortmunder Fall eingehalten wurde, müsse gründlich geprüft werden. Der DAV forderte zudem die Einrichtung unabhängiger Beschwerdestellen bei der Polizei in Bund und Ländern. Diese müssten mit den erforderlichen Ermittlungsbefugnissen ausgestattet werden, um Hinweisen nachgehen zu können. Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International schloss sich der Forderung an.

Erschüttert über Tod des Jugendlichen

Verena Schäffer, Grünen-Fraktionsvorsitzende im nordrhein-westfälischen Landtag, zeigte sich erschüttert vom Tod des Jugendlichen, der nach Deutschland geflüchtet sei, "um hier eine sichere Zukunft zu haben". Die Hintergründe und Abläufe des Polizeieinsatzes müssten gründlich untersucht werden. Erst nach den staatsanwaltschaftlichen und polizeiinternen Ermittlungen sei "eine sachlich fundierte Bewertung des Einsatzes und das Ziehen möglicher Konsequenzen möglich". Das NRW-Innenministerium äußerte sich auf Anfrage zunächst nicht zum Tod des Jugendlichen.

Laut Staatsanwaltschaft wird mit Blick auf den Polizeibeamten, der auf den Jugendlichen geschossen hatte, der Anfangsverdacht der Körperverletzung mit Todesfolge geprüft. Die Entscheidung darüber, ob Anklage erhoben oder das Verfahren eingestellt wird, werde noch einige Wochen dauern, sagte Oberstaatsanwalt Dombert.