Führende Entwicklungspolitiker unterschiedlicher Parteien haben einen Appell gegen die geplante Kürzung des Entwicklungsetats im Bundeshaushalt 2023 gestartet. "Uns erfüllt diese Entwicklung mit großer Sorge", heißt es in dem am Donnerstag in Berlin veröffentlichten Papier mit dem Titel "Lasst sie nicht verhungern!". Unterzeichnet wurde der Appell vom amtierenden Vorsitzenden des Entwicklungsausschusses im Bundestag, Christoph Hoffmann (FDP), sowie mehreren Amtsvorgängern von Union, Grünen und SPD.
Drohende Hungersnot
Sie verweisen darin auf die drohende Hungersnot. Die Not in bedrängten Regionen sei immens, schreiben sie. In den vergangenen Monaten seien mindestens 45 Millionen Menschen zusätzlich von bedrohlicher chronischer Unterernährung getroffen worden, heißt es mit Verweis auf Zahlen der Vereinten Nationen. "Im Klartext: Sie drohen zu verhungern", betonen die aktiven und früheren Parlamentarier, darunter auch Peter Ramsauer und Dagmar Wöhrl (beide CSU), Thilo Hoppe (Grüne) sowie Uwe Holtz (SPD), der von 1974 bis 1994 dem Entwicklungsausschuss vorsaß.
Der Haushaltsentwurf der Regierung für das kommende Jahr sieht den Angaben zufolge im Topf für das Entwicklungsministerium 1,27 Milliarden Euro weniger vor, als in diesem Jahr zur Verfügung steht. Die Entwicklungspolitiker fordern statt einer Kürzung eine Erhöhung um 2,7 Milliarden Euro, von denen ein Teil auch an die humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt sowie über das Agrarministerium an die Welternährungsorganisation FAO gehen sollen.
Klimaexperte: Teile Pakistans drohen unbewohnbar zu werden
Wie stark das Problem mit der Klimakrise zusammenhängt, zeigt der Blick nach Pakistan. Mit der fortschreitenden Erderwärmung drohen Teile Pakistans nach Einschätzung des Klimaexperten Michael Kühn unbewohnbar zu werden. Wenn der Boden den heftigen Monsun-Regen nicht mehr aufnehmen kann oder Flüsse infolge von Gletscherschmelzen überlaufen, "dann haben wir genau diese Situation", sagte der Referent für Klimapolitik der Welthungerhilfe dem Sonntagsblatt.
Wegen des Klimawandels würden solche Katastrophen auch in Pakistan, das derzeit unter verheerenden Überschwemmungen leidet, häufiger und intensiver. Sie seien dann oft auch "nicht mehr bewältigbar". Reiche Länder müssten Staaten wie Pakistan mehr Geld zur Verfügung stellen, um die Folgen der Klimakrise abzumildern.
Hunderttausende Menschen vertrieben
Große Teile Pakistans werden in diesem Jahr von überdurchschnittlich starken Regenfällen während des Monsuns heimgesucht. Mehr als 1.000 Menschen kamen ums Leben, Hunderttausende Frauen, Männer und Kinder wurden vertrieben. Häuser, Straßen und Brücken wurden zerstört.
Der Klimawandel trage einen großen Teil zur Flutkatastrophe in Pakistan bei, sagte Kühn. Die Erwärmung des Indischen Ozeans sei einer der "treibenden Faktoren" des derzeit starken Monsun-Regens. Zugleich gebe es lokale Umstände wie die hohe Luftverschmutzung im Süden Pakistans, die das Wetter beeinflussten. Für das Ausmaß der Katastrophe spiele auch eine Rolle, ob es Vorsorgepläne gebe und wie die Substanz von Gebäuden sei. Wie genau die einzelnen Faktoren zusammenspielten und welchen genauen Anteil der Klimawandel an der Katastrophe habe, sei nicht mit hundertprozentiger Sicherheit zu sagen. Dass die Erderwärmung eine große Rolle spiele, sei aber unstrittig, betonte Kühn.
Der Experte der Welthungerhilfe zeichnete ein verheerendes Bild der Lage in den Flutgebieten. Die Zahl der Toten werde wahrscheinlich steigen, wenn das Wasser abfließt, sagte er. "Höfe, Ernten und Nutztieren wurden weggespült", sagte Kühn. Kurzfristig müsse den Menschen mit der Verteilung von Nahrung und sauberem Wasser geholfen werden. Zugleich sei bereits jetzt der Wiederaufbau zu planen. Dafür müsse die internationale Gemeinschaft mehr Geld bereitstellen.
Solidarität reicher Länder gefordert
Kühn sprach sich auch für einen von reichen Ländern finanzierten "globalen Solidaritätsfonds" aus, der ärmere Länder bei der Bewältigung im Umgang mit Verlusten und Schäden an den Klimawandel unterstützt. Damit sollten etwa Umschulungsprogramme für Menschen finanziert werden, deren Lebensgrundlage zerstört wurde. Doch bei zunehmenden Extremwettereignissen gebe es auch Grenzen bei der Anpassung. "Letztendlich muss man sich auch mit der Frage der Umsiedlung beschäftigen", sagte Kühn.