Am 22. November 1963 flimmerte plötzlich eine Eilmeldung des Fernsehsenders CBS aus Dallas, Texas, über die Bildschirme: "Präsident Kennedy ist um 13 Uhr zentraler Standardzeit gestorben, 14 Uhr Ostküstenzeit, vor etwa 38 Minuten." Die Nachricht schockierte vor 60 Jahren die Welt. Über mögliche Motive für das Attentat auf John F. Kennedy (1917-1963) wird in den USA noch heute gerätselt und gestritten.

Sein Name steht für Charisma, Aufbruch und Glanz. Der demokratische Politiker war mit 43 Jahren der jüngste gewählte US-Präsident, gewann die Wahlen mit hauchdünner Mehrheit gegen Richard Nixon. In Deutschland bleibt sein West-Berlin-Besuch im Juni 1963 in Erinnerung, mit dem legendären Ausspruch "Ich bin ein Berliner" vor dem Schöneberger Rathaus.

Ich bin ein Berliner: John F. Kennedy

Nur wenige Monate später bereisten der Präsident und seine Frau Jackie Kennedy Texas. Alles sah sehr friedlich aus an jenem 22. November: Jackie mit schickem Pillbox-Hut, JFK mit seinem berühmten Lächeln, winkend in der Limousine auf dem Weg durch die Stadt, vorbei an jubelnden Menschen.

Im Auto der Kennedys saßen auch der texanische Gouverneur John Connally und seine Ehefrau. "Mr. President, Sie können nicht sagen, dass Dallas Sie nicht liebt", habe Nellie Connally gesagt, erzählte ihr Ehemann später. Nur Sekunden danach fielen drei Schüsse. Der erste ging daneben, so steht es im Bericht der Untersuchungskommission. Der zweite traf Kennedy im Hals und Connally in der Brust, am Bein und an der Hand. Der dritte und tödliche Schuss zerfetzte Kennedys Hinterkopf.

Mord von Kennedy

Die Limousine raste zum Parkland Memorial Hospital. Umstehende zeigten auf ein Fenster eines Lagerhauses für Schulbücher. Der Verdacht fiel auf den 24-jährigen Lagerarbeiter Lee Harvey Oswald. Auf der Flucht erschoss er einen Polizisten und wurde festgenommen.

Die Schüsse waren vom sechsten Stockwerk des Lagerhauses abgefeuert worden, wo die Polizei später drei Patronenhülsen und ein Gewehr fand. Oswald war tatsächlich der Mörder, und er war ein Einzeltäter, zu diesem Ergebnis kam die offizielle Untersuchungskommission. Noch heute allerdings geben die Tatmotive Rätsel auf.

Was man über Oswald weiß: geboren 1939, freiwilliger Dienst bei den Marineinfanteristen 1956 bis 1959, wo er mit pro-sowjetischen Äußerungen aufgefallen sein soll. 1959 reiste Oswald in die Sowjetunion. Er fand dort anscheinend kein Zuhause und kehrte im Juni 1962 zurück. In den USA fand er Jobs als Hilfsarbeiter, war aktiv in einem Kuba-Solidaritätskomitee. Er sei Marxist, sagte er in einem Fernsehinterview.

Seitdem sind stapelweise Bücher zum Kennedy-Mord erschienen. Zuletzt kamen im Oktober die Erinnerungen des Secret-Service-Personenschützers Paul Landis unter dem Titel "The Last Witness" ("Der letzte Zeuge") heraus. In einem Detail weicht sein Bericht von dem der Untersuchungskommission ab: Laut Kommission wurde die zweite Kugel auf der Bahre gefunden, auf der Connally ins Krankenhaus eingeliefert worden sei. Nein, sagt Landis, er habe die Kugel auf einem Rücksitz der Limousine entdeckt.

Kennedys Tod und die Ermittlungen

Auf diese Kugel konzentrieren sich die Zweifel am Bericht der Kommission. Es sei unmöglich, dass diese als "magisch" verspottete Kugel Kennedys Hals durchschlagen und dann Connally mehrfach verletzt haben soll. Es müsse einen weiteren Schuss gegeben haben, also einen zweiten Täter. Die Spekulationen, wer in den Mord verwickelt sein könnte, erstrecken sich von der CIA, die über Kennedys Außenpolitik besorgt gewesen sein soll, bis zum kubanischen Staatschef Fidel Castro, gegen den Kennedy Mordpläne schmiedete.

Die Straßen von Dallas seien in der Mordnacht fast menschenleer gewesen, berichtete die Zeitungsredakteurin Vivian Castleberry 2008 in einem Interview für das "Sixth Floor Museum" in Dallas, Anlaufstation für Touristen und Zweifler. Sie sei durch die "Geisterstadt" gegangen und am Nachtclub "The Carousel Club" vorbeigekommen. Er war geschlossen, an der Tür hing ein Kranz, wie sie sich erinnerte. Sie habe nicht wissen können, dass der Besitzer namens Jack Ruby rund um den Fall eine große Rolle spielen würde.

Zwei Tage nach dem Attentat drängte sich Ruby unter die Polizisten und Reporter, als Oswald von der Polizeiwache in ein Gefängnis transportiert werden sollte. Vor laufenden Kameras zog Ruby seinen Colt und erschoss Oswald. Rubys Motive sind so unklar wie Oswalds. "Ich hoffe, ich habe den Hurensohn getötet", hat Ruby laut Medienberichten nach dem Schuss mehrmals gerufen.

Er wurde zum Tode verurteilt, das Urteil allerdings wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben. Vor dem zweiten Prozess starb Ruby 1967 an einer Lungenembolie.

Auch wenn viele US-Amerikaner gerne eine Erklärung hätten, die groß genug ist für das Ausmaß der Tat: Schlüssige alternative Versionen des Tathergangs, die sich vom Bericht der Untersuchungskommission unterscheiden, gibt es nicht. Er könnte die Tat nicht erklären, sagte nach dem Mord Kennedys Amtsvorgänger, der Republikaner Dwight Eisenhower. Er wisse nicht, was man gegen einen "gelegentlichen psychopathischen Vorfall" tun könne. Was bleibt, ist der Mythos John F. Kennedy.

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