Ein Großteil der Deutschen hält die Maßnahmen der Bundesregierung zur Bekämpfung von Kinderarmut einer Umfrage zufolge für unzureichend. Lediglich sieben Prozent der Erwachsenen sowie fünf Prozent der Kinder und Jugendlichen seien der Meinung, dass sehr viel zu deren Reduzierung getan werde, heißt es in dem am Donnerstag vom Deutschen Kinderhilfswerk in Berlin vorgestellten Kinderreport 2023. Demnach finden 72 Prozent der Erwachsenen sowie 61 Prozent der Kinder und Jugendlichen, dass nur wenig gegen Kinderarmut getan wird.

Bei der Frage, wie die Kinderarmut in Deutschland bekämpft werden sollte, spricht sich ein Großteil der Befragten für die Unterstützung von einkommensschwachen Familien mit Lehrmittelfreiheit sowie für kostenfreie Beteiligungsmöglichkeiten an Bildung, Kultur und Sport aus. Eine Mehrheit plädiert überdies für kostenlose Ganztagsbetreuungen, kostenfreies Essen in Schulen und Kitas sowie günstigen Wohnraum.

Unterschiede in der Sensibilität für Armut

Der Bundesgeschäftsführer des Kinderhilfswerks, Holger Hofmann, wies bei der Vorstellung des Berichts auf Unterschiede in der Sensibilität für Armut hin. Knapp 40 Prozent der befragten Erwachsenen mit Hauptschulabschluss, aber lediglich 19 Prozent derjenigen mit Abitur seien der Ansicht, dass wenig für die Bekämpfung von Kinderarmut getan wird. Unter Kindern und Jugendlichen teilten diese Auffassung 15 Prozent der Hauptschüler und lediglich fünf Prozent der Gymnasiasten.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) nannte bei der Vorstellung des Berichts geringe Einkommen als Hauptgrund für Kinderarmut. Jedes fünfte Kind wachse in Deutschland in Armut auf. Dagegen sei ein "wirksames finanzielles Sicherheitsnetz" erforderlich, sagte sie unter Anspielung auf die geplante Kindergrundsicherung. Hauptkriterium für deren Erhalt werde das Einkommen sein.

Im Rahmen der Kindergrundsicherung würden bestehende Leistungen durch eine einzige ersetzt. Sie sei zuversichtlich, dass für die ab 2025 geplante Kindergrundsicherung am Ende mehr als die bislang eingeplanten zwei Milliarden Euro im Haushalt bereitgestellt werden.

Kinder zu bekommen ist Armutsrisiko

Der Präsident des Deutschen Kinderhilfswerkes, Thomas Krüger, sagte, Kinder zu bekommen, sei eines der Armutsrisiken in Deutschland. Nötig sei ein Gesamtkonzept, das mit ausreichend finanziellen Mitteln ausgestattet sei und umfassende Reformen bündele: "Es braucht höhere Löhne, mehr Unterstützung für Alleinerziehende, mehr Investitionen in Schulen und Kitas, mehr bezahlbaren Wohnraum und höhere und leichter zugängliche Sozialleistungen." Dafür gelte es, dicke Bretter zu bohren:

"Mit kleinen Reförmchen kommen wir nicht weiter."

Kinderarmut in Deutschland sei ein "gesellschaftlicher Skandal". Zu häufig erreichten die zur Verfügung Mittel stehenden Mittel nicht die Anspruchsberechtigten, sagte Krüger. Er forderte einen nationalen Aktionsplan gegen Kinderarmut.

Für den diesjährigen Kinderreport wurden im Januar 1.011 Erwachsene in computergestützten Telefoninterviews sowie 682 Kinder ab zehn Jahren und Jugendliche online befragt.

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