Die Münchner Lehramtsstudentin und Klimaaktivistin Lisa Poettinger wehrt sich gegen eine drohende Nichtzulassung zum Referendariat im bayerischen Schuldienst. "Ich möchte mich erfolgreich zur Wehr setzen", sagte sie bei einer Pressekonferenz am Freitag in München. Sie wolle Lehrerin werden, aber auch ihren Protest für Klimagerechtigkeit fortsetzen.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), in der Poettinger Mitglied ist, garantiere ihr Rechtsschutz für ein wahrscheinlich bevorstehendes Verwaltungsverfahren, sagte die Münchner GEW-Geschäftsführerin Siri Schultze. Zudem unterstütze die GEW sie juristisch gegen ein mögliches Ausbildungsverbot.

Teilnahme an antikapitalistischem Klimatreffen

Poettinger hatte am 22. November 2024 vom bayerischen Kultusministerium ein Anhörungsschreiben erhalten. Darin teilte das Ministerium mit, dass es beabsichtige, Poettinger die Zulassung zum Vorbereitungsdienst zu versagen. 

Als Begründung werden nicht etwa Zweifel an Poettingers fachlicher Eignung angeführt, sondern ihr politisches Engagement, insbesondere ihr Einsatz für  Klimaschutz. So wird der Münchnerin unter anderem vorgeworfen, die Automesse IAA 2021 als "Symbol für Profitmaximierung auf Kosten von Mensch, Umwelt und Klima" bezeichnet zu haben. 

Das Ministerium schreibt dazu: "Profitmaximierung" ist ein Begriff aus der kommunistischen Ideologie." Daraus folgert es, dass die Studentin "die im Grundgesetz festgeschriebene freiheitliche demokratische Grundordnung" ablehne.

Auch ihre Teilnahme am "Offenen Antikapitalistischen Klimatreffen München" war dem Ministerium demnach ein Dorn im Auge. Es steht auf der Liste "extremistischer oder extremistisch beeinflusster Organisationen" des Freistaats. Anwärter für den öffentlichen Dienst müssen angeben, ob sie einer dieser Vereinigungen angehören.

Am 16. Dezember hatte Poettinger eine Antwort ans Kultusministerium verfasst. Darin hatte sie unter anderem damit argumentiert, dass die Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht in der Verfassung festgelegt sei.

Laut Kultusministerium wird Poettingers Fall "derzeit geprüft". Ein finaler Bescheid stehe noch aus. Die 28-Jährige hat ihr erstes Staatsexamen abgeschlossen und arbeitet derzeit in einem Kindergarten. Das Referendariat sollte eigentlich im Februar beginnen.

AfD-Wahlplakat zerstört

Laut Poettingers Anwältin Adelheid Rupp ist auch der Ausgang der laufenden Strafverfahren abzuwarten. Die Münchnerin hatte ein AfD-Wahlplakat zerstört und bei einer Demonstration gegen Kohleabbau in Lützerath Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte geleistet. Das zu erwartende Strafausmaß werde aber "nicht geeignet sein, um ein Berufsverbot zu rechtfertigen", zeigte sich Rupp überzeugt.

Besonders gravierend findet die Anwältin laut eigener Aussage den Umstand, dass das Ministerium keine positiven Aspekte von Poettingers Engagement in seine Bewertung einfließen ließ. "Ihr Einsatz für Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit und demokratische Werte - allesamt Themen, die gerade junge Menschen beschäftigen - wird komplett ausgeblendet." Stattdessen werde die Studentin schon aufgrund noch laufender Ermittlungen als ungeeignet eingestuft.

Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) hatte am Dienstag betont, der Freistaat müsse sicherstellen, dass sich Anwärter für den Staatsdienst "durch ihr gesamtes Verhalten" zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen: "Wer nicht mit beiden Beinen fest auf dem Boden unserer Verfassung steht, den lassen wir nicht in den staatlichen Schuldienst." 

Kultusministerium: "Vereinzelte" Entlassung von Lehrkräften in Bayern

Entlassungen von Lehrkräften aus dem Schuldienst gab es in Bayern in den vergangenen Jahren "ganz vereinzelt", so das Kultusministerium. Grund sei jeweils eine Zugehörigkeit zur Reichsbürger-Szene gewesen, also zum rechtsextremistischen Spektrum.

In Bayern haben bereits Schulreferendare einen Beamtenstatus. Voraussetzung für diese erste "Verbeamtung auf Widerruf" ist eine fachliche und charakterliche Eignung. Letztere prüft das Kultusministerium unter anderem mit einem Fragebogen zur Verfassungstreue. Darin müssen Lehramtsanwärter bestätigen, dass sie keiner der mehr als 200 aufgelisteten Vereinigungen angehören.

Auf der Liste zählt das Innenministerium rund 40 Organisationen zum linksextremistischen, 60 zum rechtsextremistischen und 100 zum islamistischen Spektrum. Anwältin Rupp zufolge gibt es jedoch eine Rechtsprechung, nach der die Beteiligung an vom Verfassungsschutz erwähnten Gruppen nur dann relevant ist, "wenn im Einzelnen belegt wird, dass dieses Mitglied sich aktiv gegen die Verfassung verhalten hat", sagte sie. Laut Kultusministerium entscheidet jeweils eine Einzelfallprüfung.

Wird Poettinger in Bayern nicht zum Referendariat zugelassen, gilt ihre Lehrerausbildung als nicht beendet. Wolle sie dennoch als Lehrerin arbeiten, könne sie höchstens als Aushilfslehrerin tätig sein oder Bayern verlassen, sagte sie bei der Pressekonferenz.

(om/epd)

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