Christoph Lang, seit Anfang des Jahres 2021 Bezirksheimatpfleger von Schwaben, will das Thema Zwangsarbeit für seinen Regierungsbezirk aufarbeiten. Der Volkskundler, Musikwissenschaftler und Historiker, der auch Lehrbeauftragter an der Uni Augsburg ist, richtet am 24. und 25. März in Irsee eine Tagung über Zivilisten und Kriegsgefangene als Zwangsarbeiter aus.

"Wir versuchen, die Thematik etwas zu erhellen."

Über die Suchmaschine lässt sich auf einen Klick im Internet feststellen, dass das Thema "Zwangsarbeit" sehr viel weniger präsent ist als andere Themen aus der NS-Zeit. Warum ist das so?

Christoph Lang: Das stimmt - wobei zwischen zivilen Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen, die als Zwangsarbeiter eingesetzt waren, unterschieden werden muss. Was die Kriegsgefangenen anbelangt, liegt deshalb so viel im Dunkeln, weil die Quellenüberlieferung nicht einfach ist. Wir haben zum einen das Kriegsgefangenenlager. In unserem Fall war dies das Stalag VII B in Memmingen. Die Arbeitskommandos allerdings waren in Schwaben verstreut. Sagen wir, ein Arbeitskommando befand sich in Günzburg. Das wurde aber in Günzburg nicht direkt erfasst. Also finden sich keine Unterlagen im Günzburger Stadtarchiv zur Zwangsarbeit der Kriegsgefangenen. Man müsste an unzähligen Orten des Bezirks Informationen sammeln, um einen Überblick zu bekommen. Durch die Tagung, wo jeder etwas beitragen kann, versuchen wir, die Thematik etwas zu erhellen.

Ein Mann vor Bäumen, er lächelt
Christoph Lang, Bezirksheimatpfleger von Schwaben.

"Die Tatsache, dass ausländische Arbeitskräfte da waren, wurde lange nicht als Verbrechen anerkannt."

Wie verhält es sich mit den zivilen Zwangsarbeitern?

Um die zivilen Zwangsarbeiter geht es uns stark. Das waren Menschen, die man in Polen, der Ukraine oder Russland als Kriegsbeute geholt hat. Einige wurden vor dem Krieg angeworben. Sie kamen freiwillig, konnten aber, als sie da waren, nicht einfach wieder gehen. Bemerkenswert ist allein, dass man - sucht man im Staatsarchiv Augsburg nach "Zwangsarbeitern" - nichts findet. Man muss nach "Ausländische Arbeitskräfte" suchen.

Die Tatsache, dass ausländische Arbeitskräfte da waren, wurde lange nicht als Verbrechen anerkannt. Auch die Entschädigung der Zwangsarbeiter wurde erst Ende der 1990er-Jahre ein Thema. Dabei ging es in erster Linie um die zivilen Zwangsarbeiter, für die in die Rentensysteme eingezahlt wurde, die allerdings nichts bekommen haben. Auch auf die rassistischen Unterschiede wurde man erst im Laufe der Jahrzehnte aufmerksam. Ein katholischer polnischer Knecht wurde oft behandelt wie der schwäbische Knecht, der sich im Krieg befand. Das verhielt sich bei orthodoxen russischen Zwangsarbeitern meist anders.

"Verbrechen wurden in der eigenen Nachbarschaft begangen. Es geschah vor jeder Haustüre."

Ihr Ressort beim Bezirk ist die Heimatpflege. Bei diesem Stichwort fällt einem "Denkmalschutz" oder "Mundart" ein. Warum ist die Beschäftigung mit "Zwangsarbeit" für Sie so wichtig?

Mein Bestreben ist es, Themen aus der Vergangenheit aufzuarbeiten und so zu vermitteln, dass sie positiv in die Zukunft wirken können. Wenn wir die Verbrechen der Vergangenheit sehen, können wir resilienter werden und verhindern, dass diese Verbrechen in der Zukunft wieder geschehen. Mir ist es besonders wichtig, für Strukturen von Gewalt zu sensibilisieren. Gerade das Thema Zwangsarbeit eignet sich sehr gut dazu, aufzuzeigen, dass Nationalsozialismus nicht etwas war, was nur in München, Berlin, Nürnberg und Dachau passiert ist. Und was nicht etwas war, was Adolf Hitler und seine Vertrauten der Bevölkerung eingebrockt haben. Verbrechen wurden in der eigenen Nachbarschaft begangen. Es geschah vor jeder Haustüre.

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