In der Debatte über Flucht und Menschenrechte haben sich nach Überzeugung der Erlanger Professorin Anuscheh Farahat die Werte verschoben. Das sehe man etwa am Umgang mit der privaten Seenotrettung, sagte die Rechtswissenschaftlerin, die am 2. Februar beim Fachkolloquium "Flucht, Migration und Menschenrechte" spricht.

Die Diskussion über ein vermeintlich strafbare Handeln der Seenotretter zeige eine Werteverschiebung in der Gesellschaft, die sie frappierend finde:

"Unchristlicher geht es nicht."

Sie bezieht sich mit ihrer Kritik auf die ursprüngliche Version des sogenannten Rückführungsverbesserungsgesetzes, mit dem die Flüchtlingsunterstützer Schleusern gleichgestellt werden sollten. Dieses Ansinnen wurde im Ausschuss wieder gestrichen. Das Gesetz hatte der Bundestag am 18. Januar beschlossen.

Farahat: EU-Staaten begehen Menschenrechtsverletzungen

Der EU-Gerichtshof für Menschenrechte betone immer wieder, dass Flüchtlinge ihre Rechte nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch wahrnehmen können müssen, sagte Farahat.

"Europäische Staaten dürfen Menschenrechte nicht unterlaufen."

Versuche der nationalen oder europäischen Politik, durch Abkommen etwa mit Libyen oder Nigeria Schutzsuchende daran zu hindern, europäischen Boden zu erreichen, sind aus ihrer Sicht daher Menschenrechtsverletzungen. Dasselbe gelte für beauftragte Fischerboote im Mittelmeer, die Flüchtlinge aus dem Meer retten und wieder zurück nach Afrika bringen.

Menschenrechte gelten für alle

Die Juristin, Mitglied des Zentrums für Menschenrechte Erlangen-Nürnberg (CHREN), erinnert an die "mittelbare Täterschaft im Strafrecht". Obwohl jemand nicht unmittelbar an einer Tat beteiligt ist, "ist man trotzdem verantwortlich", erklärte Faharat.

Wenn beispielsweise Italien Bootsflüchtlinge nach Albanien bringe, um im Nicht-EU-Land nach italienischem und EU-Recht über Asylanträge zu entscheiden, entstehe aus menschenrechtlicher Sicht die Frage nach dem vorläufigen Rechtsschutz. Denn nach einem Ablehnungsbescheid müssten die Flüchtlinge auch die Möglichkeit haben, sich vor Gericht zu wehren.

"Menschenrechte sind universalistisch, das heißt, sie gelten unbegrenzt für alle Individuen. Das lässt sich auch aus juristischer Sicht nichts hinausdefinieren."

Faharat zählt zu den Menschenrechtsverletzungen auch die sogenannten Pushbacks an der EU-Außengrenze, die illegal sind. Das gelte etwa im Mittelmeer für das Abdrängen oder Zurückführen genauso wie etwa an der Grenze von Griechenland zur Türkei. "Dort werden von griechischen Behörden Flüchtlinge brutal mit Stöcken zurückgedrängt."

Juristin: Flüchtlinge kommen nicht wegen Bürgergeld

Sie kritisiert, dass auch zivilgesellschaftliches Engagement "zunehmend kriminalisiert" werde. Das habe sie etwa an der EU-Außengrenze von Polen zu Belarus beobachtet. Anders als in der deutschen Öffentlichkeit häufig diskutiert, sei aus wissenschaftlicher Sicht klar, dass Flüchtlinge nicht wegen des Bürgergelds nach Deutschland kommen. Dahinter stünden vielmehr lange Entscheidungsprozesse, bevor man sich auf das Wagnis der Flucht einlasse.

Beim Fachkolloquium im Nürnberger Caritas-Pirckheimer-Haus, bei dem die Juristin sprechen wird, werden wissenschaftliche Ergebnisse der Migrations- und Menschenrechtsforschung diskutiert. Ein weiterer Teil der Veranstaltung widmet sich der Menschenrechtsbildung.

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