Der kleine Noah nähert sich mit tapsigen Schritten dem Erzieher, der gerade im Schneidersitz auf die spielenden Kleinkinder der "Enten"-Gruppe aufpasst. Der Eineinhalbjährige klammert sich am Pullover des Kindergärtners fest und klettert auf dessen Schoß. Christian Siry schlägt für Noah ein Bilderbuch auf. Der Erzieher imitiert eine Baggerschaufel mit seiner linken Hand, zerlegt das Wort Feuerwehrauto in seine Silben.
Siry erklärt:
"Ich versuche, die Kinder immer zum Sprechen und Interagieren anzuregen. Das ist in diesem Alter besonders wichtig."
Im Jahr 2020 beschließt Christian Siry, eine Ausbildung zum Erzieher zu beginnen. "Meine Eltern hatten gehofft, ich würde meine Entscheidung noch einmal überdenken", sagt er und lacht. Doch heute, zwei Jahre später, bereut er seinen Entschluss keine Sekunde.
"Ich musste bei meinem Vater richtige Überzeugungsarbeit leisten und ihm verständlich machen, dass ich keinen Bürojob möchte, sondern eine für mich erfüllende Tätigkeit."
Das Klischee, Erziehung ist Frauensache, sei immer noch weit verbreitet.
Nur sieben Prozent aller Kindergärtner*innen Männer
Laut Statistischem Bundesamt sind deutschlandweit nur rund sieben Prozent aller Kindergärtner Männer. Die Kita ist eine Frauendomäne, die mit Fachkräftemangel zu kämpfen hat.
Waltraud Weegmann, Vorsitzende des Deutschen Kitaverbands, hält verschiedene Maßnahmen für nötig, um dem Erziehermangel entgegenzuwirken:
"Höhere Gehälter allein werden nicht mehr Männer für den Beruf begeistern können. Es braucht eine bundesweite duale Ausbildung und attraktivere Arbeitsbedingungen."
Eine weitere Stellschraube sei das Schaffen von vergüteten Quereinsteigerprogrammen mit einer berufsbegleitenden Weiterqualifizierung.
Durch Aktionen wie den Boys' Day, der in diesem Jahr am 28. April stattfand, sollen Jungs bereits im frühen Alter ihre Berührungsscheu mit weiblich assoziierten Berufen verlieren. An dem Aktionstag werden Berufsfelder vorgestellt, in denen höchstens 40 Prozent Männer eine Ausbildung machen oder arbeiten. Das sind zum Beispiel Pflege, Gastronomie und Pädagogik.
Männliche Erzieher sind verdächtig
Männliche Erzieher sind manchen verdächtig. Missbrauchsskandale wie der in Würzburg vor rund zwei Jahren, bei dem ein Logopäde Kinder sexuell missbraucht hat, bestärken Vorurteile und Sorgen. "Mit Vorurteilen seitens der Eltern hatte ich zum Glück noch nicht zu kämpfen", sagt Siry.
Der angehende Erzieher Alexander Brenken (Name geändert) stößt neben vielen positiven Erfahrungen und Bestärkungen immer wieder auf Vorurteile von Eltern.
"Als männlicher Erzieher wird man sehr genau beäugt, von den anderen Erzieherinnen genauso wie von den Eltern der Kinder."
Eine Mutter habe einmal sehr deutlich ihren Wunsch geäußert, dass kein Mann ihre Tochter wickeln dürfe.
Oft als Fremdkörper wahrgenommen
Alexander hat oft den Eindruck, er werde als Fremdkörper in einer weiblichen Domäne wahrgenommen. "Ich verstehe natürlich auch die Sorgen der Eltern. Gerade da es schon Missbrauchsfälle gab, die diese Ängste weiter anschüren. Es ist eben ein sehr heikles Thema", sagt der 39-jährige Familienvater.
In der Kita, in der er seine Ausbildung absolviert, herrsche eine unterschwellige Form von "humorvollem Sexismus" gegen Männer. "Da steht dann so etwas wie 'Männer haben Probleme für jede Lösung!' auf einem Schild. Was vielleicht lustig gemeint sein soll, aber trotzdem eine bestimmte Gesinnung durchsickern lässt", findet Brenken. Er glaubt, eine stärkere Mischung der Geschlechter in den Kitas würde helfen, Vorurteile gegen Männer abzubauen.