80 Jahre nach ihrem Ende fesselt die Geschichte der "Weißen Rose" noch immer die Nachwelt. Vor allem junge Leute könnten sich in das historische Geschehen rund um die studentische NS-Widerstandsgruppe gut einfühlen, sagte Hildegard Kronawitter, erste Vorsitzende der Stiftung "Weiße Rose", im Gespräch mit dem Sonntagsblatt.

Ein Grund dafür sei das Lebensalter ihrer Mitglieder: Als Hans und Sophie Scholl sowie Christoph Probst am 22. Februar 1943 in der JVA Stadelheim hingerichtet wurden, waren sie gerade Anfang 20.

Botschaft der Weißen Rose "hochaktuell"

Die Botschaft der Weißen Rose sei, wenn man nach Belarus oder auf die Situation der freien Presse in Polen und Ungarn schaue, hochaktuell. "Sie kann viel erzählen über die Unterdrückung von Meinungsfreiheit und persönlicher Freiheit", sagte Kronawitter. Zwar müsse man heute verständlicher erklären, welche enorme Anstrengung für das heimliche Abtippen, Vervielfältigen und Versenden eines Flugblatts nötig gewesen sei:

"Das machte unvergleichlich viel mehr Arbeit als eine WhatsApp."

Zugleich seien Flugblätter das einzig verfügbare Mittel gegen die staatlich gelenkte Presse gewesen.

Konzentration auf Sophie Scholl legitim

Dass sich das öffentliche Interesse im Laufe der Jahrzehnte auf Sophie Scholl konzentriert hatte, hält die frühere SPD-Landtagsabgeordnete für legitim. Die Bilder zeigten eine starke, sympathische junge Frau, die in den Verhören "enorm mutig und klarsichtig" gewesen sei.

"Ich kann verstehen, dass gerade Sophie so interessiert", sagte Kronawitter.

Dennoch sei sie nicht die alleinige Vertreterin der Weißen Rose gewesen. "Die Stiftung erinnert an alle sieben Ermordeten und ihre rund 30 Mitstreiter", betonte sie.

Gefahr des Missbrauchs

Durch den hohen Bekanntheitsgrad der Weißen Rose bestehe die Gefahr des Missbrauchs. Dass sich immer wieder Demonstranten oder Protestgruppen mit der Gruppe oder mit Sophie Scholl verglichen, "wäre nicht möglich, wenn sie nicht so anerkannt wäre", erklärte Kronawitter.

Sie lehne solche Vergleiche strikt ab: Die Demonstrationsfreiheit in einer Demokratie mit der Situation in einer absoluten Diktatur gleichzusetzen, sei "illegitim". Auf ihrer Homepage hat die Stiftung eine entsprechende Stellungnahme platziert. Darüber hinaus setzt Hildegard Kronawitter auf die Vernunft:

"Ich vertraue darauf, dass die Mehrheit der Menschen den Unterschied zwischen einer Demokratie und einer brutalen Diktatur kennt und dass solche Vergleiche anmaßend sind."

Das Stichwort: Die "Weiße Rose"

Die "Weiße Rose" war der Name einer studentischen Widerstandsgruppe in München während der Zeit des Nationalsozialismus. Sie wurde im Juni 1942 gegründet und bestand bis zum Februar 1943. Die Mitglieder verfassten, druckten und verteilten unter Lebensgefahr insgesamt sechs Flugblätter, in denen sie zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus aufriefen.

Führende Köpfe der "Weißen Rose" waren die Medizinstudenten Hans Scholl und Alexander Schmorell. Zum engen Kreis zählten Christoph Probst, Willi Graf, der Universitätsprofessor Kurt Huber und Hans' Schwester Sophie Scholl. Zudem gab es eine Reihe von Sympathisanten und Unterstützern.

Bei der sechsten Flugblattaktion wurden die Geschwister Scholl am 18. Februar 1943 im Lichthof der Ludwig-Maximilians-Universität verhaftet. Vier Tage später wurden sie und Christoph Probst vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am 22. Februar im Strafgefängnis München-Stadelheim enthauptet. Kurt Huber und Alexander Schmorell wurden im Juli hingerichtet, Willi Graf im Oktober. Die Gestapo verhörte viele Mitwisser und Helfer der "Weißen Rose"; zum Teil erhielten sie hohe Haftstrafen.

Das erste Flugblatt der "Weißen Rose" vom Juni 1942 beginnt mit dem Text: "Nichts ist eines Kulturvolkes unwürdiger, als sich ohne Widerstand von einer verantwortungslosen und dunklen Trieben ergebenen Herrscherclique 'regieren' zu lassen. Ist es nicht so, daß sich jeder ehrliche Deutsche heute seiner Regierung schämt, und wer von uns ahnt das Ausmaß der Schmach, die über uns und unsere Kinder kommen wird, wenn einst der Schleier von unseren Augen gefallen ist und die grauenvollsten und jegliches Maß unendlich überschreitenden Verbrechen ans Tageslicht treten?"

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