Um 1.46 Uhr stand es endlich fest. Gebannt hatten in der Wahlnacht viele Beobachter auf den Zählbalken gestarrt oder die Website der Bundeswahlleiterin im Sekundentakt aktualisiert. Als alle 299 Wahlkreise ausgezählt waren, stoppte das BSW bei 4,972 Prozent der abgegebenen Stimmen: 0,028 Prozent oder rund 13 500 Stimmen, die das Land vor der faktischen Unregierbarkeit trennten.

Im Promillebereich vor der Unregierbarkeit

Wäre die Wagenknecht-Partei in den Bundestag eingezogen, wäre nur eine erneute Dreierkoalition möglich gewesen. Kenia, die Koalition aus CDU/CSU, SPD und Grünen, wäre auf nur sehr geringe Zustimmung unter den Wählerinnen und Wählern gestoßen (22 Prozent). Und welche inneren Konflikte diese Verbindung zweier Ampelkoalitionäre mit dem Merz-Lager mit sich gebracht hätte, kann man sich leicht ausmalen. Doch auch die nun sehr wahrscheinliche Koalition aus Union und SPD finden nur 48 Prozent der Deutschen gut, fast genauso viele – 41 Prozent – finden sie schlecht.

Eine Große Koalition wie ehedem ist diese Koalition schon lange nicht mehr. Im neuen Bundestag wird sie nur 18 Sitze mehr haben als die Opposition aus AfD, Grünen und Linken. 

In Bayern liegt die AfD nur knapp unter ihrem Ergebnis im Bund

Die CSU hat alle 47 bayerischen Direktmandate geholt – und das zweitschlechteste Bundestagswahl-Ergebnis der CSU seit 1949. Auch in Bayern liegt die AfD nur knapp unter ihrem Ergebnis im Bund.

In Bad Kissingen wurde Dorothea Bär mit 50,5 Prozent bundesweite Stimmenkönigin. Aber nicht alle Sieger in den bayerischen Wahlkreisen ziehen aufgrund der Wahlrechtsreform der Ampel aber in den Bundestag ein, sondern nur 44. "Wahlkreis bleibt wegen ungenügender Zweitstimmendeckung unbesetzt" heißt es gleich für drei bayerische Großstädte (Wahlkreise Augsburg-Stadt, München-Süd und Nürnberg-Nord).

Besorgniserregend am Wahlergebnis: Junge Menschen gaben zu fast 50 Prozent ihre Stimmen extremen Parteien wie der AfD oder der Linken. Union, SPD und Grüne kommen in der Altersgruppe 18 bis 24 Jahre gemeinsam nur auf etwas mehr als 30 Prozent.

Eine erfolgreiche Koalition der Vernunft ist jetzt gefragt

Friedrich Merz hat eine große Aufgabe vor sich. Ob er eine glücklichere Hand als sein Vorgänger beweist, wird sich auch daran bemessen lassen, ob und wie die wuchernden Ränder des politischen Spektrums wieder schrumpfen. Die SPD wird sich nun unter neuer Führung bewegen müssen in der Migrationspolitik. Die Menschen in Deutschland wollen hier eine erkennbare Wende. Die Union wird sich nun bewegen müssen, denn ohne mehr Flexibilität bei den Haushaltsregeln wird sich der gewaltige Berg an Aufgaben, vor dem die neue Regierung steht, nicht bewältigen lassen. 

Eine erfolgreiche Koalition der Vernunft ist jetzt gefragt, eine, die einen klar europäischen Kurs mit innerer und äußerer Sicherheit verbindet. Ohne soziale Politik des gesellschaftlichen Ausgleichs geht das nicht.

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