Kurz nach 14 Uhr war die festgeklebte Hand des Jesuitenpaters Jörg Alt wieder von der Straße gelöst und Polizeibeamte nahmen den Kirchenmann in Gewahrsam, um seine Personalien aufzunehmen. Dem Nürnberger Priester und den anderen Straßenblockierenden, die am Dienstagmittag in Nürnberg für eine bessere Klimapolitik demonstrierten, drohen nun Anzeigen wegen Nötigung, wie Polizeisprecher Michael Konrad dem Sonntagsblatt sagte. Der angestrebte Verkehrsstau war allerdings an dem recht ruhigen Ferientag in Nürnberg rasch abgeleitet.

Kurz vor zwölf Uhr hatten sich 15 Klimaaktivisten mit roten Warnwesten, darunter der Nürnberger Pater Jörg Alt, auf die Kreuzungen der beiden dreispurigen Fahrtrichtungen des Altstadtrings gesetzt. Andere Protestierer bauten ein Freizeit-Areal auf, in dem eine Pianistin Klavier spielte, wieder andere machten es sich auf einer Picknickdecke bequem, Kletterer bestiegen Ampel- und Straßenbahnmasten. "Gegen eine Wirtschaft, die tötet", ein Zitat von Papst Franziskus, stand auf einem Schild um den Hals des 90-jährigen Paters Joe Übelmesser, der durch die Inszenierung schlenderte.

Klimaaktivist*innen kleben sich überall in Deutschland auf Straßen fest

Überall in Deutschland setzen sich derzeit Menschen auf Autobahnen oder wie jetzt auf den Altstadtring in Nürnberg - manchmal kleben sich sogar dort an. Sie blockieren Häfen oder drehen Versorgungsleitungen zu.

Gemeinsam ist den Aktivisten, dass sie mit zum Teil drastischen Mitteln des zivilen Widerstands die Menschen aufrütteln wollen. Sie wollen, dass das Ziel, die Erderwärmung aufzuhalten, nicht aus dem Blick gerät, und die Politik zum Handeln zwingen. Deswegen wollen sie "extrem stören".

Jesuitenpater ist auch dabei

Der Nürnberger Jesuitenpater Pater Jörg Alt hat im Dezember 2021 mit einem Lebensmittel-Diebstahl aus Containern auch auf die CO2-Emissionen hingewiesen, die mit den in Deutschland jährlich vernichteten über zwölf Millionen Tonnen Lebensmitteln verbunden sind.

Nun ist er am Dienstag wieder "straffällig geworden". Der Priester saß neben dem Mitinitiator der "Letzten Generation", Henning Jeschke, in Nürnberg auf der Straße, seine linke Hand am Boden festgeklebt.

"Letzte Generation" bezieht sich auf Obama

Der Name der Gruppe "Letzte Generation" geht zurück auf einen Satz des damaligen US-Präsidenten Barack Obama:

"Wir sind die erste Generation, die die Auswirkungen des Klimawandels spürt und die letzte, die dagegen etwas unternehmen kann."

Die Aktivisten auch anderer Gruppen, wie zum Beispiel "Extinction Rebellion", werfen der Bundesrepublik vor, gegen die Ziele des Pariser Abkommens zu verstoßen und nicht genügend CO2 einzusparen. Sogar das Bundesverfassungsgericht habe in seinem "Klimaurteil" vom April 2021 die Politik gewarnt, dass das Restbudget des CO2-Ausstoßes bis 2030 auf Kosten künftiger Generationen aufgebraucht sein werde, wenn nichts geschehe.

Deutschland hat Vorreiterrolle

Deutschland als Industrieland komme als einem der reichsten Industrieländer eine besondere Verantwortung und Vorreiterrolle zu, sind die Protestierenden der Meinung. "Denn wenn wir uns nicht glaubhaft auf diesen Weg begeben, können wir das auch nicht von anderen verlangen", heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung zur Aktion.

Der Sachstandsbericht des Weltklimarates hat erst vor Kurzem deutlich gemacht, dass die globalen Emissionen bis 2043 um 43 Prozent sinken müssten, wenn die globale Erwärmung noch in einem "gestaltbaren Rahmen" bleiben solle. Ko-Autor und Klimaforscher Hans-Otto Pörtner sagt:

"Wir befinden uns jetzt in der entscheidenden Dekade. Alle Schritte, die jetzt getan oder unterlassen werden, sind entscheidend für die Zukunft der Menschheit."

Die Weltuntergangsuhr des Wissenschaftlerkomitees des "Bulletin of the Atomic Scientists", die der Menschheit zeigt, wie kurz sie wegen des Klimawandels, Kriegsgefahr, der Pandemie oder der atomaren Gefahren vor dem Abgrund steht, steht auf 100 Sekunden vor Zwölf.

Student: Bin verzweifelt

Weil alle anderen Protestformen, die Demos der Fridays-for-Future-Jugendlichen, die Klimacamps, Debatten und Berichte nichts genutzt hätten bisher, sagt zum Beispiel der Student Luca Thomas aus Bayreuth:

"Ich bin verzweifelt und mir fällt nichts mehr anderes ein."

Immer wieder betonen die Aktivisten, dass sie Strafen nicht abschrecken würden, da sie nichts seien im Vergleich zu einem drohenden Klimakollaps.

Pater zitiert Ghandi

Jesuitenpater Jörg Alt, der am Dienstag in Nürnberg an der Straße klebte, ruft in seinen Büchern zunächst zum "Handeln", danach zum "Endlich Anfangen" und jetzt zum "Widerstand" auf. Immer noch optimistisch zitiert er den wohl bekanntesten Widerständler der Erde, Mahatma Ghandi:

"Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du."