Am 9. Juni 2024 können die deutschen Wähler*innen ihre Stimme zur Europawahl abgeben. Expert*innen sind sich einig, dass eine richtungsweisende Wahl ansteht. Die Demokratie in Europa ist bedroht wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Rechtsextreme und Rechtspopulisten gewinnen immer mehr Einfluss, und dieser Trend könnte sich auch bei den Wahlen zum Europaparlament fortsetzen.
Und wie halten es die Parteien – frei nach Goethes berühmter Gretchenfrage – mit der Religion? Wie positionieren sie sich zu Themen wie Glaube, Schöpfung, christliche Kirchen oder Feiertage? Wir haben bei den im Europaparlament vertretenen deutschen Parteien nachgeschaut. Im ersten Teil unseres Religions-Checks zur Europawahl geht es um das Programm der Alternative für Deutschland (AfD).
AfD steht auf Christentum – aber wie
Die AfD legt großen Wert auf das Christentum. Wobei, auf den 21 Seiten ihres Europawahlprogramms erwähnt sie es nur einmal. Diese Erwähnung jedoch hat es in sich, denn sie zeigt recht gut, worum es der Partei geht.
Das Christentum wird hier ganz locker in eine Reihe mit griechischer Philosophie, römischem Recht und der Aufklärung gestellt, denen allesamt "eine prägende Wirkung für alle europäischen Völker" attestiert wird. Dass zwischen all diesen Ideen und Denkschulen erhebliche Widersprüche bestehen, dass außerdem auch andere Religionen, vor allem Judentum und Islam, seit Jahrhunderten eine Rolle für europäische Völker spielen, interessiert dabei offensichtlich nicht. Wichtiger ist anscheinend die identitäre Vereinnahmung des Christentums.
So überrascht es auch wenig, dass die Begriffe Religion/religiös ausschließlich zur Anwendung kommt, um eins der wichtigsten Feindbilder der Partei, den Islam, zu verunglimpfen. Dies geschieht erwartbarerweise ausgiebig und in der bewährten Form von bewussten Überspitzungen und unzulässigen Vereinfachungen sowie Pauschalisierungen bis hin zur offenen Dämonisierung. In einem Fall nimmt man noch das Judentum als Kollateralschaden in Kauf, wenn gefordert wird, religiöse Praktiken bei Schlachtungen (gemeint ist das sogenannte Schächten) nur unter Betäubung durchzuführen.
Diskriminierung aufgrund der Religionszugehörigkeit interessiert dementsprechend auch wenig, es sei denn natürlich, es lässt sich auch in bekannte Denkmuster pressen. So betont die Partei im Programm explizit ihre Ablehnung "linken" und "muslimischen" Antisemitismus. Rechtsextremer, der nach wie vor die häufigste messbare Form ist, wird dagegen nicht ausdrücklich genannt, sondern kann nur unter der Formulierung "jeglicher Form" mitgedacht werden. Islamfeindlichkeit, egal welcher Couleur, wird im Programm nicht erwähnt.
Fazit
Die AfD braucht Religionen eigentlich nur für ihre Freund-Feind-Schablone: Hier der europäische, zivilisierte Mensch, irgendwie christlich geprägt, dort der bedrohliche, unzivilisierte Rest, im Zweifelsfall muslimisch. Darüber hinaus lässt das Programm kein Interesse an irgendeiner Form von Religion oder Spiritualität erkennen.
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