Am 9. Juni 2024 können die deutschen Wähler*innen ihre Stimme zur Europawahl abgeben. Expert*innen sind sich einig, dass eine richtungsweisende Wahl ansteht. Die Demokratie in Europa ist bedroht wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Rechtsextreme und Rechtspopulisten gewinnen immer mehr Einfluss, und dieser Trend könnte sich auch bei den Wahlen zum Europaparlament fortsetzen. 

Und wie halten es die Parteien – frei nach Goethes berühmter Gretchenfrage – mit der Religion? Wie positionieren sie sich zu Themen wie GlaubeSchöpfungchristliche Kirchen oder Feiertage? Wir haben bei den im Europaparlament vertretenen deutschen Parteien nachgeschaut. Im ersten Teil unseres Religions-Checks zur Europawahl geht es um das Programm von Bündnis 90/Die Grünen

Religion kommt häufig vor

Die Grünen erwähnen Religion recht häufig in ihrem Programm – besonders verglichen mit der CDU/CSU, wo man das ja eigentlich eher erwartet hätte. Und, und das ist vielleicht noch überraschender: Meistens in einem positiven Sinn. So betont die Partei bei der Charakterisierung Europas zals vielfältig unter anderem auch das Miteinander von  "Atheist*innen und religiöse(n) Menschen".  Und damit noch nicht genug:

"Unsere pluralistische Demokratie ist stark, weil Menschen in (...) Religionsgemeinschaften eine lebendige Zivilgesellschaft gestalten."

Dies findet sich im Kapitel "Zivilgesellschaft". Dieses endet mit einem geradezu flammenden Bekenntnis:

"Religion und Glauben sind Bestandteil unserer Kulturen und haben integrative Kraft für breite Teile der Gesellschaft."

Interessant ist, dass die Grünen hierbei keine Wertung vornehmen, nicht etwa vom jüdisch-christlichen Erbe sprechen, das an dieser Stelle sonst gerne betont wird. Dementsprechend heißt es weiter: "Wir wollen den interreligiösen Dialog vertiefen und Gemeinden dabei unterstützen, Menschen verschiedenen Glaubens miteinander in Kontakt zu bringen." 

Christentum, Judentum und Islam

Man könnte den Grünen vorwerfen, dass sie mit einem etwas vagen Religionsbegriff hantieren, der alles oder auch nichts einschließt. Doch insbesondere im Kapitel "Diskriminierung" werden sie spezifischer. Dort werden Judenhass und Hass auf Muslim*innen ausführlich benannt und verurteilt. 

Und auch der Schutz des Christentums wird von den Grünen angemahnt, allerdings im außenpolitischen Kontext:

"Der Schutz der armenischen Kultur und christlichen Religion in Bergkarabach muss sichergestellt werden, um den Erhalt des gemeinsamen Erbes der Region zu schützen."

Es geht hierbei um die Bedrohung Armeniens durch Aserbaidschan. 

Geht es um problematische Aspekte von Religion, so erwähnen die Grünen allerdings nur eine Richtung: den sogenannten Islamismus.

Glaubst du?

Und was glauben die Grünen selbst? Nun, der Begriff kommt meistens im Zusammenhang mit Glaubwürdigkeit vor. Als aktives Verb kommt er dagegen nur ein einziges Mal vor: "Wir glauben, dass eine demokratische Türkei, in der die Rechte aller ihrer Bürger*innen geachtet werden, einen festen Platz in der EU hat." Überflüssig zu erwähnen, dass man diese Grundlage derzeit nicht als gegeben ansieht. 

Fazit

Bündnis 90/Die Grünen stellen in ihrem Programm viele positive Bezüge zu Religion her: Als Ausdruck von Vielfalt, als wichtige Grundlage und aktiven Teil der Zivilgesellschaft, als integrative Kraft. Einzelne Gemeinschaften, wie etwa christliche Kirchen, hebt man dabei nicht hervor.

Während bei den positiven Seiten kein Unterschied gemacht wird, ist man, was die problematischen Seiten angeht, deutlich einseitiger: Hier findet nur der Islamismus Erwähnung. Vor Diskriminierung wollen die Grünen laut Programm Angehörige aller Religionsgemeinschaften schützen, konkret erwähnt werden Jüdinnen und Juden (am meisten), Muslim*innen (am zweitmeisten) und Christ*innen (am wenigsten). 

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